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Portugal
Spekulationen um Barroso

Im Oktober ist nach zwei Amtszeiten auch für den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso Schluss. In Portugal diskutiert die Öffentlichkeit seit ein paar Wochen über eine mögliche Rückkehr Barrosos in sein Heimatland.

Von Tilo Wagner |
    Im Oktober endet José Manuel Barrosos Amtszeit als Kommissionspräsident
    Im Oktober endet José Manuel Barrosos Amtszeit als Kommissionspräsident (picture alliance / dpa / Olivier Hoslet)
    José Manuel Barroso zieht es in die Heimat. Selten war der EU-Kommissionspräsident so häufig zu öffentlichen Auftritten in Portugal wie in den vergangenen Wochen. Er stiftet Preise, wird mit Ehrentiteln ausgezeichnet, gibt Interviews und nimmt an großen Feierstunden teil. Die verstärkte Präsenz des ehemaligen portugiesischen Premierministers entgeht auch den Fernseh-Kommentatoren nicht. Sie vermuten, dass Barroso bereits seine Rückkehr ins politische Leben seines Heimatlandes vorbereitet. Nach zehn Jahren in Brüssel habe es Barroso nun auf das Amt des Staatspräsidenten abgesehen. Barroso selbst hat sich hierzu auch schon geäußert: "Ich glaube, es gibt keine größere Ehre für einen Portugiesen, als Staatspräsident zu werden. Daran besteht kein Zweifel. Dennoch kandidiere ich bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht."
    So richtig will ihm das Dementi aber niemand abnehmen. Schließlich sind die Präsidentschaftswahlen erst in eineinhalb Jahren. Viel Zeit für einen Politiker, der kurz vor seinem Weggang aus Portugal vor zehn Jahren ein ähnliches Versteckspiel trieb. Der politische Blogger João Lemos Esteves erinnert sich: "Zur Zeit der Fußballeuropameisterschaft 2004 hat Barroso der portugiesischen Öffentlichkeit versichert, er habe keine Einladung aus Brüssel erhalten. Und zwei Tage später hieß es, er werde EU-Kommissionspräsident. Barroso war erst Teil der konservativen Regierung, wurde zum Premierminister gewählt, hat dann eine schwere Schlappe bei den Europawahlen erlitten und ist sofort nach Brüssel abgehauen, nachdem er in Portugal die bis heute anhaltende Sparpolitik auf den Weg gebracht hat."
    "Er hat sich vor der Verantwortung gedrückt"
    Der plötzliche Weggang Barrosos löste eine politische Krise aus, in deren Folge die Mitte-Rechts-Koalition stürzte und die Sozialisten wieder an die Macht kamen. Für viele Portugiesen trägt Barroso eine Mitschuld daran. "Er hat sich vor der Verantwortung gedrückt", sagt eine junge Frau und legt Barroso nun eine längere Ruhepause fernab der Politik ans Herz. Doch genau das könnte dem 58 Jahre alten studierten Juristen schwer fallen, sagt der Blogger Esteves: "Barroso ist der portugiesische Politiker, der sich am häufigsten neu erfunden hat. Er liebt die Macht. Er kann ohne sie nicht leben und macht sie sich hervorragend zu Nutze. Das merkt man auch seiner Partei an, die immer noch sehr stark von ihm geprägt ist."
    Laut Umfrage einer portugiesischen Tageszeitung glaubt die Mehrheit der Portugiesen, dass Barroso einer der schlechtesten portugiesischen Regierungschefs gewesen sei. Er teilt sich diesen fragwürdigen Titel mit seinem Parteifreund und amtierenden Premierminister Pedro Passos Coelho. Doch es gibt auch andere Stimmen: "Portugal kann von Barroso und seinen weltweiten Kontakten profitieren", sagt eine ältere Lissabonnerin. Er solle zurück nach Portugal kommen.
    Portugals Regierungschef Coelho und Kommissionspräsident Barroso.
    Portugals Regierungschef Coelho und Kommissionspräsident Barroso (picture alliance / dpa / Julien Warnand)
    Sollte Barroso im Oktober in Brüssel seine Koffer packen, könnte seine Rückkehr ins politische Lissabon zunächst über einen alt bekannten Trick laufen. So wie der ehemalige sozialistische Premierminister Sócrates und ein weiteres halbes Dutzend ehemaliger Spitzenpolitiker könnte auch José Manuel Barroso zunächst seinen festen Platz als politischer Kommentator in einer Primetime-Nachrichtensendung des portugiesischen Fernsehens bekommen. In einem Zeitungsinterview ließ Barroso diese Möglichkeit zumindest offen. Und fügte leicht ironisch dazu: Schließlich verdiene man im Fernsehen mehr als im Präsidentenpalast.