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Power 2.0

Die Welt bricht auf in ein neues Stromzeitalter. Die Industrie setzt auf Wind und Sonne, eingefangen auf See und in der Wüste, fern von Städten und Industrie. Techniker konstruieren bereits das neue Stromnetz dafür, ein Supergrid – Computer und Gleichstrom werden es prägen. Visionäre träumen gar von einem weltweiten Sonnen-Stromnetz, in dem die Sonne nicht untergehen: Ein Worldwide Grid. Für Sonne und erneuerbare Energien. Und ohne Platz für Kohle und Atom.

Von Sönke Gäthke | 10.01.2010
    Das Ende des Kabels wurde gegen drei Uhr von Mr. Bright sicher ans Ufer von Knight’s Town gebracht. Es wurde sogleich in den vorbereiteten Graben gebettet, während ein königlicher Salut, der die Nachbarschaft erbeben und die Berge erzittern ließ, verkündete, das die erste Verbindung zwischen der Alten und Neuen Welt vollendet sei.

    Von den Direktoren der Atlantic Telegraph Company, Großbritannien, an die Direktoren in Amerika. Europa und Amerika sind vereint durch Telegraphie. Gepriesen sei Gott, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen.

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    So begann es – das Zeitalter der Kommunikation, 1858. Aber es war mehr als das: Es war der erste Schritt ins Zeitalter des Stroms, hin zu einem weltweiten Stromnetz. Denn zum ersten Mal wurde elektrische Impulse über Tausende von Kilometern weit geschickt.

    Gut – es funktionierte noch nicht besonders. Aber es funktionierte. Und es wurde zusehends besser – die Telegrafie-Gesellschaften verlegten mehr und bessere Kabel, bald auch durch den Pazifik. Telegramme konnten jetzt wirklich weltweit geschickt werden. Das sparte Zeit und Geld. Die Menschen rückten zusammen, die Welt wurde ein Dorf. Warum aber sollten nur elektrische Morsesignale rund um die Welt reisen. Warum nicht auch der Strom selbst? – das fragte sich schon ganz zu Beginn des Elektrozeitalters Nikola Tesla. Der Erfinder des Stromnetzes erdachte sich ein System weltweiter Energieversorgung. Das funktionierte zwar praktisch noch nicht, aber die Idee war da – und die weltweite Stromversorgung hätte einen Vorteil: Sonnenkraftwerke könnten ihren Strom auf die Nachtseite der Erde liefern, dort, wo er für die Beleuchtung gebraucht würde. Das wäre die Lösung für die Energieprobleme der Menschheit – weil die Sonne quasi unerschöpflich Energie auf die Erde brennt, pro Quadratkilometer mehr, als die Menschen verbrauchen können. Genau das war die Idee des amerikanischen Architekten Buckminster Fuller. Der schlug so ein Netz 1981 vor – und das könnte jetzt - langsam, ganz langsam - Gestalt annehmen.

    In der Deutschen Wirtschaft gibt es Pläne Europa im großen Stil mit Sonnenstrom aus Afrikas Wüsten zu versorgen. Initiator ist…

    "Das heißt, das neue Stromzeitalter, the new electricity age, hat gerade begonnen."

    "Alles wird sich verändern."

    "The new electricity age."

    "Auch die Strommärkte werden sich verändern."

    "The new electricity age."

    "Das würde auch sicherlich unsere Strukturen in Europa ändern."

    "The new electricity age."

    "Desertec.."

    "Sonnenstrom aus Afrikas Wüsten."

    "Desertec."

    "Die Mondlandung."

    "Desertec."

    "Die Mondlandung, ich glaube, es ist ein Projekt in einer ähnlichen Größe."

    "Desertec."

    "Es erzeugt auch eine erhebliche Aufbruchstimmung."

    "Bei jeder Transformation..."

    "Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke."

    "bei jedem Umbau eines Systems..."

    "Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke."

    "gibt es Verlierer,..."

    "Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke."

    "gibt es Gewinner,"

    "Sonnenstrom."

    "Die Sonne."

    "Aufbruchstimmung."

    "Die Sonne."

    "Sonnenstrom ."

    "Die Sonne..."

    "In eine neue Zeitära."

    "geht in meinem Staat..."

    "The new electricity age."

    "nicht unter."

    Desertec – den Strom aus der Wüste – feiern seine Befürworter geradezu euphorisch: Aufbruch in ein neues Stromzeitalter, Electricity 2.0, New Electricity Age. Entlang der Küsten Afrikas und Arabiens wollen 12 Unternehmen eine Armada von Sonnenkraftwerken bauen; der Strom soll 15 Prozent des Bedarfs in Europa decken. Den Rest wollen die Unternehmen vor Ort verkaufen. 400 Milliarden Euro plant das Konsortium bis 2050 aufzubringen. Das wären rund 33 Milliarden Euro pro Teilnehmer; gestreckt auf 40 Jahre müsste jeder Teilnehmer 833 Millionen pro Jahr aufbringen. Und das ohne Subventionen, so Initiator Ernst Rauch von der Münchner Rück gegenüber der Tagesschau.

    "Wir werden sehen, wie weit Regierungen hier bereit sind, zu unterstützen, wir heben hier dabei nicht auf unmittelbare Subventionen ab, sondern auf ein klares, regulatorisches Rahmenwerk, dass heißt, wir wollen Sicherheiten haben, soweit das irgendwie möglich ist für die Investitionen, die erforderlich sind, Sicherheiten beispielsweise über Einspeisetarife oder ähnliches."

    Ein solches Unternehmen ist wohl beispiellos!

    Die Atlantic Telegraph Company ließ sich die Verlegung des ersten Transatlantikkabels eine Million Dollar kosten. Heute wäre das zwischen 23 und 27 Millionen Dollar.

    Gegenüber den Zahlen des Desertec-Projekts wirken diese Werte bescheiden. Allerdings waren die technischen Voraussetzungen damals ganz anders: Telegrafie war eine junge Technik. Die Ingenieure und Arbeiter spannten ein Kabel über den Atlantik mit Schiffen, die nicht in der Lage waren, die gesamte Kabellänge aufzunehmen - eine Pioniertat ohnegleichen. Demgegenüber haben es die Techniker der Desertec-Industrieinitiative erheblich leichter - die beiden Hauptingredienzien ihres Projekts sind bereits seit Jahrzehnten erprobt: Die Kraftwerke und die Stromleitungen. Was aber ähnlich ist: die Zeitgenossen der Atlantic Telegraph Company sahen im Telegrafiekabel die Vereinigung von Kontinenten – ähnliches erwarten die Initiatoren von Desertec von den Stromkabeln.

    "Es ist ein Projekt, das, wenn es richtig ins Laufen kommt, durchaus auch eine gewisse, einigende Wirkung auf Europa und vor allen Dingen auf den Verbund zwischen Europa und Nordafrika haben kann, das aber eben zusätzlich noch konkrete wirtschaftliche Vorteile bringt."

    Hans Müller-Steinhagen vom Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Solarkraft, arbeitet am Desertec-Projekt mit, und erhofft sich Großes vom Strom aus der Wüste. Wobei er gleich zu Beginn eines klar stellen will: über die Stromkabel zwischen den Kontinenten soll nicht nur Sonnenstrom fließen.

    "Selbstverständlich. Es wird ein Mix aus vielen Energieträgern sein,"

    ... in dem der Sonnenstrom aber einen wichtigen Teil ausmachen wird, erklärt der Sonnenkraft-Spezialist. Den sollen allerdings nicht etwa Solarzellen erzeugen, wie sie deutsche Hausbesitzer zu Hunderttausenden auf ihre Dächern montieren, sondern solar-thermische Kraftwerke.

    "Nur für den speziellen Teil der Stromerzeugung in Nordafrika und im Transfer über Stromleitungen eignet sich einfach die Solarthermie am besten, weil sie durch die in solarthermischen Kraftwerken möglichen Wärmespeicher eben planbaren und grundlastfähigen Strom leisten kann, und das im Augenblick bis zu acht Stunden nach Sonnenuntergang, und zukünftig auch bis zu 24 Stunden am Tag."

    Die Netz-Ingenieure, die das Stromnetz balancieren, müssen also nicht umlernen: Sie können sie solarthermischen Kraftwerke fast genauso gut ins Stromnetz einbinden wie die klassischen Kraftwerke. Die Sonnenkraftwerke ergänzen aber auch deshalb gut Kohle- und Atomkraftwerke, weil sie im Prinzip nicht anders funktionieren: Wasser wird verdampft, treibt eine Turbine an und erzeugt so Strom. Nur die Hitze stammt eben nicht aus fossilen oder nuklearen Brennstoffen; die Sonne liefert sie – gratis und franko. Mit der übrigen Technik - Turbinen, Generatoren und Kühltechnik – kennen sich die Techniker gut aus. Müller-Steinhagen:

    "Also es gibt tatsächlich noch einige Untergruppen, sowohl bei den Rinnen wie bei den Türmen, aber im großen und ganzen lässt es sich in diese zwei teilen, und für die solarthermischen Kraftwerke in Nordafrika werden sicherlich zuerst die Rinnenkraftwerke verwendet werden, weil diese bereits seit 25 Jahren erprobte Technologie sind."

    Ingenieure experimentierten bereits vor dem ersten Weltkrieg mit diesen Rinnenkraftwerken. 1912/13 ließ der Deutsch-Amerikaner Frank Shuman im Ägyptischen Meadi das erste Parabolrinnenkraftwerk aufstellen. Es sollte Strom für Pumpen liefern. In den 50er-Jahren dachte Wernher von Braun an rinnenförmig gebogene Spiegel, die in ihrem Brennpunkt Quecksilber verdampfen und damit eine Turbine antreiben würden. Das sollte den Strom für die Raumschiffe liefern. Heute arbeiten die Ingenieure mit Spezialöl, Wasser oder Salzen. Sie installieren auf mehreren, fussballfeldgroßen Flächen eine Armada von Rinnenspiegeln, die ihr Medium verdampfen. Der Dampf treibt dann Turbinen an, und die erzeugen Strom. Die Technik ist zwar erprobt, aber der Wirkungsgrad liegt bei nur 14 bis 18 Prozent.

    Die zweite Technik ist das Turmkraftwerk – eine Ansammlung von drehbaren Spiegeln rund um einen Turm in der Mitte. Der...

    "...bündelt das Sonnenlicht über Spiegel, und erhitzt damit einen Energiewandler in diesem Turm. Diesem wird die Energie entzogen, um damit Wasserdampf für die Stromgewinnung zu erzeugen. Die vorgesehenen Standorte…"

    Müller-Steinhagen:

    "Ein Turmkraftwerk hat rein von den thermodynamischen Grundlagen das Potential, höhere Wirkungsgrade und höhere Effizienzen zu erzielen, und hat weiterhin den Vorteil, dass der Boden nicht so eben sein muss, wie das bei Rinnenkraftwerken der Fall ist. Auf der anderen Seite ist, wie gesagt, die Technologie noch nicht so weit entwickelt, und man muss letztendlich eine Kostenoptimierung machen, was man jeweils verwendet."

    Beide Kraftwerke haben drei Vorteile gegenüber Windrädern und Photovoltaik erklärt der DLR Solarexperte Müller-Steinhagen.

    "Mit diesen solarthermischen Kraftwerken werden diese Länder in zehn bis 15 Jahren in der Lage sein, wirtschaftlich wettbewerbsfähig und zunehmend günstiger als in fossilen Kraftwerken ihren eigenen Strombedarf zu decken. Der zweite wichtige Punkt der, dass man solarthermische Kraftwerke mit Meerwasserentsalzungsanlagen koppeln kann, dass heißt, diese Länder werden in der Lage sein, ihren eigenen, zunehmenden Wasserbedarf für Trinkwasser und für Bewässerung zu decken, und der dritte und letzte Punkt ist natürlich der durch den Export von Strom eröffnet sich für diese Länder ein zukünftiges Einkommen, das ihnen helfen wird, ihre Wirtschaft, ihre Lebensqualität auszubauen."

    Und da kommen die Wärmespeicher ins Spiel. Müller-Steinhagen:

    "Das sind genau die Speicher, die bei uns in Stuttgart auch weiter entwickelt werden, zum Beispiel mit einem großen deutschen Bauingenieurunternehmen; im Augenblick sind das große Speicher in Spanien, die mit einem flüssigen Salz gefüllt sind, aber es sind bereits die nächsten Verbesserungen, die nächsten Generationen entwickelt, um eben eine dauerhafte und sichere Stromversorgung zu ermöglichen."

    Der Speicher lagert die Hitze für die Nacht – oder für den Fall, dass die Sonne einmal nicht scheinen sollte, was aber bei einer durchschnittlichen Sonnenscheindauer von 320 bis 360 Tagen im Jahr eher selten ist. Müller-Steinhagen:

    "Und das im Augenblick bis zu acht Stunden nach Sonnenuntergang, und zukünftig auch bis zu 24 Stunden am Tag."

    Durch die Kabel nach Europa können die Netzingenieure also Strom nach Bedarf saugen – genau so viel, wie der Strommarkt hierzulande braucht, um im Takt zu bleiben.

    "Das ist in unserem Blut, als Siemensianer solche Pioniertaten zu vollbringen. Wenn der Werner von Siemens Nachrichtenverbindungen gebaut hat, über weiteste Entfernungen..."

    Werner Siemens, Gründer des Konzerns, spannte 1848 die erste Telegraphenleitung zwischen Berlin und Frankfurt. Er erfand den Zeigertelegraphen und eine weitere Technik, mit der das Verlegen der ersten Transatlantikkabel überhaupt erst möglich wurde: Die Extrusionspresse für einen nahtlosen Isolationsmantel als Schutz vor Salzwasser.

    "...so bauen wir jetzt – das ist eine schöne Analogie – Übertragungssysteme über weiteste Entfernungen,…"

    Zu diesen Pioniertaten drängt es Michael Weinhold – seines Zeichens einer der Siemensianer, und dort für Stromnetze zuständig. Weinhold und seine Kollegen aus der Forschung und der Konkurrenz von ABB sowie Areva TD beflügelt der Erfolg: Seit den 50er-Jahren konstruieren Ingenieure Stromleitungen für immer längere Distanzen – 1700 Kilometer misst die derzeitige Rekordhalterin in Afrika, sie wird in Kürze von einer Leitung in China abgelöst. Weinhold:

    "Also wir bauen zum Beispiel die wesentlichen Komponenten für eine Hochspannungs-Gleichstrom Übertragungs- Verbindung in China, dort werden über 2000 Kilometer in zwei Jahren etwa über 6000 Megawatt transportiert, dass ist also mehr als die Lastspitze Dänemarks, die dann über mehr als 2000 Kilometer hocheffizient transportiert wird."

    Das Geheimnis des Erfolgs ist der Hochspannungs-Gleichstrom. Es gibt zwei Arten von Strom: Gleichstrom und Wechselstrom. Gleichstrom hat immer die gleiche Spannung und Stärke, Wechselstrom dagegen – wie er in unserem normalen Stromnetz fließt - pulsiert 50 Mal in der Sekunde zwischen einer positiven und einem negativen Spitze hin und her. In den Leitungen des heutigen Stromnetz fließt dabei überwiegend Wechselstrom – AC - , mit hoher Spannung – obwohl die ersten Kraftwerke, von Edison in New York betrieben, Gleichstrom – DC - erzeugten. Weinhold:

    "Das ist das interessante, dass die Elektrifizierung der Welt mit Gleichspannung begann. Edison zum Beispiel wollte die Energieversorgung von New York City mit DC gestalten. Was er machen musste, war, in jeden Block musste er ein Kraftwerk bauen und sehr dicke Kupferleitungen ausführen, weil er keine hohen Spannungen darstellen konnte in DC. Keine hohen Spannungen bedeutet, Sie haben große Ströme fließen."

    Je größer die Ströme, desto höher die Verluste. Weinhold:

    "Er kam also nicht weit, mit einem Kraftwerk, musste also jeden Block von Manhattan eine Erzeugungsanlage einbauen, ein Kraftwerk einbauen. Dann kam Tesla, und sagte: Verwende Wechselspannung, damit kannst du diese Spannung hochtransformieren, über einen Transformator, und über diese höhere Spannung dann entsprechend weiter Energie übertragen."

    Je höher die Spannung, desto kleiner der Strom – desto geringer die Verluste. Weinhold:

    "Und das erkannte Edison nicht, aber der Westinghouse, und Westinghouse konnte dann nachweisen, bei einer Weltausstellung, dass man von weit her elektrische Energie zum Betrieb der Glühlampen verwenden kann, und das war der Durchbruch von AC."

    Mit den Jahren erkannten die Ingenieure der Energieversorger jedoch: Unendlich weit fließt Strom in Wechselstromleitungen nicht. Weinhold:

    "Je länger das Kabel desto größer die Kapazität, und wenn Sie jetzt eine Wechselspannung anlegen an einem Ende, dann laden Sie diese Kapazität auf und ab, da fließt also Strom durch das Kabel, und wenn sie es genügend lang machen, dann kriegen Sie keine Wirkleistung, keinen Wirkstrom mehr darüber, also keinen Energietransport mehr drüber, sondern sie nutzen im Grunde genommen die ganze Stromtragfähigkeit des Kabels aus, um das Kabel auf- und ab zu laden, und sonst nichts."

    Und dann präsentiert der Siemensianer noch eine Faustformel für die Reichweite der konventionellen Stromkabel:

    "Man sagt so übern dicken Daumen ein Kilovolt pro Kilometer Entfernung, das so mal als Daumenregel."

    Das heißt, bei den 380- bis 400-Kilovolt-Leitungen würde die Reichweite eben 400 Kilometer betragen. Tatsächlich werden sie aber auch für längere Strecken eingesetzt, aus finanziellen Gründen. Erd- und Wasserkabel dagegen haben deutlich höhere Verluste, in ihnen kommt der Strom kaum 70 Kilometer weit. Bei Gleichstrom entstehen diese Extra-Verluste dagegen nicht. Weinhold:

    "Da machen Sie einmal die Spannung rauf, und dann steht’s. Da fließen auch keine Ladeströme mehr, das heißt also, einmal Spannung drauf, steht, und dann können Sie hergehen und Energie übertragen. Das ist das charmante an der DC, an der Gleichspannungstechnik."

    Sie eignet sich daher besonders gut, um Strom mit hoher Spannung über weite Distanzen zu transportieren. Ganz einfach ist die Technik jedoch nicht: Gleichstrom lässt sich nicht transformieren, wie Wechselstrom. Man muss daher erst mit Wechselstrom hohe Spannungen erzeugen, und dann aus dem Wechselstrom Gleichstrom machen; sprich: ihn gleichrichten. Das ist teuer. Daher spannen Techniker Gleichstrom-Leitungen nur dort, wo große Energiemengen über weite Strecken – länger als 1000 Kilometer - oder durchs Meer geschickt werden müssen – etwa in Afrika, Indien, Russland oder – seit kurzem – durch die Nord- und Ostsee. Weinhold:

    "Mit höchster Effizienz. Das muss man sich auch vergegenwärtigen, man hat hier etwa Verluste von zehn Prozent."

    Zehn Prozent Verlust auf 2000 Kilometer. Kein anderer Energieträger ließe sich mit derart geringen Verlusten über so weite Distanzen transportieren. Kein Wunder, dass die Unternehmen der Desertec-Initiative heute auf Strom setzen – und nicht, zum Beispiel, auf Wasserstoff. Hans Müller-Steinhagen:

    "Wir denken durchaus an ein Stromnetz, an Stromautobahnen, die Europa durchziehen, und von denen dann – bleiben wir mal bei dem Bild Autobahn – die Landstraßen abzweigen, die dann letztendlich auch in die Straßen in den Städten gehen."

    Michael Weinhold:

    "Das ist die Idee des Super-Grids, das heißt, die elektrische Energie wird wesentlich wichtiger werden als sie in der Vergangenheit eh schon war, wir sagen, das neue Stromzeitalter, the new electricity age, hat gerade begonnen"

    "Das würde ich auch so sehen."

    Jochen Kreusel, Professor und ebenfalls Mitarbeiter von ABB in Mannheim - einem Konzern, der Pionierleistungen im Stromtransfer aufweisen kann – in der Höchstspannungs-Gleichstromübertragung. ABB hat 1954 die erste, kommerzielle Gleichstromleitung gelegt zwischen der Insel Gotland und dem schwedischen Festland. Jochen Kreusel ist überzeugt, dass Ingenieure noch einige Probleme lösen müssen, bevor sie daran gehen können, ein Strom-Autobahnnetz, ein Gleichstrom-Supergrid aufzubauen. Die Probleme hängen an der Technik, den Bauteilen, mit denen die Techniker den Gleichstrom in den Stationen an den Enden der Leitung erzeugen und vor allem wieder in Wechselstrom umwandeln.
    "Da müssen Sie halt den Sinus synthetisieren, praktisch neu aufbauen, in der richtigen Frequenz, das tun sie mit geschalteten halbleit-leistungselektronischen Bauelementen."

    Die Technikern haben die Wahl: Transistoren oder Thyristoren. Beides sind Halbleiter, sie können Gleichstrom so ein- und ausschalten, dass aus dem Gleichstrom wieder ein wellenförmig an- und abschwellender Strom, Wechselstrom, wird. Allerdings haben die Halbleiter unterschiedliche Eigenschaften: Transistoren lassen sich abschalten, Thyristoren nicht. Sie müssen von außen gezielt abgeschaltet, gelöscht werden. Mit der Wahl entscheidet der Techniker, ob der Gleichstrom nur von einem Punkt zum anderen übertragen werden - oder ob sie prinzipiell ein ganzes Netz aufbauen können. Denn, so Kreusel,

    "diese Stationen am Anfang und am Ende haben einen ziemlich großen Kurzschluss-Leistungsbedarf, um eben die Thyristoren löschen zu können, jeweils, nach der Halbwelle, und das heißt, sie können sie eigentlich nur in starke, stabile Drehstromnetze einbinden."

    In einem stark schwankenden Netz wie zum Beispiel einem Windpark können Ingenieure keine Thyristoren einsetzen. Und die Halbleiter haben noch einen Nachteil: Stromaufnahme und Stromabgabe müssen exakt zueinander passen. Das macht es sehr schwierig, mehr als zwei Punkte miteinander zu verknüpfen. Kreusel:

    "Weil Sie die Knotenpunkte leittechnisch genau aufeinander abstimmen müssen. Und Sie müssen die alle synchron steuern. Da gibt es keinen Automatismus, dass die sich untereinander ausgleichen. Dass heißt, wenn Sie jetzt eine Verbindung über mehrere Tausend Kilometer machen, dann müssen Sie eine Leittechnik bauen, die in Echtzeit über diese vielen Tausend Kilometer – die längste, die wir gerade bauen, ist 2500 Kilometer lang – tatsächlich auch die beiden Stationen steuert. Und wenn sie eine dritte in das Spiel reinbringen, dann muss sie die dritte auch noch mit steuern. Und das ist einfach steuerungstechnisch sehr anspruchsvoll. Und das ist bei der selbstgeführten viel einfacher."

    Selbstgeführte sind die Gleichstromverbindungen, an deren Anfang und Ende Transistoren den Strom umwandeln. Sie steuern sich quasi selbst – die Techniker könnten daher mit diesen mehr als zwei Endpunkte verknüpfen. Ein richtiges Netz wäre das jedoch noch nicht. Kreusel:

    "Wenn Sie wirklich zu einem vermaschten Netz gehen wollen, dann müssen Sie auch in der Lage sein, Kurzschlüsse zu unterbrechen, schaltungstechnisch – und das ist der andere Grund, warum man seinerzeit zur Wechselstromtechnik gegangen ist, Gleichströme sind deutlich schwieriger zu unterbrechen, zu schalten."

    Wird ein Schalter im Wechselstromnetz umgelegt – zum Beispiel, um das Licht auszuschalten – entsteht ein kleiner Lichtbogen zwischen den Kontakten, die Luft wird so heiß, dass sie leitet. Das dauert nur den Bruchteil einer Sekunde. Denn Strom und Spannung von Wechselstrom pendeln innerhalb von einer Sekunde fünfzigmal zwischen plus und minus hin- und her, durcheilen sie dabei den Punkt, in dem Spannung und Strom null sind, erlischt der Lichtbogen. Jochen Kreusel:

    "Und die Schalter, die Leistungsschalter für Wechselstrom, sind halt so ausgelegt, dass sie diesen Moment nutzen, und da zielt auch die ganze Technik hin, dass sie die Luft dann so schnell abkühlen, dass die Luft nicht mehr rückzündet, nennt man das, dass sie so kalt wird, dass sie nicht mehr leitfähig ist. Das ist die ganze Kunst der Leistungsschaltertechnik, das schnell genug hinzukriegen, entweder Luft oder ein anderes Löschmedium, dass es nicht wieder zum neuen Zünden kommt. Das setzt aber voraus, dass der Strom einmal von selber ausgeht. Und das ist bei Gleichstrom eben nicht der Fall. Und da müssten sie ihn halt anders unterbrechen, den Lichtbogen, und wie gesagt, im großen Maßstab gibt es da keine Lösung dafür, hat ja auch keiner gebraucht, noch mal, sonst hätte man sie vielleicht entwickelt."

    Das bedeutet: Entsteht in einem Teil einer Hochspannungs-Gleichstromleitung ein Kurzschluss, müssen die Techniker in der Schaltwarte die ganze Stromleitung abschalten. Das mag bei einer Leitung nicht schlimm sein – aber die Techniker müssten auch ein komplettes Gleichstromnetz abschalten, wenn nur ein einziger Kurzschluss entsteht. Das können sie nur umgehen, wenn sie die kaputte Leitung gezielt abschalten können.

    "Zurzeit sieht es eben für die südlichen Länder so aus, als ob Europa jetzt plötzlich entdeckt hat, dass bei uns vielleicht irgendwann einmal die Lichter ausgehen, wenn man nicht die Sonne in der Sahara anzapft, und fühlen sich nun schon wieder ausgenutzt."

    Albrecht Kaupp, Team-Leader des European Mediterranean Energy Market Integration Project in Kairo. Er denkt bei Desertec und kontinentalen Stromnetzen weniger an technische Probleme, sondern an politische.

    "Es kommen dann natürlich sicherlich die bösen, sarkastischen Bemerkungen, ja, jetzt wollt ihr auch noch unsere Sonne haben. Das Öl und Gas haben wir ja schon, also da fehlt es noch sehr am verbesserten und vertieften und breiter angelegten Dialog. Das scheint mir zur Zeit das Wichtigste zu sein, also nicht nur Technologien zu diskutieren, sondern den Vorteil für beide Seiten besser herausstellen."

    Der Österreicher versucht, im Auftrage der EU, die Staaten im Nahen Osten und Afrika davon zu überzeugen, enger in Energiefragen zusammenzuarbeiten. Kaupp:

    "Im Klartext heißt das, die Bemühungen gehen dahin, dass wir jetzt versuchen, das südliche Stromnetz mit dem nördlichen Stromnetz zu verbinden, und langfristig Solarkraftwerke im Süden aufbauen, die nicht nur Strom zum Eigenverbrauch dort unten erzeugen, sondern auch Exportstrom nach Deutschland liefern können, wenn die Preise stimmen."

    Wobei alle Initiativen – neben Desertec wollen Politiker beispielsweise im Rahmen der Mittelmeerunion den Aufbau von Sonnenkraftwerken vorantreiben, im "Mediterranean Solar Plan", MSP – mit einer Besonderheit rechnen müssen, so Kaupp: Solarkraftwerke zwischen Syrien und Marokko für den lokalen Verbrauch aufzubauen, dürfte noch lange zu teuer sein.

    "Die Tarife sind im Schnitt ja 30 Prozent unserer Tarife, also doch weitaus niedriger, und Solar-Kraftwerke für den eigenen Verbrauch zu bauen, würde nur dazu führen, dass die Tarife dort unten verdoppelt werden müssen. Mindestens. Und das kann sich keine Regierung leisten."

    Das Problem ist ein Soziales: Politik und Verwaltung der meisten Länder in Afrika und Arabien subventionieren die Energiepreise für die Ärmsten – so das die Preise pro Kilowattstunde ein Bruchteil der europäischen betragen. Das bedeutet aber: Auch wenn Solarthermie auf dem europäischen Markt in wenigen Jahren ohne Subventionen bestehen kann – auf dem afrikanischen ist dieser Zeitpunkt dann noch lange nicht erreicht. Kaupp:

    "Es gibt sicherlich die Lösung, dass diese Kraftwerke im Grunde genommen beides tun, man liefert den Strom nach Europa und hat auch einen bestimmten Prozentsatz zum Eigenverbrauch, wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass die Region eigentlich ein anderes Problem hat, das ist Wasser."

    Und genau da rechnen sich die Befürworter der Desertec-Initiative ihre Chance aus: Mit den Solarthermischen Kraftwerke können sie auch Trinkwasser aufbereiten. Davon profitierten einige Anrainerstaaten mehr als von Strom.

    1858 begann mit dem Transatlantikkabel ein neues Zeitalter, das Zeitalter der Kommunikation: Elektrische Signale setzten sich zur Nachrichtenübermittlung durch. Die elektrischen Morsezeichen schnitten aber auch etwas ab: die Zukunft der berittenen Kuriere und der optischen Telegraphen. Und sollte sich Desertec, sollte sich MSP, sollten sich die Hochspannungs-Gleichstromtechnik tatsächlich durchsetzen, dann wird es auch Verlierer geben.

    "Desertec."

    "Es erzeugt auch einer erhebliche Aufbruchstimmung."

    "Bei jeder Transformation..."

    "Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke."

    "bei jedem Umbau eines Systems..."

    "Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke."

    "gibt es Verlierer..."

    "Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke."

    "gibt es Gewinner."

    "Sonnenstrom."

    "Wir denken durchaus an ein Stromnetz, an Stromautobahnen, die Europa durchziehen, und von denen dann – bleiben wir mal bei dem Bild Autobahn – die Landstraßen abzweigen, die dann letztendlich auch in die Straßen in den Städten gehen. Das heißt, wir werden eine ganze Reihe von Hochspannungs-Gleichstromleitungen haben, wir denken an zum Beispiel 20 Leitungen, die von Nordafrika nach Europa gehen im Jahr 2050, und in diese Leitungen werden nicht nur Solarthermische Kraftwerke einspeisen, sondern auch alle anderen erneuerbaren Energien von geeigneten Standorten, zum Beispiel die Windkraftanlagen, die offshore betrieben werden, oder auch große Wasserkraftwerke, aber auch konventionelle Kraftwerke, und dadurch auch lokale Fluktuationen, Schwankungen zum Beispiel durch den Ausfall eines Kraftwerks ausgleichen können."

    Ist so ein Stromautobahn-Netz wirklich gebaut, dann, so Claudia Kemfert, Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung,...

    "braucht man die Braunkohle, Steinkohle und Kernenergiekraftwerke nicht mehr."

    Denn die können nur eines: Strom rund um die Uhr liefern. Wenn das die regenerativen gemeinsam über ein Supernetz besser und billiger können, ist für diese Giganten kein Platz mehr. Kemfert:

    "Ich will sagen, es ist nicht unrealistisch. Denn wenn jetzt schon auch Unternehmen da sind, die sich dafür interessieren, jetzt sozusagen die ersten Schritte einzuleiten, was ein kleiner Baustein des Projektes ist, nämlich die Solarenergie zu nutzen, dann denke ich schon, dass diese Konzerne so rechnen, dass es auch wirtschaftlich werden kann. Insofern ist es nicht völlig unrealistisch."

    Auch deshalb nicht, weil die Planer der Desertec-Initiative oder der Solarplan für die Mittelmeerländer nicht die einzigen Wissenschaftler, Politiker oder Manager sind, die auf Solarstrom aus der Wüste, Windenergie vom Meer und lange Stromkabel setzen. Indien hat 2008 eine Solarstrominitiative ins Leben gerufen. In den kommenden Fünf-Jahres-Plänen will das Land massiv die Montage von Solarzellen auf Bauernhäusern fördern – und den Ausbau von Solarthermie, zum Beispiel in der Thar, der größten Wüste Indiens. Diese Kraftwerke müssten ihren Strom durch langen Leitungen in die großen Zentren Indiens liefern. Bis 2020 sollen bis zu 25 Prozent des indischen Verbrauchs aus regenerativen Quellen stammen. China hat angekündigt, in der Quaidam-Wüste das weltgrößte Photovoltaik-Kraftwerk bauen zu wollen. Gleichzeitig bauen Unternehmen in den Wüsten und Steppen auch große Windfarmen auf. Diese Kraftwerke müssen per Stromkabel über Tausende von Kilometern mit den großen Verbrauchszentren Chinas verknüpft werden; bis 2020 sollen 15 Prozent des Verbrauchs aus Wind und Sonne gedeckt werden. In den USA ist eines der größten Energie-Projekte angelaufen. Im Rahmen des Konjunkturprogramms will die US-Regierung 80 Milliarden Dollar für den Umbau der Energieerzeugung und die Modernisierung der Stromnetze ausgeben; bis 2020 sollen 150 Milliarden Dollar in neue Energieformen fließen. In Nord-Europa haben die Energieminister der Nordsee-Anrainerstaaten sowie Schweden, Irland und Luxemburg während der Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember beschlossen, die geplanten Windfarmen auf offener See mit einem Hochspannungs-Gleichstromnetz zu verknüpfen. Der Bau dieses Netzes dürfte ersten Schätzungen zufolge zwischen 25 und 30 Milliarden Euro kosten und 6000 Kilometer Kabel umfassen. Von 2020 an sollen nicht nur die Windfarmen auf See Ökostrom in dieses Netz einspeisen, sondern auch die Wasserkraftwerke Norwegens sowie geplante Wellen- und Gezeitenkraftwerke in Schottland und Belgien. Abschluss wäre der Switch zwischen diesem Nordsee-Netz und dem Desertec-Grid – der erste Schritt zum kontinentalen Super-Grid.

    Desertec ist also nicht allein – seine Initiatoren planen aber am langfristigsten und wollen das meiste Geld ausgeben. Und Visionäre – etwa bei Siemens - denken schon weiter: Sie halten eine Verknüpfung der Supernetze Chinas, Indiens und der USA mit dem Europäischen für denkbar. In dieses globale Super-Netz könnten dann alle Sonnenkraftwerke rund um die Uhr Strom pumpen – ein wahres World-Wide Grid. Die Stromleitungen träten dann das Erbe der Telegrafiekabel an, die Welt würde auch energietechnisch ein Dorf.

    "Wie gesagt, das neue Stromzeitalter, das hat gerade erst begonnen."

    "Die Sonne."

    "Aufbruchstimmung."

    "Die Sonne."

    "Sonnenstrom."

    "Die Sonne..."

    "In eine neue Zeitära."

    "geht in meinem Staat..."

    "the new electricity age."

    "nicht unter."