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Postkarte aus Cannes
Man (er-)kennt sich

Entenfahrer haben einander früher fröhlich zugewunken oder verschwörerisch mit dem Victory-Zeichen gegrüßt. Man kannte sich und mochte sich - auch, ohne jemals ein Wort miteinander gewechselt zu haben. In der Filmbranche ist man da verhaltener. Aber auch dort gibt es untrügliche Erkennungszeichen.

Von Maja Ellmenreich |
    Ein grauer Rucksack mit dem Berlinale-Logo steht an einem Flughafen vor der Gepäckkontrolle.
    Am Beutel zu erkennen - Filmkritiker auf dem Weg zum nächsten Festival (Deutschlandradio / Maja Ellmenreich)
    Es ist wie eine Mischung aus "Dinner for One" und "Täglich grüßt das Murmeltier". Am Kölner Flughafen, noch vor dem Sicherheitsbereich, tauchen die gleichen Gesichter auf wie im letzten Jahr. Der erste Flug am Montagmorgen nach Südfrankreich ist für viele aus der Medienstadt das Transportmittel der Wahl, um zu den Filmfestspielen nach Cannes zu kommen. Same procedure as last year? Same procedure as every year!
    In wichtiger Filmmission unterwegs
    Diese Gesichter werden mir in den kommenden knapp zwei Wochen immer wieder begegnen: mal in der Schlange vor dem Kinosaal, mal im Café gegenüber des Festivalpalastes, mal an der Kasse des Supermarktes um die Ecke. Aber da hier jeder und jede in wichtiger Filmmission unterwegs ist, bleibt Wiedererkennung ausgeschlossen. Ein freundliches Zunicken wird es nicht geben. Wer nach Cannes reist, hat wahrlich Wichtigeres zu tun, als sich Gesichter vom heimischen Flughafen zu merken. Wo kämen wir denn...na, Sie wissen schon!
    Man gibt sich also gerne kühl und unabhängig. Und dazu gehört auch, im Wartebereich vor dem Abfluggate die kleinen Zeichen der Zugehörigkeit zu übersehen. Die kommen meist in Form geräumiger Tragetaschen daher. Von jedem Filmfestival bringt man schließlich ein neues Exemplar mit nach Hause - als eine Art Gastgeschenk des Veranstalters. Ganz nebenbei sind diese Taschen natürlich Werbeträger. In alle Ecken der Welt werden sie schließlich mit nach Hause genommen. Und dort entwickeln sie sich dann rasch zur It-Bag. Ein Rucksack von der Berlinale? Nicht schlecht. Ein Beutel aus Cannes? Pas mal.
    Erkennungszeichen: Bärenbeutel
    Doch zurück nach Köln, in die Wartehalle, wo noch niemand ahnt, welche Tasche es dieses Mal in Cannes zur Begrüßung geben wird. Erstaunlich oft entdecke ich - zwischen Füßen stehend oder auf Nachbarsitzen liegend - das graue Berlinale-Mitbringsel aus dem vorvergangenen Jahr: ein schlichter Rucksack mit dezentem Bärenaufdruck. Praktisch und robust ist er, gut zu tragen, optisch unaufdringlich und...Sein wir ehrlich!...exklusiv. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass nicht auch mich diese Eigenschaften restlos überzeugt haben. Der graue Bärenbeutel ist zu meinem ständigen Begleiter geworden: beim Einkaufen, zum Sport und auf Reisen. So kommt er auch dieses Mal wieder mit mir nach Cannes.
    Doch das erhöhte Bärenaufkommen führt nicht etwa zu Smalltalk. Ausgeschlossenen scheint es, dass der Bärenbesitzer vom Ende der Sitzreihe der Bärenbändigerin neben ihm einen wissenden Blick zuwirft. Der könnte ja bedeuten: "Und Sie? Auch unterwegs nach Cannes?" Wo kämen wir denn...na, Sie wissen schon!