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Positive Aggressionen

Wer im Beruf seine Durchsetzungskraft verstärken und sich im Alltag bewähren will, sollte sich sein natürliches Aggressionspotential bewusst machen und dosiert einsetzen. Das zumindest empfiehlt Jens Weidner, Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie in Hamburg, in seinem neuen Buch: "Die Peperoni-Strategie. So setzen Sie ihre natürliche Aggression konstruktiv ein".

Moderation: Kate Maleike |
    Kate Maleike: Warum haben Sie denn ausgerechnet jetzt, in einer Zeit , in der viel auch am Arbeitsplatz gerade über Druck und Schärfe geklagt wird, dieses Buch herausgegeben?

    Weidner: Weil es in die Zeit passt. Also wir leben in einer Gesellschaft, wo Reformstau herrscht, wo ausgebremst wird, wo vielleicht gute Leute mit guten Ideen auf der Strecke bleiben, weil sie sich nicht durchsetzen können. Und die positive Aggression, oder wir sprechen eben ein bisschen charmanter von der "Peperoni-Strategie", soll eben helfen, sich durchzusetzen, um ein gutes Ziel zu erreichen. Das ist also für Menschen gedacht, die sich nicht übervorteilen lassen wollen, die sich nicht von Blendern und Ellenbogen-Karrieristen austricksen lassen wollen. Und das finde ich ausgesprochen positiv.

    Maleike: Also im Grunde ist das das Buch, dass das Gegenbuch zu dem ist, was antrainiert wurde bei denen, die Sie gerade genannt haben, also die Ellenbogentypen.

    Weidner: Ja, also der Unterschied zwischen positiver und negativer Aggression im Berufsleben liegt ja darin, dass die Peperoni-Strategie das Gemeinwohl berücksichtigt. Also die Verhältnismäßigkeit muss hier stimmen. Es geht hier nicht um so einen primitiven Ellenbogen-Karrierismus, das kann jeder einfach strukturierte Mensch. Sondern es geht darum, gute Dinge durchzusetzen. Und natürlich, wir haben so ein Minimalziel formuliert, wir sagen: Sie sollten in Zukunft das Glitschen spüren, wenn man anfängt, Sie über den Tisch zu ziehen. Und dann kann man doch zwei Dinge tun: Entweder man lässt sich über den Tisch ziehen -sehenden Auges - und akzeptiert dann seine Niederlage. Oder man entwickelt Gegenstrategien. Und wir empfehlen natürlich Gegenstrategien.

    Maleike: Dann lassen Sie uns doch ein bisschen zwischen die beiden Buchdeckel gucken, weihen Sie uns in das Geheimnis der Strategie ein. Wie kann man denn vorgehen, wenn man sich nicht über den Tisch ziehen lassen will und wenn man klug und dosiert seine natürliche Aggression einsetzen will?

    Weidner: Also der Einstieg ist immer die Einstellungsfrage. Also wir favorisieren ja ein Menschenbild, wonach wir sagen: 80 Prozent bleiben Sie doch bitteschön ein feiner Mensch, einfühlsam, teamorientiert, fair, höflich. Aber 20 Prozent sollten sie in der Lage sein, auch bissig zu sein, auch positiv aggressiv zu sein, strategisch zu denken. Also es geht nicht darum, jetzt ständig positiv aggressiv zu agieren und seine Umwelt zu nerven, sondern punktgenau in Konfliktsituationen, wenn es heißt: Unsere Firma wird umstrukturiert, wir machen jetzt Lean Management, also dann wirklich blitzwach zu sein, um darauf zu achten, dass man nicht selbst hinten rausfliegt.

    Maleike: Das heißt erst mal aufmerksam sein, aber was genau ist die Strategie? Was ist die Peperoni-Strategie?

    Weidner: Ja, nehmen wir einmal ein Beispiel: Also Peperoni-Strategie dreht sich ausschließlich um das Erkennen von Machtspielen. Sehr beliebt als Machtspiel ist ja das Pflegen von Schäfchen-Typen. Schäfchen-Typen sind Mitarbeiter, die qualitativ gut arbeiten, fleißig sind, engagiert und sich wundern, warum sie nie befördert werden. Schäfchen-Typen sind Menschen, die nicht nein sagen können, die man am Freitagnachmittag noch mit Bergen von Arbeit zuschüttet, die dann bis 20 Uhr noch in der Firma arbeiten und von mir als Höchststrafe dann am Dienstag in der Personalabteilung mitgeteilt bekommen, dass ihr Zeitmanagement ja miserabel sei. Also dort herauszukommen aus solchen Rollen, indem man dann wirklich nein sagt, indem man wirklich Grenzen zieht und dem Gegenüber signalisiert, mit mir kann man nicht alles machen - das ist Inhalt dieser Strategie.

    Maleike: Was geben Sie denn diesen Schäfchen-Typen mit Ihrer "Peperoni-Strategie" an die Hand? Also was erfahren die in diesem Buch, wie sie sich dann künftig besser verhalten können?

    Weidner: Also erst mal, dass ein kraftvolles Nein zur rechten Zeit nicht zu Liebesentzug führt. Also Schäfchen-Typen - wenn wir mal bei diesem Beispiel jetzt bleiben - wollen geliebt werden und haben Angst, dass Aushandeln im Beruf mit Vorgesetzten oder mit ihrer gleichen Hierarchieebene dazu führt, dass sie nicht mehr geliebt oder gemocht werden. Und das ist ein falscher Gedanke. Wer zu allem bereit ist und alles mitmacht, der wird vielleicht nett gefunden, kommt aber nicht gut weiter. Der wird ausgenutzt, respektiert wird er nicht unbedingt. Und die Peperoni-Strategie zielt ja darauf ab, dass sie im Beruf respektiert, nicht unbedingt geliebt werden.

    Maleike: Herr Weidner, natürliche Aggression, was heißt das eigentlich in der Praxis? Ist natürliche Aggression, dass man wirklich mal auf den Tisch haut und sagt: Nein, ich möchte das jetzt aber nicht, auch als Schäfchen-Typ. Oder sind das eher - sagen wir einmal - subtilere Strategien?

    Weidner: Das ist erst einmal gar keine Strategie. Das ist der Grundgedanke, dass Libido und Tanatos - also die Liebesfähigkeit und die Fähigkeit zu zerstören - in jedem von uns schlummern, ob wir das wollen oder nicht. Nun, Liebesfähigkeit ist nicht das Thema dieses Buches, aber diese Zerstörungskraft. Und diese Power, die dort in uns ist, die uns dazu bringt, dass wir Chef einer Hooligan-Gang werden könnten - in der Kriminalität - oder eben Abteilungsleiter oder Manager, der Arbeitsplätze schafft. Die Grundquelle ist dieselbe. Und ich finde es einen ausgesprochen verführerischen Gedanken, wenn man einmal überlegt, dass die viele Kraft, die wir heute vergeuden in Destruktion, in Mobbing oder ähnliches, dass man die positiv wendet, um gute Ideen umzusetzen. Ich denke auch, dass unser Land dann ziemlich schnell vorankommen würde.

    Maleike: Herr Weidner, Sie haben vorhin schon die anderen Länder, internationale Gepflogenheiten, angesprochen. Würden Sie sagen, dass die Peperoni-Stategie in anderen Ländern schon längst wirkt?

    Weidner: Ich würde sagen, dass in anderen Ländern noch aggressiver gearbeitet wird als in der Peperoni-Strategie empfohlen. Also ich habe ja eine Zeit lang in Amerika gearbeitet, kann man nicht sagen, dass die Amerikaner zu zurückhaltend sind. Die Franzosen haben eine eigene Hochschule der Wirtschaftskriegsführung - die heißt auch so übersetzt - gegründet, um ihren Managern die letzten raffinierten Kniffe beizubringen. Ich finde das nicht förderungswürdig und ich würde es auch in Deutschland nicht begrüßen, aber wir sollten das durchschauen und entsprechende Gegenstrategien entwerfen. Wir sollten nicht die Aggressoren sein, aber wir sollten uns auch nicht von Kampfbereiten übervorteilen lassen.

    Maleike: Sie wissen auch, dass es eine Menge Seminare gibt zur Förderung der so genannten Soft Skills, also der sozialen Kompetenzen. Würden Sie sagen, dass eben die Förderung der natürlichen Aggression jetzt auch da hineingehören würde?

    Weidner: Absolut. Also die Soft-Skills-Seminare halte ich für extrem wichtig und bedeutend. Wenn Sie vorher an unser Menschenbild denken, also die halte ich für 80 Prozent bedeutend. Und diese Biss-Strategien halte ich eben für 20 Prozent bedeutend. Nur zusammen entwickeln die ihre Kraft. Jemand, der 100 Prozent teamfähig ist, wird, wenn er Pech hat, mit einem Burnout-Syndrom dann in irgendeiner luxuriösen Klinik später behandelt werden. Das kann ja nicht der Sinn der Übung sein.

    Maleike: Ihr ultimativer Tipp für einen gewürzten und erfolgreichen Berufsalltag, wie wird der aussehen?

    Weidner: Sensibel werden für Machtspiele, nicht darauf reinfallen, mit Pepp durchs Leben gehen und Humor behalten.

    Maleike: Das sind drei Tipps, aber vielen Dank schon mal. Professor Jens Weidner war das über sein Buch: "Die Peperoni-Strategie". Es ist im Campus Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro.