João Soares steht in einem winzigen Imbiss in der Lissabonner Altstadt und reicht Essen und Getränke durch ein offenes Fenster auf die Straße: Den prickelnden Weißwein "Vinho Verde", frittierte Stockfischbällchen und die stadtbekannten "Bifanas" – in Knoblauch gedünstetes Schweinefleisch, serviert in einer Weißbrotstulle. Der kleinen Reisegruppe auf der Straße schmeckt‘s. Soares hat sie bereits seit Stunden mit einem Kleinbus und zu Fuß durch die portugiesische Hauptstadt geführt – auf der Suche nach einem authentischen Lissabon, das im gegenwärtigen Tourismusboom langsam zu verschwinden droht.
Touristen, die keine sein wollen
Der 36-Jährige mit kahl geschorenem Schädel und Backenbart arbeitet seit 2012 für ein kleines Unternehmen mit dem Namen "We hate Tourism Tours". Im Angebot: Touristische Führungen für Touristen, die keine Touristen sein wollen. Für Soares, den studierten Psychologen, war der Tourismus in der Euro- und Finanzkrise ein Ausweg aus der drohenden Arbeitslosigkeit:
"Ich habe damals in der Personalabteilung eines Telekommunikationsunternehmens gearbeitet – für rund 350 Euro im Monat. Ich war dafür zuständig, Leute für den Verkauf oder fürs Telefonmarketing einzustellen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt habe ich praktisch nur noch miserable Jobs vermittelt. Und dann rutschte das Unternehmen in die Krise, weil die Konkurrenz in der Branche immer härter wurde. Unsere Abteilung wurde geschlossen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich ab und zu schon mal als Tour-Guide gearbeitet. Und deshalb habe ich dann einfach ganz umgesattelt."
"Ich habe damals in der Personalabteilung eines Telekommunikationsunternehmens gearbeitet – für rund 350 Euro im Monat. Ich war dafür zuständig, Leute für den Verkauf oder fürs Telefonmarketing einzustellen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt habe ich praktisch nur noch miserable Jobs vermittelt. Und dann rutschte das Unternehmen in die Krise, weil die Konkurrenz in der Branche immer härter wurde. Unsere Abteilung wurde geschlossen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich ab und zu schon mal als Tour-Guide gearbeitet. Und deshalb habe ich dann einfach ganz umgesattelt."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Portugal wählt - Mit der Klapperkiste in den Aufschwung".
João Soares steht mit seiner Erfahrung nicht alleine da. Viele Portugiesen, die in der Krise ihren Arbeitsplatz verloren hatten, haben einen Job im Tourismusbereich gefunden. Der Sektor umfasst schon jetzt jeden zehnten Arbeitsplatz in Portugal – und hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass die Arbeitslosigkeit innerhalb von sechs Jahren von fast 18 auf nun 6,5 Prozent zurückgegangen ist.
Rasanter Anstieg der Immobilienpreise
Vor dem Imbiss in der Lissabonner Altstadt bespricht Soares mit seinen Gästen auch die negativen Folgen des Tourismusbooms, zum Beispiel den rasanten Anstieg der Miet- und Immobilienpreise. Der Tour-Guide zeigt auf ein Apartment: 850.000 Euro, schätzt er. Da bleibt auch einem jungen Australier in der Reisegruppe kurz die Spucke weg. "Für uns mit unseren niedrigen Gehältern", sagt Soares, "ist das total verrückt."
Die Gruppe läuft den Hügel hinauf, durch enge Gassen, über kleine Plätze. João Soares bleibt vor einem riesigen Graffiti an einer Häuserwand stehen und erzählt über die blühende Street-Art-Szene in Lissabon. Auf eine Nachfrage hin fasst er die Ereignisse der Nelkenrevolution in den 70er-Jahren kurz zusammen. Es wirkt nicht, als ob er sich ein Skript für den Rundgang geschrieben hätte – aber seiner Agentur geht es eben auch nicht ums Vorgekaute:
"Ich glaube, wir müssen vor allem spontan sein. Wir brauchen selten eine spezielle Weiterbildung. Das Geschäftliche lernt man doch schnell dazu. Aber eine Qualifizierung ist wichtig: Wir brauchen gewisse ethische Maßstäbe. Wir müssen einfach wissen, wie man die Leute, die von außerhalb kommen, gut empfängt."
Die Gruppe läuft den Hügel hinauf, durch enge Gassen, über kleine Plätze. João Soares bleibt vor einem riesigen Graffiti an einer Häuserwand stehen und erzählt über die blühende Street-Art-Szene in Lissabon. Auf eine Nachfrage hin fasst er die Ereignisse der Nelkenrevolution in den 70er-Jahren kurz zusammen. Es wirkt nicht, als ob er sich ein Skript für den Rundgang geschrieben hätte – aber seiner Agentur geht es eben auch nicht ums Vorgekaute:
"Ich glaube, wir müssen vor allem spontan sein. Wir brauchen selten eine spezielle Weiterbildung. Das Geschäftliche lernt man doch schnell dazu. Aber eine Qualifizierung ist wichtig: Wir brauchen gewisse ethische Maßstäbe. Wir müssen einfach wissen, wie man die Leute, die von außerhalb kommen, gut empfängt."
Themenpark Lissabon
So ganz wird nicht klar, inwiefern seine Touren weniger zum Ausverkauf der Lissabonner Altstadt beitragen sollten als das Angebot anderer Reiseveranstalter. Schließlich führt er auf der Suche nach dem scheinbar authentischen Erlebnis seine Gruppe genauso durch den Themenpark Lissabon. Im Labyrinth der Altstadt hält Soares seine Gruppe dicht zusammen. Ein Gespräch entwickelt sich. Soares fragt, woher die Leute kommen und was sie so machen. "So lerne ich auch etwas von dem, was mir die Reisenden zu bieten haben."
Die Tour endet an einer gelben Standseilbahn. João Soares gibt ein paar Leuten aus der Gruppe noch nützliche Tipps mit auf den Weg. Dann setzt er sich auf eine Sitzbank seines kleinen Tour-Busses. Durch die Fensterscheibe deutet er auf große Reisebusse, die nicht weit entfernt Dutzende von Touristen auf den Bürgersteig ausladen.
"Die großen Tourismus-Konzerne haben hier alles in der Hand. Sie besetzen die Stadt. Und sie machen den kleinen Anbietern das Leben schwer. Wir wollen einen ehrlichen, guten, qualitativ wertvollen Job machen. Das zeichnet die portugiesische Gastfreundschaft aus. Aber das ist den großen Konzernen total egal. Hier müssen wir ansetzen und dieses Problem besser in den Griff bekommen. Sonst verliert die Stadt, aber auch das ganze Land seine Ursprünglichkeit, seine individuellen und kulturellen Werte."
Die Tour endet an einer gelben Standseilbahn. João Soares gibt ein paar Leuten aus der Gruppe noch nützliche Tipps mit auf den Weg. Dann setzt er sich auf eine Sitzbank seines kleinen Tour-Busses. Durch die Fensterscheibe deutet er auf große Reisebusse, die nicht weit entfernt Dutzende von Touristen auf den Bürgersteig ausladen.
"Die großen Tourismus-Konzerne haben hier alles in der Hand. Sie besetzen die Stadt. Und sie machen den kleinen Anbietern das Leben schwer. Wir wollen einen ehrlichen, guten, qualitativ wertvollen Job machen. Das zeichnet die portugiesische Gastfreundschaft aus. Aber das ist den großen Konzernen total egal. Hier müssen wir ansetzen und dieses Problem besser in den Griff bekommen. Sonst verliert die Stadt, aber auch das ganze Land seine Ursprünglichkeit, seine individuellen und kulturellen Werte."
Freiberufler mit guter Work-Life-Balance
Mit der Regulierung des Tourismus tun sich die portugiesischen Behörden jedoch schwer. Es scheint, dass niemand den treibenden Motor der portugiesischen Wirtschaft drosseln will. Und das, obwohl viele Jobs, die durch den Tourismusboom entstanden sind, gar nicht gut bezahlt seien, erzählt João Soares: "Den meisten portugiesischen Tourismus-Unternehmen fehlt das Geld, um ihren Mitarbeitern Festverträge zu geben. Deshalb sind wir fast alle Freiberufler, kriegen Honorare oder eine Provision."
Ihn selbst stört das aber gar nicht. Im Gegenteil. Der Hobby-Surfer sieht darin eine Chance, sich sein Leben freier bestimmen zu können. Und das gelte auch für viele seiner Freunde, erzählt er. João Soares will deshalb auch in der Zukunft weiter als Tour-Guide arbeiten:
"Ich fühle mich gut damit. Und ich kann gleichzeitig andere Projekte verwirklichen: Ich will Kunsttherapie machen, ich will mich sozial engagieren, und ich will mir meine Lebensqualität erhalten, Zeit haben für Sport, Familie und Freunde. Mit diesem Job kann ich das alles irgendwie miteinander ins Gleichgewicht bringen."
Ihn selbst stört das aber gar nicht. Im Gegenteil. Der Hobby-Surfer sieht darin eine Chance, sich sein Leben freier bestimmen zu können. Und das gelte auch für viele seiner Freunde, erzählt er. João Soares will deshalb auch in der Zukunft weiter als Tour-Guide arbeiten:
"Ich fühle mich gut damit. Und ich kann gleichzeitig andere Projekte verwirklichen: Ich will Kunsttherapie machen, ich will mich sozial engagieren, und ich will mir meine Lebensqualität erhalten, Zeit haben für Sport, Familie und Freunde. Mit diesem Job kann ich das alles irgendwie miteinander ins Gleichgewicht bringen."