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Portugals ungerechter Haushalt vor Gericht

Portugals Staatspräsident hat den Sparhaushalt für 2013 unterzeichnet, jedoch gleichzeitig das Budgetgesetz an das Verfassungsgericht geschickt. Grund ist die scheinbar höhere Belastung der Staatsbediensteten, die mehr unter dem Sparzwang leiden sollen als Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Das stelle eine Ungleichbehandlung da

Von Tilo Wagner |
    Madalena Sanches sitzt an ihrem Wohnzimmertisch und schüttelt mit dem Kopf, wenn sie daran denkt, dass ihre Rente noch einmal gekürzt wird: In den letzten 40 Jahren, so die 65-jährige ehemalige öffentliche Angestellte, habe es keinen Staatshaushalt gegeben, der so ungerecht sei wie der für 2013. Die größte Steuerlast tragen Rentner wie sie, sagt Madalena Sanches:
    "Unser Land ist in einer schwierigen Situation. Der Sparkurs ist notwendig, aber es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie man sparen kann. Natürlich müssen wir auch höhere Steuern in Kauf nehmen, aber die Regierung sollte vor allem auf der Ausgabenseite kürzen."

    Madalena Sanches bleibt eine vage Hoffnung: Auch Staatspräsident Cavaco Silva findet, dass der Haushalt ungerecht ist und hat das Gesetz zur Prüfung an das Verfassungsgericht weitergleitet. Silva:

    "Der Haushalt sieht eine Reduzierung der Einkommen vor. Zum einen werden die Steuern drastisch erhöht; zum anderen werden die Sozialleistungen gekürzt. Alle Bürger sind davon betroffen. Doch einige scheinen viel mehr sparen zu müssen, und deshalb gibt es berechtigte Zweifel, ob die Last tatsächlich gerecht verteilt ist."

    Insbesondere Staatsbedienstete und Rentner werden nach Meinung des Präsidenten höher belastet als Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Die Opposition und die Gewerkschaften geben dem Präsidenten recht. Doch Steuerrechtsexperten wie Tiago Caiado Guerreiro verweisen auf einen anderen Absatz in der Verfassung, der die Bedenken aushebelt:

    "Meiner Meinung nach gibt es kein Problem mit der Verfassung. Denn in unserer Verfassung gibt es eine Klausel, nach der in außergewöhnlichen Situationen, wie zum Beispiel jetzt, da das Land kurz vor dem Bankrott steht, gewisse Rechte ausgesetzt werden können, um das Überleben des Staates zu sichern."

    Das Haushaltsgesetz sieht vor, dass den Staatsbediensteten das Urlaubsgeld gestrichen wird und dass alle Renten über 1350 Euro Kürzungen von mindestens 3,5 Prozent hinnehmen müssen. Die sogenannten "goldenen" Renten von über 7500 Euro monatlich, die vor allem Politiker, Richter und Staatsbanker erhalten, werden gar um 40 Prozent gekürzt. Auch die Rente von Staatspräsident Cavaco Silva, der nach einer mehrjährigen Tätigkeit im Aufsichtsrat der portugiesischen Zentralbank lebenslang 12.000 Euro erhält, könnte sich um fast die Hälfte halbieren. Der Steuerexperte Guerreio glaubt deshalb, dass Politiker und Verfassungsrichter in Portugal vor allem von persönlichen Interessen gelenkt werden, wenn sie den Sparkurs der Regierung für verfassungswidrig erklären. Guerreiro:

    "Das ist ein Machtkampf. Ob in der öffentlichen Verwaltung, in den öffentlichen Betrieben oder in der Justizverwaltung, überall werden nun vor allem die persönlichen Interessen verteidigt und ein enormer Druck auf die Medien ausgeübt. Die Machthabenden verteidigen ihre Machtinteressen. Das ist eine gefährliche Situation, denn diese persönlichen Interessen in der öffentlichen Verwaltung sind einer der Gründe für den wirtschaftlichen Niedergang Portugals."

    Der Konflikt um die Verfassungswidrigkeit des Haushalts ist wegweisend für den Erfolg eines viel größeren Projekts: In der vergangenen Woche sind Pläne des Internationalen Währungsfonds bekannt geworden, die die konservative Regierung in Auftrag gegeben hatte. Danach soll der portugiesische Staatsapparat tief greifend reformiert werden. 140.000 Angestellte könnten ihren Arbeitsplatz verlieren, und dauerhaft sollen das Einkommen der Staatsbediensteten um sieben Prozent und die Renten um 15 Prozent gekürzt werden. Damit will die Regierung bis zu vier Milliarden Euro jährlich einsparen. Ob es so weit kommt, scheint allerdings zurzeit noch mehr als fraglich. Denn sowohl innerhalb der beiden Regierungsparteien, als auch im Kabinett sind Teile der Strukturreform bereits scharf kritisiert worden.