"Man sieht Erschütterung, das World Trade Center, das Feuer frisst sich nach unten, es ist ein verheerendes Bild."
"Im Erdbebengebiet, besonders betroffen sind kleine Kinder, viele seien traumatisiert."
"Mit Kindern, also das geht allen Feuerwehrmännern doch unter die Haut."
"In Gedanken sind wir in diesen Tagen bei den Frauen, Männern und Kindern, die für ewig in Auschwitz geblieben sind."
"Kamen viele serbische Soldaten rein, und die haben dann angefangen, uns zu schlagen, und viele sind liquidiert."
"Kam der Typ auch mit raus und hat 'nen Meter neben mir eine Lehrerin erschossen."
Traumata, Terroranschläge, Katastrophen, Genozide, Folter oder andere Gewalterfahrungen. Der aus dem Griechischen Wort für "Wunde" stammende Begriff Trauma bezeichnet psychologisch gesehen die Folge von Schreckenserlebnissen. Und viele, die das mitgemacht haben, werden die inneren Bilder nicht mehr los. Sie leiden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS. Dr. Olaf Schulte-Herbrüggen, Leiter der Psychotraumatologie an der Charité, schildert die Symptome:
"Dazu gehören einerseits das Wiedererleben zum Beispiel in Form von Albträumen, mit bildlichen oder Hörinhalt oder auch Gerüchen, und des Weiteren, dass man gewisse Dinge, die mit diesem Erlebnis zu tun haben, möglichst nicht wieder erleben möchte, deswegen zum Beispiel Orte, Situationen vermeidet, und der Bereich der erhöhten Sensibilität auf Schreckreize ein dauerndes In-Hab-Acht sein, es könnte wieder etwas passieren; und wenn diese drei Faktoren eine klinisch relevante Beeinträchtigung bilden, dann kann man von einer posttraumatischen Belastungsstörung spreche."
Die PTBS tritt jedoch nicht zwangsläufig und sofort ein.
Schulte-Herbrüggen: "Es gibt Zeitkriterien, wann die Symptomatik aufgetreten sein muss, die Symptomatik, die am Anfang auftritt nach einem traumarelevanten Ereignis, ist erst mal überhaupt nicht pathologisch. Ab einem Monat spricht man dann erst von einer posttraumatischen Belastungsstörung, vorher würde man eher von einer akuten Belastungsreaktion sprechen."
Von der Kriegsneurose zur PTBS
Zuerst tauchte der Begriff Posttraumatische Belastungsstörung nach dem Ersten Weltkrieg auf, damals noch "Kriegsneurose" genannt. Vor allem in und nach dem Holocaust litten die Überlebenden und auch ihre Nachfahren an einer dauerhaften seelischen Störung. Mitunter aber wird sowohl PTBS als auch generell das Wort "Trauma" inflationär gebraucht, sagt der Psychologe David Becker:
"Trauma bedeutet eigentlich gar nichts mehr, es bedeutet nur noch "schrecklich". Die Sache hat zwei Seiten. Die eine ist, dass viele von uns jahrelang darum gekämpft haben, dass Traumatisierungen überhaupt anerkannt werden. Und in dem Sinne ist es natürlich etwas Positives, dass es ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist, auf der anderen Seite: Meine Tochter kommt auch aus der Schule, wenn es irgendwie furchtbar war, und sagt: "heute war's wieder total traumatisch", ich denke, man muss sich wieder Mühe machen, wenn von Trauma die Rede ist, wirklich von extremem menschlichen Leid zu sprechen."
Eine posttraumatische Belastungsstörung tritt nicht bei jedem Betroffenen in gleicher Schwere auf. Zum einen kommt es auf die Art des Auslösers an, sagt der Psychotraumatologe Olaf Schulte-Herbrüggen.
"Selbst bei den schwersten Ereignissen, und dazu gehören typischerweise schwere sexualisierte Gewalt, gibt es zwar 50 Prozent – und das ist eine hohe Zahl – an Menschen, die danach mit einer posttraumatischen Belastungsstörung reagieren, es gibt aber auch 50 Prozent, die eben nicht erkranken. Aber anscheinend ist die Art des Erlebnisses schon einflussgebend auf die Wahrscheinlichkeit, eine posttraumatischen Belastungsstörung zu entwickeln. Und da ist es so, dass je mehr es durch Menschen verursacht ist, die Wahrscheinlichkeit steigt. Ein Unfall hat eine weitaus niedrigere Wahrscheinlichkeit als zum Beispiel die Vergewaltigung.
Ein weiterer Einflussfaktor auf das Auftreten, mindestens die Stärke einer PTBS, ist "Resilienz", eine innere oder oft in der Kindheit erworbene Widerstandskraft gegen seelische Belastungen. Und schließlich kommt es auch darauf an, wie die Umgebung, die Gesellschaft, auf die Traumata reagiert. Opfer sind oft schlichtweg nicht gerne gesehen, weil sie an die eigene Verletzlichkeit, vielleicht auch an die eigene Schuld erinnern.
Wie aber kann man jene behandeln, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden?
Schulte-Herbrüggen: "Alle nationalen und internationalen Leitlinien legen mittlerweile ein sogenanntes traumafokussiertes Vorgehen vor.
Eine Form der kognitiven Verhaltenstherapie, sagt Dr. Schulte-Herbrüggen.
"Das heißt, man muss sich in der Therapie mit den Dingen, die das Erlebnis so schwer überwindbar machen, auseinandersetzen. Und je mehr und je konsequenter dieser Bereich der traumafokussierten Behandlung umgesetzt wird, desto besser sind auch die Erfolgschancen, und die Erfolgschancen sind groß mittlerweile."
Erlebnis-Konfrontation als Therapieansatz?
Bis vor nicht allzu langer Zeit haben viele Therapeuten diese Art der Behandlung mit großer Skepsis betrachtet, weil sie in der Konfrontation mit dem schrecklichen Erlebnis die Gefahr einer "Retraumatisierung" sahen.
Schulte-Herbrüggen: "Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sich das Ereignis nicht noch einmal anzugucken, dann würde jeder Therapeut das unterstützen. Nun ist aber gerade Teil der Symptomatik, dass Erinnerungsteile dauernd wieder hochkommen, sodass es am besten ist, mit dem Therapeuten, in einer Umgebung, wo man sich sicher und wohl fühlt und auf die Art, wie der Patient sich das wünscht, einige Details noch einmal durchzugehen. Das wird von den meistens Patienten als sehr entlastend und heilend empfunden."
Es gibt weitere Behandlungsmethoden. Manche Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung leiden unter andauernden, oft nicht erklärbaren Schmerzen. Unter Umständen hilft ihnen eine Körper-Psychotherapie, die dazu beitragen kann, die Körperwahrnehmung zu verbessern. Andere sind lange nicht in der Lage, ihre Leid – etwa durch Folter – auszudrücken, oder sie kommen aus Kulturen, denen Psychotherapie weitgehend fremd ist.
Manche Traumaexperten setzen hier mit einigen Erfolgen auf Musiktherapie. Olaf Schulte-Herbrüggen von der Berliner Charité hingegen betont, die wissenschaftliche Belege für kognitive Verhaltenstherapie:
"Also ich würde einem Patienten empfehlen, die Methode auszuwählen, die nachweislich die beste Wirkung gebracht hat. Und es gibt immer Abweichungen und die sind halt schwer zu überprüfen, so lange es noch keine Studien dazu gibt. Und wir haben einen riesengroßen Vorteil: Wir haben bei der posttraumatischen Belastungsstörung mittlerweile eine große Menge an sauber durchgeführten Studien, die zeigen, dass manche Strategien sehr wirksam sind.
Trauma kann zu intensiverem Leben führen
Aber ist eine vollständige Heilung der PTBS überhaupt denkbar?
Schulte-Herbrüggen: "Die Frage ist, wie man Heilung definiert. Und natürlich wird ein schwerwiegendes Ereignis immer zu einer Prägung der Person führen. Das muss aber nicht nur im negativen Sinne sein. Es gibt auch den Begriff in der Forschung des posttraumatischen Wachstums, dass Patienten aus der Erfahrung für sich persönlich fast so etwas wie ein intensiveres, ein zentrierteres Leben jetzt führen können und das als sehr positiv empfinden. Ja, bezüglich der Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung kann es eine Vollremission geben."
Eine Heilung also. Aber die Betonung liegt auf "kann". In vielen Fällen sind traumatisierte Menschen schon froh, wenn sie wenigstens einigermaßen wieder mit ihrem Leben zurechtkommen.