Archiv


Portugal vor stürmischen Zeiten

Portugals Parlament entscheidet über ein Misstrauensvotum gegen die konservative Regierung. Die Opposition wehrt sich damit gegen die Sparmaßnahmen. Premierminister Passos Coelho kann den Oppositionsantrag mithilfe seiner Koalitionsparteien zwar abschmettern, trotzdem drohen dem Land unruhige Monate.

Von Tilo Wagner |
    "Ihre Zeit ist abgelaufen, ihre Regierung ist am Ende." Oppositionsführer António José Seguro fand im Parlament in Lissabon harte Worte, um den Misstrauensantrag seiner sozialistischen Partei zu rechtfertigen:

    "Erstens ist Ihre politische Strategie komplett gescheitert. Und zweitens fehlt Ihrer Regierung die Glaubwürdigkeit und politische Autorität, um die Portugiesen so zu mobilisieren, dass sie aus dieser schweren Krise herauskommen, die wir zurzeit in Portugal erleben."

    Zwar werden die Sozialisten mit ihrem Misstrauensantrag keinen Erfolg haben, denn die Regierungsparteien besitzen im Parlament die absolute Stimmenmehrheit. Nichtdestotrotz hat die Abstimmung Auswirkungen auf die politische Stabilität Portugals. Zum ersten Mal seit zehn Jahren drängen die Sozialisten im Parlament aktiv auf einen Regierungswechsel hin. Damit bricht Sozialistenchef Seguro auch mit einem unausgesprochenen Bündnis der gemäßigten politischen Parteien in Portugal, die sich bisher dem Spar- und Reformprogramm der Troika verpflichtet gefühlt haben.

    Für den Politologen Pedro Adão e Silva ist das politische Manöver der Sozialisten ein logischer Schritt, um sich als Regierungsalternative zu präsentieren – selbst wenn dahinter kein konkretes politisches Programm steht:

    "Wenn sich eine gemäßigte Partei wie die Sozialisten in der Opposition befindet, muss sie irgendwann ihre Unzufriedenheit klar zum Ausdruck bringen. Sonst wird sie Wählerstimmen verlieren, so wie das in Italien passiert ist. Der Misstrauensantrag kommt aber auch zu einem Zeitpunkt, in dem die Regierung tatenlos und schlapp wirkt und zudem orientierungslos scheint, weil sie nicht weiß, wie sich das Verfassungsgericht zum Haushalt 2013 äußern wird."

    In den nächsten Tagen entscheiden die Verfassungsrichter, ob bestimmte Sparmaßnahmen mit dem Gesetz vereinbar sind. Beobachter erwarten, dass insbesondere eine zusätzliche Steuer auf Renten gestoppt werden könnte. Würde allen Verfassungsklagen stattgegeben, dann könnten der Regierung fünf Milliarden Euro in ihrer Budgetplanung fehlen. Selbst die aufgeweichten Sparziele für die nächsten Jahre, die gerade erst mit der Troika vereinbart wurden, wären dann in Gefahr.

    Regierungschef Passos Coelho spürt jedoch nicht nur den Gegenwind aus dem Parlament und aus dem Gericht. In der vergangenen Woche hat sich auch sein Vorgänger, der ehemalige sozialistische Premierminister José Sócrates nach einer fast zweijährigen Auszeit furios zurückgemeldet.
    Sein Interview war das politische Fernsehhighlight des laufenden Jahres und der Auftakt zu einer Kommentarsendung, in der Sócrates von nun an seine ehemaligen politischen Widersacher unter Beschuss nehmen wird.

    "Ich glaube, Portugal muss sofort mit dem Sparkurs aufhören. In Portugal und Europa begeht man einen schweren politischen und ökonomischen Fehler, wenn wir den Hüftgürtel der Sparpolitik weiter so eng schnallen, ohne dabei an das Wirtschaftswachstum zu denken."

    Wie Sócrates die Krise bewältigen will, erklärte er nicht. Der ehemalige Regierungschef, der in den letzten Jahren seiner Amtszeit den Schuldenberg Portugals kräftig anwachsen ließ, übte insbesondere an Staatspräsident Cavaco Silva scharfe Kritik: Der Präsident hätte, so Sócrates, die politische Krise vor zwei Jahren bewusst gefördert, um einen Regierungswechsel zu bewirken. Die überwiegende Mehrheit der Kommentatoren war sich nach dem Interview einig: Sócrates hat dank seiner herausragenden Medienpräsenz das Zeug zu einem wichtigen Oppositionsführer, der mit einem Auge bereits auf die Präsidentenwahl schielt. Für den Politwissenschaftler Adão e Silva verheißt die Rückkehr des ehemaligen Premierministers nichts Gutes für die politische Stabilität Portugals:

    "Die Regierung ist geschwächt, der Präsident ist geschwächt, und die Opposition kann davon nicht profitieren; und das alles in einem finanziellen und wirtschaftlichen Szenario von dramatischem Ausmaß und in einem Europa, das klare Zeichen des Niedergangs ausstrahlt. Wenn das kein Ausgangspunkt für einen perfekten Sturm ist, dann weiß ich nicht, was ein perfekter Sturm ist."