Dunkle Tücher sind um die Platanenbäume gewickelt, die an der Hauptstraße von Erada stehen. Das 700 Einwohner kleine Dorf im bergigen Zentralportugal trägt schwarz, denn die Einwohner trauern um ihre Grundschule: Die konservative Regierung im fernen Lissabon hat entschieden, dass die Schule nach den Sommerferien nicht mehr aufmachen wird. In Erada hat diese Entscheidung eine große Protestwelle in Gang gesetzt.
Elisa Antunes schüttelt mit dem Kopf. Die Schule sei gerade erst komplett modernisiert worden, sagt sie: mit Sonnenkollektor auf dem Dach und neuer Heizung für die kalten Wintertage. Die Mutter eines fünfjährigen Sohnes hat sich mit anderen Eltern zusammen getan, Demonstrationen veranstaltet und die schwarzen Tücher um die Bäume gewickelt. Elisa Antunes fürchtet, dass mit der Schließung der Schule auch das Dorfleben mittelfristig in Gefahr ist:
"Der Protest ist enorm wichtig für uns. Wir fürchten, dass nach der Schule auch der Kindergarten zumachen wird. Es gibt jetzt schon nur wenige junge Eltern hier, aber die meisten werden nun wegziehen. Sie arbeiten eh schon in den Provinzstädten, und wenn ihre Kinder hier nicht mehr zur Schule gehen, dann gibt es nichts mehr, was sie hier hält."
Seit Jahrzehnten kämpfen Lokalpolitiker in den abgelegenen Regionen Portugals gegen die Landflucht. Vor 50 Jahren noch lebten zwei Drittel der portugiesischen Bevölkerung in Dörfern mit weniger als 2000 Einwohnern, heute ist es nur noch etwas mehr als ein Drittel. Auf dem Land gibt es kaum noch Arbeitsplätze. Die Jungen gehen weg, die Alten bleiben. Deshalb, so der Ortsvorsteher von Erada, João Almeida, habe die Schule in seinem Dorf auch eine wichtige psychologische Funktion:
"Wir geben uns wirklich große Mühe, damit die Leute sich hier wohlfühlen. Mit einem neuen Freibad, einer renovierten Schule, einem kleinen Museum. Wir denken positiv und ziehen alle an einem Strang. Doch das ist jetzt in Gefahr. Wenn die Schule schließt, dann sehen wir hier keine Kinder mehr rumrennen. Dann stirbt ein Stück vom Dorf. Und das wird uns auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nehmen."
Die Untergrenze liegt bei 21 Schülern
Die Schule in Erada wird geschlossen, weil sie im kommenden Schuljahr weniger als 21 Schüler gehabt hätte. Das ist die Untergrenze, die die Regierung festgelegt hat, um zu entscheiden, welche Schulen in Portugal geschlossen werden sollen. Hinter diesem Kriterium würden vor allem finanzpolitische Argumente stecken, sagt der Historiker Paulo Guinote, der einen weit beachteten Internet-Blog zum Thema Bildung in Portugal betreibt:
"Eine Schule mit zehn Schülern hat natürlich eine Menge Nachteile. Man muss ein Schulgebäude in Betrieb halten und einen Lehrer und einen weiteren Bediensteten bezahlen. Es sind also vor allem finanzielle Argumente. Die Regierung hat noch pädagogische Einwände, weil die Kinder in zu kleinen Klassen angeblich nicht richtig gefördert werden. Aber darüber lässt sich streiten."
Kritiker glauben, dass die Schulen im Landesinnen nicht mit den gleichen finanzpolitischen Maßstäben bewertet werden können wie die Schulen in den bevölkerungsreichen Gegenden entlang der portugiesischen Küste. Die Regeln existieren seit 2005, als die vorherige sozialistische Regierung mit dem Programm zur Schließung von staatlichen Schulen begann. Seither sind über 4000 Schulen vor allem in der portugiesischen Provinz geschlossen worden.
Der Bildungsexperte Paulo Guniote wirft den Regierenden in Portugal vor, keine glaubwürdige Strategie entwickelt zu haben, wie das Ausbluten der Provinz verhindert werden könnte. Einerseits habe man, so Guinote, für Milliarden von Euro Autobahnen ins Landesinnere bauen lassen, um die Provinz angeblich attraktiver zu machen. Anderseits würde der Staat aber in den Dörfern Schulen, Poststellen und Gesundheitszentren schließen und damit die Landflucht beschleunigen:
Der Bildungsexperte Paulo Guniote wirft den Regierenden in Portugal vor, keine glaubwürdige Strategie entwickelt zu haben, wie das Ausbluten der Provinz verhindert werden könnte. Einerseits habe man, so Guinote, für Milliarden von Euro Autobahnen ins Landesinnere bauen lassen, um die Provinz angeblich attraktiver zu machen. Anderseits würde der Staat aber in den Dörfern Schulen, Poststellen und Gesundheitszentren schließen und damit die Landflucht beschleunigen:
"Diese Regierung, aber auch der Staatspräsident, haben sich auf die Fahnen geschrieben, dass Portugal zurück zu seinen Ursprüngen muss, also zurück in die Provinz, das Landleben preisen, die Landwirtschaft fördern. Und dann stellen sie plötzlich irgendwann fest, dass ja gar niemand mehr auf dem Land lebt."