Archiv


Powerfrauen und heimliche Frauen-Größen

Trotz Bulimie und Magermodels: In letzter Zeit erscheinen eher Bücher über erfolgreiche Frauen und das auch in Österreich. Sie sind es, die dort manche Stichworte für die Politik vorgeben. Und damit ein Buch über österreichische Powerfrauen nicht so provinziell daherkommt, hat die Herausgeber-Mannschaft um Christian Sebastian Moser den Porträts erfolgreicher Frauen auch einige prominente Namen aus Deutschland und Europa, ja der westlichen Welt hinzugefügt. Volker Wagener bespricht den Porträtband.

    Das Inhaltsverzeichnis wirft sofort Fragen auf. Wer ist Marga Hubinek? Die erste Information verrät, sie war die erste österreichische Nationalratspräsidentin, gehörte dem liberalen Flügel der ÖVP an und gilt in der Alpenrepublik als Vorkämpferin der Rechte für die Frauen. Funktion und Rang in der österreichischen Gesellschaft erheben Marga Hubinek aus dem Kreis der Normalbürger. Aber ist sie wirklich bekannt hierzulande? Eher nicht, ergo liefert dieses Bändchen einen besonderen Service: Es portraitiert Frauen aus aller Welt - vor allem aber aus Österreich - die im Sinne des Wortes Stichwortgeberinnen ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft waren und in einigen Fällen auch noch sind, dennoch aber nicht auf Anhieb als bekannt anzusehen sind. Dieser Befund dürfte auch auf Grete Rehor, Margarethe Ottillinger oder Hildegard Burjan zutreffen. Nicht aber auf Ursula von der Leyen, Condoleezza Rice oder Angela Merkel. Sie sind aktiv handelnde Personen gegenwärtiger Politik und bedürfen nicht unbedingt einer Vorstellung.

    Anders liegt der Fall bei Elizabeth Noelle-Neumann. Sie gilt als Mutter der deutschen Demoskopie, die, so formuliert es Christian Sebastian Moser in seiner Kurz-Biographie, "wegen ihrer bürgerlich-konservativen Gesinnung zur Lieblingsgegnerin der 68er Studentenbewegung auserkoren" wurde. Den Höhepunkt ihres Schaffens und ihres Einflusses erlebte sie in der politischen Ära Helmut Kohls. Die 1916 in Berlin Geborene hat als erste Europäerin den empirischen Methodenansatz aus den USA übernommen und bereitete diese Methodik für die deutschsprachige Publizistik- und Kommunikationswissenschaft auf. 1947 gründete sie - in einer Garage - das erste deutschsprachige Markt- und Meinungsforschungsinstitut. Ein Leben ganz im Zeichen der Demoskopie, sollte man meinen, ob so viel Zielstrebigkeit. Doch zu ihrem 80. Geburtstag ließ sie ganz andere Töne hören:

    "Die Frage, ob man sein Leben einer Aufgabe widmen will oder aber sein Leben vor allem genießen will, ist mehr und mehr in diesen 50 Jahren beantwortet worden: Ich will mein Leben genießen. Die Demoskopie zeigt, dass man damit nicht glücklich wird. Es hilft uns aber nichts."

    Sie war vor allem auch kommerzielle Sozialwissenschaftlerin. Zahlreiche CDU-Wahlkämpfe hat sie begleitet. Konrad Adenauer und Helmut Kohl waren quasi ihre "Kunden".

    Elizabeth Noelle-Neumann war unbestritten erfolgreich, Neid war deshalb geradezu eine zwangsläufige Folge. Als "Pythia vom Bodensee” wurde sie oft gescholten. Mit ihrem Namen verbinden sich in der Rückschau vor allem Begriffe wie "Schweigespirale” und "Mitläufereffekt”. Aber, auch die neuerdings wieder ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte gerückte kleinste Gemeinschaftszelle, die Familie, hat die Wissenschaftlerin noch im hohen Alter zu Untersuchungen und Stellungnahmen motiviert.

    "Familie behauptet sich als hoher Wert, trotz zahlreicher Gefährdungen. Die wachsende Scheidungszahl sollte man nicht unbedingt dagegen anführen. Auch die jüngste Generation der jetzt 30jährigen sind bei der Frage, was sie sich von ihrem Leben wünschen: vor allem eine glückliche Familie."

    Diese Einschätzung stammt aus der Mitte der 90er Jahre. War schon Elizabeth Noelle-Neumann in Deutschland während ihrer aktiven Schaffensperiode eine ebenso gefeierte wie angefeindete Persönlichkeit, so trifft das erst recht auf Margaret Thatcher zu. Gibt es eine Frau der modernen Weltgeschichte, die stärker polarisierte?

    Autor Andreas Kratschmar stellt nüchtern fest: "Außer ihr schafften es nur Marx und Lenin, der Welt einen "ismus" zu geben." - Hätten Sie's gewusst?

    Lebensmotto der 1925 in Grantham/ Lincolnshire geborenen Margaret Hilda Roberts war ein Satz ihres Vaters - ein gläubiger Methodist: "In wichtigen Dingen gibt es keine Kompromisse." Sie selbst formulierte es sogar noch etwas schärfer.

    "Never do something just because other people do it, my father said. Never just follow the croud, never."
    Margret Thatcher trat ins Zentrum der politischen Bühne Großbritanniens, als das Land Ende der 70er Jahre aus Sicht der Tories von den Gewerkschaften regiert wurde. Eine Zeit, als Lokführer jeden Morgen in ihre Loks stiegen, feststellten, dass die vorgeschriebenen Tachometer immer noch fehlten und dann die Züge für "nicht fahrbereit” erklärten.

    1979 gewann sie die absolute Mehrheit im Unterhaus. Nun entfesselte Margret Thatcher die Marktkräfte um die Macht der Gewerkschaften zu brechen. Unter ihr entwickelte sich Großbritannien vom kranken Mann Europas zu einem prosperierenden Wirtschaftsstandort. Nur in der Europapolitik blieb die "Eiserne Lady” very british und scheiterte letztlich an ihrem kompromisslosen Antikurs zur EU.

    "I was turned out, because I said to Europe No, No, No."

    Das Bändchen "Stichwortgeberinnen” hat seinen Reiz vor allem durch zwei Eigenschaften: Erstens stellt es dem Leser neben den bekannten Persönlichkeiten eher heimliche Frauen-Größen vor. Und zweitens überzeugt es durch seine Kompaktheit. So lässt sich beispielsweise Angela Merkels fast lautloser Einbruch in die Männerriege der Union auf gerademal zwölf Seiten noch einmal nachlesen. Nicht nur deshalb gehört das schmale Bändchen in die Abteilung Nachschlagewerke, und dort greifen vor allem Journalisten gerne zu.

    Carmen Wappel/Peter Danich/Dietmar Halper/Christian Sebastian Moser (Hg): Stichwortgeberinnen - 14 Porträts erfolgreicher Frauen aus Politik und Wirtschaft, Edition Noir, Wien 2008, 234 Seiten, Euro 12,90