Es ist eine warme Sommernacht in Lardosa, einem Dorf, mit 1.500 Einwohnern, rund 250 Kilometer nordöstlich von Lissabon entfernt. Voll ist es auf Lardosas Festplatz, es gibt Hähnchen, gebratene Chouriço-Wurst und Bier. Ein Mann mit einem Mikro in der Hand versteigert Portweinflaschen. Rui Monteiro steht an einem Stand und blickt zufrieden auf die fröhliche Menschenmenge:
"Das ist mein Portugal hier. Das sind meine Wurzeln. Ich lebe zwar im Ausland, um mein Leben in den Griff zu bekommen, aber im August komme ich immer zurück. Ich mag hier einfach alles: das Land, den Staub in der Luft, das Wasser im Stausee."
So wie Rui Monteiro verbringen jedes Jahr zehntausende portugiesische Emigranten aus Frankreich, Deutschland oder der Schweiz ihre Sommerferien in Portugal. Die Dörfer im Landesinneren, die seit Jahren vergeblich gegen Wirtschaftskrise und Bevölkerungsschwund ankämpfen, erwachen für ein paar Wochen wieder zum Leben. Momentan verdient Rui Monteiro sein Geld in der französischen Schweiz als Vorarbeiter. Eigentlich will er wie viele andere Emigranten so bald wie möglich zurück in die Heimat. Doch der 31-Jährige lässt sich nicht täuschen: Der zarte Wirtschaftsaufschwung, den Portugal zur Zeit erlebt, wird seinem Dorf Lardosa keine neuen Perspektiven eröffnen:
"Ich komme so schnell nicht zurück. Ich habe Angst, hier keinen Job zu finden. Ich will meine Zukunft nicht aufs Spiel setzen. Im Baugewerbe steht hier alles still, es gibt einfach keine Arbeit."
Direkt neben dem Festplatz liegt die Ortsverwaltung. Hier sitzt José Dâmaso und erzählt, was der Monat August für ihn persönlich bedeutet. Wie fast jede Familie in Lardosa hat auch der Ortsvorsteher das Schicksal der Emigration am eigenen Leib erfahren. Als er noch ein Kind war, in den 1960 Jahren, wanderten seine Eltern nach Frankreich aus, José Dâmaso blieb mit seinen Brüdern bei einem Onkel in der portugiesischen Provinz:
"Der Monat August war für uns jedes Jahr eine emotionale Achterbahnfahrt. Wir warteten sehnsüchtig darauf, dass unsere Eltern am 1. August im Dorf ankamen. Und dann war es die pure Euphorie. Mitte des Monats feierten wir dann das Dorffest und danach rückte der Tag der Abfahrt immer näher. Wir haben dann viel geweint, wenn unsere Eltern wieder nach Frankreich aufbrachen."
Das Emigrationskapitel schien für die portugiesischen Familien in den 1990er-Jahren endgültig vorbei zu sein. Auch in Lardosa. Die Kinder der ehemaligen Landarbeiter fanden im boomenden Baugewerbe schnell einen Job. Bis die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise ganz Portugal heftig zusetzte und sich viele Portugiesen wieder auf den Weg ins Ausland machten, weil sie im Baugewerbe keine Jobs mehr fanden. Ortsvorsteher José Dâmaso glaubt, dass nur ein Mentalitätswandel die Ausblutung der Provinz verhindern kann:
"Die Leute aus dem Baugewerbe haben ihre Wurzeln vergessen und sie scheinen nicht zu verstehen, dass sich die Dinge geändert haben. Der Bauboom ist vorbei. Wir haben hier eigentlich immer von der Landwirtschaft gelebt. Und das muss auch unsere Zukunft sein. Diese Chance müssen wir ergreifen. Wir müssen aus der Not eine Tugend machen."
In Lardosa gibt es erste Anzeichen dafür: Eine riesige Obstplantage ist gerade fertiggestellt worden, ein junges Ehepaar investiert in den Anbau von Speisepilzen.
Nur das Baugewerbe ist tot. Von den 15 einst im Ort ansässigen Baufirmen existiert heute keine einzige mehr. Die Arbeiter sind fast alle ausgewandert, so wie Joaquím Preto, ein gelernter Maurer, der vor fünf Jahren in die Schweiz ging:
"Ich bin jetzt 59 Jahre alt. Mir fehlt noch ein Jahr, dann bin ich im Ruhestand. Wenn es nach mir ginge, würde ich jetzt schon hier in Portugal bleiben. Das Leben ist hart in der Schweiz. Die Anforderungen steigen, der Druck nimmt zu. Jeden Tag kommen neue Emigranten, die auch arbeiten wollen. Und wenn du nicht sputest, fliegst du ganz schnell raus."
Joaquim Preto sitz in seinem schattigen Garten und genießt die letzten Stunden in seiner Heimat. Seine Koffer sind schon gepackt. Morgen geht es zurück in die Schweiz. Den geliebten Monat August würde er am liebsten noch ein paar Tage in die Länge strecken.