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Portugiesen pflegen ihre Kindheitslieblinge

Ob Porzellanpuppe oder Teddybär: Seit 1830 werden im Puppenkrankenhaus in Lissabon die geliebten Spielgefährten der Kindheit wieder "gesund" gemacht. Puppen oder Stofftiere aus der ganzen Welt werden hier repariert oder komplett rekonstruiert.

Von Tilo Wagner |
    Das kleine Geschäft in der Lissabonner Altstadt ist nicht einmal fünfzehn Quadratmeter groß. Bis zur Decke stapeln sich die Puppen, und in den Vitrinen liegen Miniaturkleider, -möbel und hölzerne Puppenhäuser. Seit fünf Minuten ist die Ladentür geöffnet, und schon setzt ein Kunde seine Porzellanpuppe auf dem Tresen ab. Das hübsche Gesicht ist in mehrere Stücke zerbrochen:

    "Die Puppe ist heruntergefallen und auf dem Boden zerschlagen. Sie gehört meiner Tochter, die eine große Sammlung von Puppen hat. Ich glaube, das hier ist das einzige Geschäft in Lissabon, das Puppen repariert. Und es ist auf jeden Fall viel älter als ich es bin."

    Damit hat er recht. Das Lissabonner Puppenkrankenhaus gibt es seit 1830 und es zählt zu einem der ältesten Betriebe seiner Art in Europa. Manuela Cutileiro hat Laden und Werkstatt vor über 20 Jahren von der Gründerfamilie übernommen. Sie wirft einen kurzen Blick auf das zertrümmerte Puppengesicht und schlägt dem älteren Herrn vor, den Kopf der Puppe komplett auszuwechseln. Das sei wesentlich preiswerter als eine Rekonstruktion.

    Ganz günstig ist die Reparatur trotzdem nicht. Und dennoch sieht die Auftragslage für Manuela Cutileiro selbst im Krisenjahr 2012, in dem der Konsum in Portugal auf einen historischen Tiefstand gefallen ist, gar nicht schlecht aus. Die Puppe kann der Herr erst im neuen Jahr wieder abholen – früher ist kein OP-Termin mehr frei:

    "Das Geschäft läuft deshalb immer noch ganz gut, weil wir Portugiesen für unsere Sehnsucht bekannt sind. Wir haben den Fado und den Begriff der Saudade geprägt. Und wir halten an alten Dingen fest, die wir vielleicht von unseren Großmüttern geerbt haben oder die aus den Dörfern sind, aus denen wir ursprünglich stammen. Die Puppen symbolisieren das, und sie stehen gleichzeitig für unsere Kindheit, nach der wir uns sehnen. Und deshalb halten die Leute an dieser Tradition fest. Wir trennen uns einfach nicht so gerne von den schönen Dingen."

    Im ersten Stock über dem Geschäft liegt das Krankenhaus. "Frau Doktor Ermelinda Francisco" steht auf einem kleinen Namenschild an der Wand. Die ehemalige Schneiderin zupft eine mollige Puppe zurecht. Der Patient sieht gut aus.

    "Ich ersetze Augen oder ganze Köpfe, die Beine oder richte die Haare wieder her. Ich arbeite und spiele dabei gleichzeitig."

    Hunderte von Puppen liegen in den Regalen – aus traditionellem portugiesischen Pappmasche, deutschem Porzellan oder chinesischem Plastik. Sie warten darauf, dass eine der vier Puppenärztinnen Hand anlegt. Manuela Cutileiro prüft den Krankenschein von einem großen hellbraunen Affen:

    "Das hier ist ein Stofftier. Er wird heute aus dem Krankenhaus entlassen. Wir haben das ganze Fell ausgewechselt und haben ihm eine neue Hand angenäht. Der Besitzer kommt aus Mosambik. Er hatte uns sozusagen um eine Not-OP gebeten, weil er heute wieder abreist und den Affen wieder nach Afrika mitnehmen will."

    Puppen und Stofftiere aus der ganzen Welt warten in dem Altbau in der Lissabonner Altstadt auf ihre Rekonstruktion. Kein Patient wird abgelehnt. Im Gegensatz zu vielen anderen Puppenkrankenhäusern haben sich Manuela Cutileiro und ihre Ärzte auf keinen Typ spezialisiert. In Lissabon kommt jeder unters Messer, egal wie alt, aus welchem Material oder in welchem Zustand er ist. Die Ladenbesitzerin glaubt, dass die Idee, die hinter dem Puppenkrankenhaus steht, in der jetzigen Krise auch den Menschen helfen kann:

    "Was wir alle unseren Kindern und Enkelkindern mit auf dem Weg geben sollten, ist, dass man nicht konsumieren sollte nur des Konsumierens wegen. Ein Kaufrausch führt ins Nichts. Unabhängig davon, ob das nun unser Geschäftsprinzip ist oder nicht, glaube ich, dass wir alles viel mehr würdigen sollten. Wenn wir einen Gegenstand richtig schätzen lernen, dann kann er alleine uns mehr Freude bringen als ein halbes Dutzend anderer Dinge."