In Portugal steht in dieser Woche die politische Zukunft des Landes auf dem Spiel. Nur einen Monat nach den Parlamentswahlen droht der konservativen Minderheitsregierung das Aus. Ab heute wird im Parlament in Lissabon das Regierungsprogramm diskutiert. Im Anschluss wollen die Linksparteien, die im Parlament über eine Mehrheit verfügen, mit einem Misstrauensvotum die Mitte-Rechts-Koalition stürzen und den Weg frei machen für eine sozialistische Minderheitsregierung, die von den beiden anderen Linksparteien gestützt werden soll. Damit kommt es in Portugal auch zu einem Bündnis zwischen Sozialisten und Kommunisten. Das war nicht immer so.
Wenn Pedro Coelho sich an den Machtkampf zwischen portugiesischen Sozialisten und Kommunisten im Sommer 1975 erinnert, kommt ihm ein scharfes Wort über die Lippen: Bürgerkrieg. Coelho, ein Gründungsmitglied der Sozialistischen Partei, sitzt vor einem riesigen Wandbrunnen in einem Lissabonner Park. Vor mehr als 40 Jahren hatte er hier mit seinen Genossen eine Großkundgebung organisiert. Zehntausende säumten damals die Grünfläche, um gegen eine Regierung aus Kommunisten und Militärs zu protestieren. Portugals Weg in die Demokratie schien in Gefahr:
"Die Kommunisten hatten uns Sozialisten damals zum Hauptgegner erklärt. In anderen europäischen Ländern, etwa unter Mitterand in Frankreich oder auch in Italien, sind Regierungsbündnisse zwischen Sozialisten und Kommunisten geschaffen worden. Doch obwohl in Portugal die Bedingungen zurzeit der Nelkenrevolution eigentlich viel besser für ein derartiges Bündnis waren, ist es nie dazu gekommen. Und mit dieser Großdemonstration vor 40 Jahren wollten wir dem Volk und der Militärführung zeigen, dass wir genügend Macht auf der Straße haben, um uns gegen den antidemokratischen Kurs der Kommunisten zu stellen."
Macht für Antonio Costa zum Greifen nah
Die öffentliche Abgrenzung von den Kommunisten im Sommer 1975 hatte weitreichende Folgen. Die Sozialisten orientierten sich in Richtung Sozialdemokratie, die Kommunisten setzten weiter auf marxistisch-leninistische Rhetorik. Weil sich auch nach dem Fall der Mauer daran nichts änderte, kam es bis heute nicht zu einem politischen Bündnis beider Bewegungen. Das soll sich jetzt ändern. Die Linksparteien wollen gemeinsam die konservative Minderheitsregierung im Parlament stürzen und Sozialistenchef António Costa zum neuen Premierminister machen. Costa hatte bereits als Bürgermeister von Lissabon Erfahrung damit gesammelt, ein Bündnis im linken Parteienspektrum zu schmieden. Nun will er den Schulterschluss mit den ehemaligen politischen Widersachern auch auf nationaler Ebene üben. Das gemeinsame Ziel von Sozialisten, Kommunisten und Linksblock: Sie wollen die Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre rückgängig machen, die Renten und Gehälter erhören und Steuern und Sonderabgaben reduzieren.
Der Altsozialist Pedro Coelho hat jedoch Bedenken, ob das Linksbündnis Portugal tatsächlich die notwendige politische Stabilität garantieren kann.
"Ich persönlich hätte mir eine Große Koalition zwischen den Konservativen und den Sozialisten gewünscht – ähnlich wie in Deutschland. Doch das scheint leider nicht möglich. Und deshalb müssen wir anerkennen, dass die Wähler in Portugal nicht wollten, dass die Mitte-Rechts-Koalition mit absoluter Mehrheit weiterregiert. Deshalb kann ich irgendwie doch nachvollziehen, warum die Sozialisten eine neue Mehrheit im Parlament suchen."
Mit seinen Zweifeln steht der 75-jährige nicht alleine da. Mittlerweile hat sich innerhalb der sozialistischen Partei eine Gruppe um den Europaabgeordneten Francisco Assis formiert, die den Linksruck der eigenen Partei offen kritisiert. In portugiesischen Medien wird gleichzeitig der Vorwurf laut, dass Sozialistenchef Costa das Linksbündnis nur anstrebe, um seine persönliche politische Zukunft zu sichern. Schließlich steht Costa nach dem unerwartet schlechten Abschneiden der Sozialisten bei den Wahlen mit dem Rücken zur Wand.
Der Politikwissenschaftler Marco Lisi erforscht seit Jahren das Innenleben der sozialistischen Partei. Er weist noch auf einen anderen, strategischen Grund hin, warum Costa die beiden kleineren, radikaleren Linksparteien mit in die Pflicht nehmen wolle:
Der Politikwissenschaftler Marco Lisi erforscht seit Jahren das Innenleben der sozialistischen Partei. Er weist noch auf einen anderen, strategischen Grund hin, warum Costa die beiden kleineren, radikaleren Linksparteien mit in die Pflicht nehmen wolle:
"Viele Sozialisten haben Angst, die konservative Minderheitsregierung zu unterstützen. Schließlich könnte ihnen dann ein ähnliches Schicksal drohen wie den griechischen Sozialdemokraten, die von der Linkspartei Syriza überrollt wurden. Ich glaube, für die portugiesische Demokratie ist es sogar positiv, wenn die beiden radikaleren Linksparteien von den Sozialisten indirekt gezwungen werden, sich zu den allgemeinen Spielregeln der europäischen Integration zu bekennen. Und gleichzeitig können die Sozialisten ihre eigenen Forderungen nach Gehalts- und Rentenerhöhungen und einer erneuerten Sozialpolitik durchsetzen."