Auf ihrem Schreibtisch türmen sich die Aktenordner. Natalia Nunes ist Schuldenberaterin der Verbraucherschutzorganisation DECO und sie hat viel zu tun: Immer wieder kommen Kollegen, ständig klingelt das Telefon. Der Andrang, sagt sie, sei unglaublich, immer mehr Portugiesen wüssten nicht mehr, wie sie ihre Wohnungskredite und andere Schulden bezahlen sollten:
"In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben bereits mehr als 17.000 Familien unsere Hilfe gesucht. Leider waren die meisten von ihnen bereits in einer sehr dramatischen Lage. Deshalb konnten wir ihnen nicht mehr helfen, ihre Familienfinanzen auszugleichen."
Ihre Wohnungen wurden oder werden demnächst gepfändet. Im ganzen Land, so die Zahlen der Verbraucherschützer und der Bank von Portugal, können Hundertfünfzigtausend Familien ihre Immobiliendarlehen nicht mehr bezahlen. Seit Jahresbeginn wurden täglich fast 200 gepfändete Wohnungen versteigert. Die von Paula Álves dürfte eine der nächsten sein:
"Seit vier Jahren kann ich den Kredit nicht mehr zurückzahlen. Damals waren es 230 Euro im Monat, inzwischen ist die Schuld auf mehr als 30.000 Euro angestiegen."
Paula ist arbeitslos, teilt die Wohnung mit zwei behinderten Geschwistern. Knapp 400 Euro Sozialhilfe reichen kaum zum Überleben, geschweige denn, um die Raten zu bezahlen:
"Davon bezahlen wir Strom, Lebensmittel, Wasser und Gas. Für den Kredit bleibt nichts übrig. Und – so wahr mir Gott helfe - ich weiß auch nicht mehr, wen ich noch um Hilfe bitten könnte."
Teufelskreis der Verschuldung
Jetzt sitzt die Frau verzweifelt bei der Schuldenberatung. Doch auch Natalia Nunes weiß keinen Rat mehr:
"Leider kommen viele erst dann zu uns, wenn sie anderswo keine Hilfe mehr bekommen. Dann ist es oft zu spät. Aber die Leute schämen sich, rechtzeitig um Hilfe zu bitten."
Und die Lage werde immer schlimmer, sagt Natalia Nunes. Zwar habe Portugal inzwischen den Rettungsschirm der EU verlassen. Aber wegen der Sparpolitik sei die Bevölkerung drastisch verarmt. Viele Angehörige der Mittelschicht seien ohne eigene Schuld arbeitslos geworden und darum in den Teufelskreis der Verschuldung geraten:
"Viele, die uns jetzt um Hilfe bitten, kommen aus der Mittelschicht, oft sogar mit Universitätsabschluss. Doch jetzt haben sie nicht einmal mehr das Minimum, um zu überleben. Sie verlieren ihre Wohnungen und werden zu Sozialfällen."
So, wie Paula Álves. Als sie vor gut zehn Jahren ihren Wohnungskredit aufnahm, arbeitete sie in einem Handelsunternehmen, verdiente gut. Die Kredite waren günstig, Mietwohnungen gab es kaum. Also hat sie, wie die meisten Portugiesen der Mittelschicht, eine Wohnung gekauft. Dann machte die Firma pleite und sie fand keinen Job mehr. Als es mit der Arbeitslosenunterstützung zu Ende ging, war Paula plötzlich bettelarm. Ihr Schicksal sei kein Ausnahmefall, bestätigt die Schuldenberaterin Natalia Nunes:
"Von den 17.000, die unsere Hilfe suchten, konnten wir nur 1.500 mit Umschuldungsprozessen helfen. Bei ihnen besteht immerhin noch eine gewisse Chance, die Familienfinanzen halbwegs auszugleichen."
Paula Álves ist eine von denen, für die es keine Hoffnung gibt. Die Bank, die ihr einst den Wohnkredit gab, hat ihre Wohnung inzwischen gepfändet und zum Verkauf angeboten. Jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt, fürchte ich, es ist die Polizei und ich muss raus, sagt die Frau, bevor sie die Schuldenberatungsstelle traurig und niedergeschlagen verlässt.