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Potentieller Doppelschlag

Mikrobiologie. - Toxoplasmose ist wahrscheinlich die am weitesten verbreitete parasitäre Erkrankung der Welt. Im akuten Stadium verursacht sie so etwas wie Grippe, bevor sie ins chronische Stadium übergeht. Das ist für die meisten Menschen zwar harmlos, kann aber in einigen Fällen lebensbedrohlich werden. Auf dem Toxoplasmose-Forum in Göttingen diskutieren Forscher auch über Wege, auf denen der Parasit in jedem Stadium angegriffen werden kann.

Von Caroline Ring |
    "Toxoplasmose ist der Name der Krankheit, die durch den Parasiten Toxoplasma gondii verursacht wird, das ist ein einzelliger Parasit der innerhalb von Zellen lebt, der Menschen, aber auch alle warmblütigen Tiere befallen kann, aber sie können damit uralt werden, wenn ihr Immunsystem intakt ist."

    Und so kommt es, dass geschätzte 40 Prozent der Weltbevölkerung im Stillen mit Toxoplasma infiziert sind, weiß Dr. Frank Seeber vom Robert-Koch-Institut in Berlin. Denn neben der gut behandelbaren akuten Phase, in der sich die Infektion durch grippeähnliche Symptome zeigt, tritt dann noch die anschließende chronische Phase auf. Der Einzeller hat sich jetzt in den Körperzellen seines Wirts eingekapselt, die Erkrankung verläuft symptomlos – allerdings ist der Parasit in diesem Stadium bis heute für Medikamente sehr schlecht erreichbar.

    "Wenn HIV ausgebrochen ist bei Ihnen, oder wenn Sie halt eine Transplantation über sich ergehen lassen müssen und dabei immunsupprimierende Medikamente benutzen, und Sie sind chronisch infiziert, dann kann es ein Problem werden, wenn die Infektion nicht behandelt wird."

    Und es gibt noch einen zweiten Grund für die Suche nach neuen Medikamenten. Toxoplasma gehört evolutionsbiologisch zum gleichen Stamm von Einzellern wie der Malariaerreger Plasmodium.

    "Das heißt, etwas, das bei Toxoplasma entwickelt wurde, da besteht auch eine gute Chance, dass das auch gegen Plasmodien wirkt, und deswegen ist es durchaus sinnvoll, Medikamente gegen Toxoplasma zu entwickeln, weil man eben beides im Auge haben kann."

    Forscher wie Frank Seeber haben dabei einen ganz bestimmten Angriffspunkt des Parasiten im Visier: Einzeller wie Plasmodium oder eben auch Toxoplasma verfügen nämlich über einen ganz bestimmten und ihnen eigenen Zellbaustein, den Apicoplasten. Ein Zellkompartiment, das von mehreren Membranen umgeben ist.

    "Und das besondere daran ist, dass er eben von Pflanzen abstammt, das heißt, in Frühzeiten der Evolution haben die Vorläufer der heutigen Toxoplasmen und Plasmodien eine Alge aufgenommen, und mit dieser Alge kam dieses Organell, dieser Apicoplast in die Zelle, und das besondere ist nun, dass in diesem Organell nun Stoffwechselwege vorhanden sind, die es beim Menschen nicht gibt."

    Das bedeutet auch, dass diese Stoffwechselwege günstige Ziele für die Entwicklung von Medikamenten darstellen: Findet man eine Substanz, die den Stoffwechselweg des Parasiten stört, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zugleich beim Patienten keine oder wenige Nebenwirkungen hervorrufen würde. Mögliche Kandidaten haben sich dafür schon aufgetan.

    "Das ist zum einen Mal diese Herstellung von Fettsäuren, die für die Membranbildung wichtig sind, dann gibt es andere Stoffe, die sogenannten Isoprenoide, das sind die beiden bekanntesten Wege, wo man weiß, dass sie essentiell sind für das Überleben des Parasiten, und wo man bislang auch zeigen konnte, wenn man sie ausschaltet, dass der Parasit dann stirbt."

    Frank Seeber und seine Kollegen am Berliner Robert-Koch-Institut versuchen aber noch, einen anderen Vorgang im Parasiten zu beeinflussen: Ferredoxin und Ferredoxin-Reduktase heißen die beiden Proteine, mit denen sich die Biologen beschäftigen.

    "Dieses Redoxsystem überträgt wahrscheinlich Elektronen zu mehreren Stoffwechselwegen, das heißt, die grundlegende Idee dahinter ist, wenn wir diesen zentralen Redox-Weg inhibieren, dann inhibieren wir nicht nur einen Stoffwechselweg, sondern mehrere."

    Denn in Pflanzen ist das Redoxsystem von Ferredoxin und seiner Reduktase noch heute ein zentraler Stoffwechselweg der Photosynthese. Der Apicoplast hat es behalten, weil auch er von Pflanzen abstammt. Diese Erkenntnis ist allerdings erstmal nur ein früher Schritt auf einem langen Weg zur Medikamententwicklung.

    "Es gibt jede Menge Angriffspunkte, das Problem ist einfach nur, Sie müssen Medikamente finden, die spezifisch diese Angriffspunkte inhibieren, und der Apicoplast hat eben den Vorteil, dass es eben schon auf dem Papier danach aussieht, als wären das doch relativ spezifische Angriffspunkte, weil es eben keine entsprechenden Wege beim Menschen gibt."