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Positive Black Soul: Afrika hat mehr als nur eine Seite

Sie sind Pioniere des afrikanischen Rap: Didier Awadi und Amadou Barry schafften 1992 als Positive Black Soul den internationalen Durchbruch als erste senegalesische Rapgruppe. Über sich selbst sagen die Musiker: "Wir sind viel mehr als nur eine Band, wir sind eine Philosophie."

Didier Awadi im Gespräch mit Marlene Küster |
    Marlene Küster: Didier Awadi, wo sind Sie groß geworden, und wie sind Sie zum Rap gekommen?

    Didier Awadi: Mein Vater kommt aus Benin, meine Mutter von den Kapverdischen Inseln. Beide sind Lehrer in Dakar, wo ich zur Welt kam. "Ich bin Afrikaner und habe die senegalesische Staatsangehörigkeit", das betone ich immer. In mir steckt sozusagen die afrikanische Einheit, und das unterstreicht meine panafrikanische Haltung.

    Zum ersten Mal bin ich in den 80er-Jahren im Gymnasium mit Rapmusik in Berührung gekommen. Dort übte ich mich im Breakdance und war damals von Filmen wie Beat Street oder Break Street 84 beeinflusst. Ich tanzte mit meinen Freunden auf dem Schulhof zu Rapsongs, wir ahmten die verschiedenen Bewegungen und Praktiken aus diesen Filmen nach.

    Einige Jahre übten wir unaufhörlich, bis ich mich dann 1989 mit meinem Freund Amadou Barry zusammentat und die Band Positive Black Soul gründete. Wir begannen in unserer Sprache, dem Wolof, zu rappen und griffen auch auf die englische und französische Sprache zurück. Es war wichtig, dass zum einen unsere Landsleute uns verstanden. Zum anderen wollten wir nicht in einem kulturellen Ghetto gefangen bleiben und international auf uns aufmerksam machen. Von Anfang an hatten wir vor, das Bild von Afrika zu korrigieren. Das von allen möglichen Klischees beladene Bild, das diesen Kontinent auf Safari und Kriege reduziert. Das von Leid, Armut, Krankheit gebeutelte Afrika!

    Wir wollten dagegen ein anderes Bild von unserem Kontinent präsentieren: Wir sind eine urbane Generation in Afrika, uns geht es gut, wir wollen dort leben und nicht auswandern. Wir sind jung und voller Tatendrang. Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand. Es gibt auch eine ganz andere Seite von Afrika. Nicht das vom Schmerz verzerrte Afrika. Dieser Kontinent kann auch lächeln. Die Zeiten des Kolonialismus sind längst beendet, wir wollen nicht weiter ausgebeutet werden. Wir geben euch Rohstoffe, wollen aber auch etwas dafür bekommen. Wir wollen als gleichberechtigte Partner Geschäftsbeziehungen eingehen.

    Küster: Im Bandnamen schwingt bereits etwas Positives mit. Man erkennt Ihre Philosophie. War der US-Rap Ihr Vorbild? Haben Sie am Anfang auf bereits vorhandene Musik zurückgegriffen? Wie sind Sie vorgegangen?

    Awadi: Zuerst haben wir die B-Seiten von Platten benutzt, doch bald kreierten wir unsere eigene Musik. Dabei war uns klar, dass wir weder den US-amerikanischen noch den französischen Rap nachmachen wollten. Das liegt uns nicht. Unsere Stärke ist unsere Kultur, unsere Klänge und Melodien, unsere traditionellen Instrumente, unsere Sprache, unsere Themen. Wir sprechen doch nicht von amerikanischen Ghettos, vom Gangsta-Rap. Das ist nicht unsere Realität.

    Wir haben eine politische Mission und sprechen davon, was uns beschäftigt, was wir jeden Tag erleben. Wir setzen uns kritisch mit unserer Regierung auseinander, die nie ihre Versprechen hält. Wir müssen das Bewusstsein schärfen und auf Missstände in unserem Land aufmerksam machen. Wir schreiben immer zu zweit die Texte. Wir gehören zur jungen Generation und wir sind mit über 60 Prozent der Bevölkerung in der Mehrzahl. Keine politische Partei im Senegal ist so groß. Folglich haben wir die Macht und die Kraft. Dessen sind wir uns bewusst. Man muss uns ernst nehmen. Dafür steht Positive Black Soul.

    Wir sind viel mehr als nur eine Band, wir sind eine Philosophie. Denn uns gibt es immer noch, auch wenn wir nicht die ganze Zeit zusammen sind. Jeder hat seine eigenen Projekte. Doch regelmäßig kommen wir zusammen, knüpfen an unsere ursprünglichen Ideen an und verteidigen sie weiterhin. An meinem aktuellen Soloalbum hat Amadou Barry mitgewirkt und ich an seinem. Wir müssen endlich Zeit finden, 2013 ein neues Positive Black Soul-Album zu realisieren. Denn so viele Fans warten auch auf ein neues Zeichen von uns. Und das Ergebnis muss gut sein!

    Küster: Sie sind wirklich die Pioniere, die erste Band der afrikanischen Hip-Hop-Szene, die international erfolgreich wurde. Sie haben den Weg für nachfolgende Generationen geebnet. Gerät man da nicht unter Druck?

    Awadi: Viele junge Leute sind mit unserer Musik groß geworden und sicherlich haben wir sie nachhaltig beeinflusst. Natürlich müssen wir darauf achten, was wir sagen und wie wir uns verhalten. Dieses Vertrauen wollen wir auf keinen Fall missbrauchen und unsere Anhänger enttäuschen.

    Wir haben sehr früh mit dem Rappen begonnen und sind schon lange im Geschäft. Heute bin ich 43 und Amadou Barry 41. Es ist schon eine Ehre, von Anfang an mit dabei gewesen und ein Teil dieser Rapbewegung zu sein, ihre ganze Entwicklung und die Geschichte unseres Kontinents miterlebt zu haben. Für mich geht diese Entwicklung viel weiter, das ist für mich nicht nur Rap, sondern das ist der Ausdruck einer ganzen urbanen Kultur und dabei spielt die Politik eine wichtige Rolle. Heute gibt es im Senegal über 3000 Rapgruppen. Das ist wirklich eine soziale Bewegung. Die Politiker achten auf die Rapper und wissen ganz genau, dass sie viel bewirken können. Die Rapper haben sogar Einfluss auf den Wahlausgang. Denn die jungen Leute sind unzufrieden mit der Stimmung und der Atmosphäre in ihrem Land. Sie vertrauen viel mehr den gleichaltrigen Rappern als den alten Machthabern mit ihren leeren Versprechungen. Die Rapper sind ihr Sprachrohr, sie sind ihrer Realität viel näher und kennen ihre Sorgen und Erwartungen. Der Rap ist wirklich zu einer äußerst bedeutenden politischen Bewegung und Waffe im Senegal geworden.

    Küster: Gerade ist ein Soloalbum von Ihnen erschienen. Der Titel "Ma Revolution" klingt vielversprechend.

    Awadi: Hier geht es um Themen, die mir wirklich am Herzen liegen. Themen, die ich zur Sprache bringen muss und für die ich Position ergreife. Das ist eine Art Zusammenfassung, eine Bestandsaufnahme und gleichzeitig eine Analyse dessen, was ich bis jetzt erlebt und gesehen habe. Im Vordergrund steht der ganz Kontinent Afrika. Ich beschäftige mich auch mit der ganzen Welt wie beispielsweise der Haltung der westlichen Politik gegenüber Afrika. Meiner Meinung nach ist jetzt der Zeitpunkt erreicht, in eine neue Phase überzugehen, und zwar in die Revolution. Damit meine ich einen radikalen Wechsel des Systems. Zunächst spreche ich einmal von meiner Revolution. Wer sich angesprochen fühlt, kann sich jederzeit anschließen.

    Küster: Warum haben Sie sich dieses Mal vom Reggae inspirieren lassen?

    Awadi: Die Reggaekultur ist mir vertraut. Deshalb wollte ich das einfach mal ausprobieren, aber eben doch Rapper bleiben. Warum sollte ich nicht mal zu Reggae rappen? Das war für mich eine Herausforderung: Zwei Musikstile und zwei Philosophien miteinander zu verbinden, die sich meiner Meinung nach ergänzen. Ich bin außerdem ein großer Bob-Marley-Fan. Der Reggae ist sehr spirituell und spricht viele Menschen an, der Rap ist sehr urban und richtet sich ebenfalls an ein großes Publikum. Ich glaube, es ist mir gelungen, genau das richtige Rezept dafür zu finden.

    Küster: Ich habe den Eindruck, dieses Album soll zum Tanzen anregen. Stimmt das?

    Awadi: Ja, viele Stücke sind extra dafür vorgesehen. Mir ist nämlich aufgefallen, dass der senegalesische Rap, dazu gehören natürlich auch die meisten unserer Songs, bisher nicht sehr tanzbar ist. Mein Ziel war, eine Musik zu kreieren, die auch für Nachtclubs und Discos bestimmt ist. Denn ich will damit auch neue Fans gewinnen. Ich will sie beim Tanzen ansprechen und wachrütteln.

    Küster: Wie ist die Situation im Senegal für Musiker?

    Awadi: Ich könnte im Senegal nicht allein vom Verkauf meiner CDs leben. Aber durch Konzerte und Auftritte ist es für mich schon eher möglich. Die Piraterie ist ein wirkliches Problem. Urheberrechte werden überhaupt nicht beachtet. Will man hier als Musiker überleben, muss man in der Regel verschiedene Projekte oder verschiedene Jobs haben.

    Ich zum Beispiel habe ein Aufnahme- und Produktionsstudio namens Sankara – benannt nach dem sozialistischen Revolutionär und ehemaligen Präsidenten Burkina Fasos Thomas Sankara. Für mich ist es sehr wichtig, sowohl finanziell wie auch politisch unabhängig zu sein. So können wir unsere Meinung frei äußern und kritisieren, wen wir wollen. Vor ein paar Jahren war das noch ganz anders. Da hatten wir unsere Aufnahmen in den USA, England oder Frankreich gemacht. Heute machen wir das alles in Dakar.