Archiv

Portugal
Hitziges TV-Duell vor Parlamentswahlen

Die Parlamentswahlen Anfang Oktober in Portugal sind die ersten Wahlen, seitdem das Spar- und Reformprogramm der Troika umgesetzt wurde. Die Regierungszeit der Mitte-rechts-Koalition war von einem harten Sparkurs und Massenprotesten begleitet worden. Nun lieferten sich der konservative Premierminister Pedro Passos Coelho und sein sozialistischer Herausforderer António Costa ein hitziges TV-Duell.

Von Tilo Wagner |
    Antonio Costa (r.), sozialistischer Herausforderer, und der konservativer Premierminister Pedro Bassos Coelho vor dem TV-Duell.
    Antonio Costa (r.), sozialistischer Herausforderer, und der konservativer Premierminister Pedro Bassos Coelho vor dem TV-Duell. (AFP / PATRICIA DE MELO MOREIRA)
    In einem bürgerlichen Wohnviertel in Lissabon stehen seit Tagen immer wieder Reporter auf dem Bürgersteig vor einer Haustür. Ab und zu lassen sich ehemalige Führungspersönlichkeiten der sozialistischen Partei blicken, die einen Mann besuchen, der vor knapp einer Woche aus dem Gefängnis entlassen wurde: Portugals Ex-Premierminister José Sócrates werden Korruption und Geldwäsche vorgeworfen. Nun steht der ehemalige Vorsitzende der Sozialisten unter Hausarrest und wartet im Lissabonner Wohnhaus seiner Ex-Frau auf die Anklage.
    Auf der Straße haben sich auch ein paar Anhänger der Sozialisten versammelt, so wie António Candeias, der in der Nähe einen Friseursalon betreibt:
    "Dass José Sócrates jetzt mitten im Wahlkampf aus dem Gefängnis nach Hause kommt, das stiftet doch nur Unruhe. Die Sozialistische Partei hat immer sehr eng an Sócrates gehangen. Er war einfach sehr lange Zeit unser wichtigster Mann. Und das bringt insbesondere seinem Nachfolger jetzt Probleme, weil es nicht leicht ist, mit diesem Erbe umzugehen."
    Vor knapp einem Jahr war der ehemalige Lissabonner Bürgermeister António Costa in einer Direktwahl von den Mitgliedern der Sozialisten zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt worden, um die größte Oppositionspartei bei den nun anstehenden Parlamentswahlen zurück in die Regierungsverantwortung zu führen. Costa saß zwischen 2005 und 2007 als Innenminister im ersten Kabinett von José Sócrates, und dementsprechend schwer ist es dem 54-jährigen gelernten Rechtsanwalt gefallen, sich von seinem ehemaligen Chef zu distanzieren. Doch beim lang erwarteten TV-Duell mit Premierminister Pedro Passos Coelho am Mittwochabend ist António Costa zumindest in diesem Punkt ein Befreiungsschlag gelungen.
    Kopf-an-Kopf Rennen von Regierung und Opposition
    Zum ersten Mal ist in Portugal eine Wahlkampf-Debatte gleichzeitig von den drei großen Fernsehstationen übertragen worden. Das Duell zwischen Passos Coelho und seinem Herausforderer Costa hat zusätzlich an Bedeutung gewonnen, weil sich die Mitte-rechts-Koalition und die Sozialisten laut jüngsten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Die konservative Regierung hat Boden gut gemacht, weil die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit auf mittlerweile 12,1 Prozent gesunken ist - so tief war sie seit fast fünf Jahren nicht mehr. Das Fazit seiner Regierungszeit fiel für Premierminister Passos Coelho deshalb positiv aus:
    "Wir haben Portugal ein Fenster in die Zukunft geöffnet und die Tür hinter der Krise zugemacht. Deshalb steht uns jetzt eine Zeit der Hoffnung und des Vertrauens bevor, und wir sind in der Lage, in den nächsten vier Jahren darauf aufzubauen. Dank der wirtschaftlichen Erholung haben die Portugiesen mehr Geld in der Tasche, es gibt ein großes Vertrauen, dass die Wirtschaft sich erholt, und das dadurch nachhaltig Arbeitsplätze geschaffen werden, denn das ist es, was Portugal braucht."
    Herausforderer Costa widersprach der Sichtweise, dass Portugal nun besser dastehen würde als noch vor vier Jahren. Er verwies darauf, dass die Staatsschulden weiter gestiegen seien und die Wirtschaftsleistung insgesamt zurückgegangen sei. Costa versprach, Teile der Sparmaßnahmen wieder zurückzunehmen, sollten die Sozialisten die Wahlen gewinnen:
    "Die Arbeit der Wirtschaftsexperten, die unser Programm mitentworfen haben, ist zuverlässig und glaubwürdig. Wir versprechen nur das, was wir uns auch halten können. Konkret wollen wir bis 2017 die Sondereinkommenssteuer abschaffen und eine Einkommenssteuerreform durchführen, damit die Mittelschicht von der größten Steuerlast in unserer Geschichte wieder befreit wird."
    Sozialisten erwarten ein optimistisches Wirtschaftswachstum
    Das Programm der Sozialisten, das zudem mehr Geld für das Sozial- und Gesundheitswesen verspricht, baut auf der Annahme auf, dass Portugals Wirtschaft in den nächsten Jahren über 2,4 Prozent wächst - eine Prognose, die weit optimistischer ist als die Schätzungen portugiesischer und internationaler Institutionen. Passos Coelho warnte deshalb in der Fernsehdebatte davor, dass die Sozialisten so wie vor vier Jahren unter Sócrates Portugal wieder in die Verschuldungsfalle fahren würden. Zur großen Überraschung vieler Zuschauer distanzierte sich António Costa jedoch zum ersten Mal öffentlich von Sócrates - mit einer ironischen Bemerkung:
    "Herr Passos Coelho, ich versteh ja, dass Sie große Sehnsucht haben, mit José Sócrates zu diskutieren. Aber jetzt müssen Sie mit mir debattieren, denn ich bin jetzt Ihr Gegner."
    Politische Kommentatoren sahen den Herausforderer António Costa mit einem leichten Vorteil aus der Debatte gehen. Doch in den portugiesischen Medien wurde auch bemängelt, dass sich das TV-Duell viel zu stark mit Sócrates und der Troika befasst habe, anstatt klarzustellen, wie die beiden Spitzenkandidaten Portugal in Zukunft regieren wollen.