Kommentar zur Bürgergeld-Prämie
Kniefall vor dem Populismus

Bürgergeldempfangende, die einen Job annehmen und ihn zumindest für ein Jahr behalten, sollen einen Zuschuss von tausend Euro bekommen. Eine Prämie für Vollzeitjobs hätte eine Chance verdient - doch populistische Debatten verhindern kreative Ansätze.

Ein Kommentar von Birgid Becker |
Eingangsbereich vom Jobcenter mit dem Jobcenter-Logo dem Logo der Agentur für Arbeit, einem Berliner Wappen, dem Slogan "MITTEinander mehr erreichen" und den markanten Glasbausteinen in der Fassade.
Die Bürgergeldprämie sorgt für Diskussionen. (picture alliance / SULUPRESS.DE / Marc Vorwerk / SULUPRESS.DE)
Spätestens als das Etikett „Hintern-hoch-Prämie“ in der Welt war, war klar: Das wird nichts. Das kann nichts werden. Nicht in einem Debatten-Umfeld, in dem seit Start des Bürgergeldes Anfang 2023 Falsches, Verdrehtes, Diskriminierendes in den Debatten die Oberhand gewonnen hat.
Bürgergeld lohnt sich mehr als Arbeit? Debattengewinner, obwohl schlicht falsch. Fakt ist: Arbeit wird immer besser entlohnt als Bürgergeld. Was allenfalls zutrifft, ist, dass es sich nicht immer lohnt, von Arbeit auf mehr Arbeit zu wechseln.
Bürgergeldbeziehende gehen massenhaft in die Schwarzarbeit? Debattengewinner, obwohl nicht empirisch belegt. Es kennt einfach nur jeder jemanden, der jemanden kennt.
Bürgerbeziehende wollen gar nicht arbeiten? Debattengewinner, obwohl von der Minderheit an Bürgergeld-Beziehenden, die prinzipiell arbeiten könnten, wieder nur eine sehr kleine Minderheit im Verdacht steht, nicht arbeiten zu wollen.

Arbeitsmarktexperten haben sich für Prämie eingesetzt

Seit es das Bürgergeld gibt, blühen die Unwahrheiten und Verdrehungen. Vorbehalte und Vorwürfe haben gesiegt. Fakten dringen nicht durch. Und da sollte eine Maßnahme, die als „Hintern-hoch-Prämie“ geschmäht wird, irgendeine Chance haben? Wie denn, wie sollte das denn funktionieren?
Worum es faktisch geht: Bürgergeldempfangende, die einen Job annehmen und ihn zumindest für ein Jahr behalten, sollen eine Prämie von tausend Euro bekommen. Natürlich – eigentlich sollte, wer Bürgergeld bezieht, angebotene Arbeit annehmen, auch ohne Lockmittel. Aber: Viele renommierte Arbeitsmarktexperten haben sich für die Prämie ausgesprochen. Was spricht dagegen, wissenschaftlicher Expertise zu folgen?

Einfach mal ausprobieren

Die eingesetzten Finanzmittel wären überschaubar gewesen. Hätte das Instrument funktioniert, hätte es sogar Geld gespart - auf jeden Fall den Gegenwert von einem Jahr Bürgergeldzahlungen. Wenn's besonders gut gelaufen wäre, hätte es vielleicht auch dauerhaft weniger Klienten im Jobcenter gegeben. Und selbst wenn die Prämie nur dazu geführt hätte, dass statt einer Teilzeit-Beschäftigung ein Vollzeit-Job angenommen worden wäre – auch das wäre ein Erfolg gewesen.
Man hätte es einfach mal probieren können. Und wieder zurückdrehen, wenn es nicht funktioniert. So aber, in dieser giftigen Debatten-Kultur des Bürgergeld-Bashings haben Experimente, haben Ideen, hat Kreativität keine Chance. Matthias Miersch, neuer Generalsekretär der SPD, kündigt an, die Prämie werde im parlamentarischen Verfahren keine Chance haben. Darauf muss man nicht stolz sein. Das ist ein Kniefall vor dem Populismus.