Silvia Engels: Die Bundesregierung hat sich festgelegt. Die derzeit stillgelegten acht Atommeiler sollen vom Netz bleiben, bis 2022 will Schwarz-Gelb dann komplett aus der Atomenergie aussteigen. Eine Revisionsklausel ist offenbar nicht vorgesehen und die Betreiber sollen zumindest einige Jahre lang die Brennelementesteuer tatsächlich bezahlen. So lauten einige wichtige Eckdaten, die die Bundesregierung zumindest vorbesprochen hat. – Am Telefon ist Ralf Güldner, er ist der Präsident des Deutschen Atomforums. Das ist die Interessenvertretung der Atomkraftwerksbetreiber in Deutschland. Guten Morgen, Herr Güldner.
Ralf Güldner: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Ist angesichts dieser Eckdaten ein Albtraum für Sie wahr geworden?
Güldner: Wir hatten das natürlich in der Kombination nicht erwartet. Das stellt insgesamt die Stromwirtschaft in Deutschland vor riesige Herausforderungen, erst mal ganz kurzfristig mit der Entscheidung, dass die sieben sogenannten Moratoriumsanlagen und Krümmel vom Netz bleiben müssen. Das sind in Summe fast zehn Megawatt an Erzeugungskapazitäten. Die Bundesnetzagentur hat darauf hingewiesen, dass das in verbrauchsstarken Zeiten zu großen Schwierigkeiten führen wird. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und hat das Thema Kaltreserve hier mit auf den Tisch gebracht. Wie das technisch umgesetzt werden soll, muss diskutiert werden. Wenn man mittelfristig denkt, und ein Zehn-Jahres-Zeitraum ist in der Energiewirtschaft eher mittelfristig, dann wird dieser vorgezogene Ausstieg weitere Herausforderungen bringen. Wir müssen massiv in Erneuerbare investieren in Deutschland, wir müssen massiv in den Ausbau der Netze investieren, das wird zu Kostenbelastungen führen, die Strompreise werden steigen, wir reduzieren die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. Die Bundesregierung hat gestern ein Papier in den Fraktionen verteilt, in dem ein ganzes Maßnahmenbündel, gesetzliche Maßnahmen, aber auch Absichtserklärungen, aufgelistet sind. Ich glaube, daran kann man sehen, wenn man sich das durchliest, wie schwierig diese Aufgabe ist, die da auf uns zukommt.
Engels: Wenn man Ihnen so zuhört, denkt man, der Industriestandort Deutschland steht vor dem Untergang. Wie teuer ist es denn jetzt schon für die Strombetreiber geworden? Können Sie schon die jetzigen Verluste absehen, die durch den Ausfall der AKW, die ja fest eingerechnet waren, eigentlich jetzt bestehen?
Güldner: Das ist eine schwierige Rechnung, die wir auch nicht von der Verbandsseite machen. Das müssen die einzelnen Betreiber für ihre Anlagen ausrechnen. Was hier jetzt verschärfend dazu gekommen ist, womit wir eigentlich nach den letzten Diskussionen in der Form nicht gerechnet haben, ist, dass wir jetzt die doppelte Belastung haben durch die vorzeitige Abschaltung der Anlagen und die Beibehaltung der Brennelementesteuer. Das schafft uns insbesondere in dem liberalisierten europäischen Strommarkt einen massiven Wettbewerbsnachteil und wir haben ja jetzt in den letzten Wochen und Monaten nach dem Moratorium schon gesehen, dass Deutschland zum Stromimportland geworden ist. Also die ausländischen Anbieter nutzen die Situation hier in Deutschland und importieren Strom zu uns.
Engels: Die Brennelementesteuer sollen die AKW-Betreiber weiterhin zahlen. Sehen Sie da gute Aussichten für eine Klage gegen die Bundesregierung?
Güldner: Wir haben das schon im vergangenen Jahr, als die Steuer angekündigt wurde, gesagt, dass wir verschiedene Rechtsbereiche sehen, die hier verletzt werden, und dass wir die juristisch für fragwürdig ansehen. Mit der Laufzeitreduzierung, die jetzt kommt, ist die Belastung deutlich höher geworden. Ich gehe davon aus, dass die Konzerne, spätestens wenn die ersten Steuerbescheide auf dem Tisch sind, hier entsprechende Entscheidungen treffen und gegebenenfalls hiergegen klagen werden. Das ist aber eine juristische Abschätzung.
Engels: Wann wird das sein?
Güldner: Ja es ist so, der Steuertatbestand tritt ein, wenn die erste Anlage wieder mit frischen Brennelementen ans Netz geht. Das wird in den nächsten Tagen voraussichtlich der Fall sein. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht Gundremmingen inzwischen schon mit neuen Elementen ans Netz gegangen ist. Dann müssen die Finanzbehörden die Steuerbescheide erstellen und dann hat man eine gewisse Zeit zur juristischen Prüfung und eben gegebenenfalls zu der Entscheidung zu klagen. Das wird sich also in den nächsten Tagen oder Wochen ergeben.
Engels: Herr Güldner, wir erinnern uns ja an frühere Szenarien, wonach – das hatte damals auch das Atomforum gesagt – die Abschaltung schon von wenigen AKW zu einem Blackout führen könnte. Ebenso gab es frühere Warnungen, dass regenerative Energie nie in absehbarer Zeit zum belastbaren Eckpfeiler der Stromversorgung werden könne. Das hat sich ja jetzt in dieser Form nicht so bewahrheitet. Wie wollen Sie da für Ihre Warnungen vor der Belastung des Industriestandortes Deutschland noch Glaubwürdigkeit halten?
Güldner: Also wir haben nicht gesagt, dass es gleich zu Blackouts kommt; wir haben gesagt, dass es sehr schwierig wird für die Stromversorgung, und das haben die letzten Wochen auch gezeigt. Wir waren hier in sehr verbrauchsschwachen Zeiten, das ist traditionell so, die Monate, die hier betroffen waren, sind verbrauchsschwach. Wäre das ganze im November, Dezember, Januar passiert, hätte das ganz anders ausgesehen. Die Netzbetreiber haben öffentlich gesagt, dass sie schon Wartungsarbeiten an den Netzen zurückgestellt haben, um die Netze nicht zusätzlich zu belasten. Wir mussten Altanlagen, die auf Kohle-, zum Teil Ölbasis betrieben werden, ans Netz nehmen. Dazu hat uns der Netzbetreiber aufgefordert. Das ist natürlich für den Klimaschutz und die Ziele, die wir dort haben, absolut kontraproduktiv. Wir sind vom Stromexportland, das wir gerade in diesen Zeiten mit starken Einspeisungen aus erneuerbaren, Wind und Sonne, und niedrigen Verbrauchen traditionell waren, sogar in dieser Zeit jetzt zu einem Stromimportland geworden. Und wir haben an den Börsen gesehen, an den Strombörsen, dass die Strompreise deutlich angestiegen sind. Da gibt es ja immer ein sogenanntes Forward Pricing, also über die Preise in den nächsten weiteren Monaten, und hier sind die Preise um 10 bis 20 Prozent angestiegen. Und aufgrund der Inbetriebnahme oder stärkeren Nutzung von fossil befeuerten Kraftwerken sind die Preise für die CO2-Emissionszertifikate angestiegen. Also es hat massive Verschiebungen auf den Strommärkten gegeben und die Netzbetreiber betonen immer wieder, dass die Netze am Rande der Stabilität sind.
Engels: Ralf Güldner, Präsident des Deutschen Atomforums. Vielen Dank für das Gespräch.
Güldner: Bitte sehr.
Engels: Ich danke Ihnen!
Atomforum erwartet Klagen gegen Atom-Ausstieg - Brennelementesteuer wird zur Kernfrage
Ralf Güldner: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Ist angesichts dieser Eckdaten ein Albtraum für Sie wahr geworden?
Güldner: Wir hatten das natürlich in der Kombination nicht erwartet. Das stellt insgesamt die Stromwirtschaft in Deutschland vor riesige Herausforderungen, erst mal ganz kurzfristig mit der Entscheidung, dass die sieben sogenannten Moratoriumsanlagen und Krümmel vom Netz bleiben müssen. Das sind in Summe fast zehn Megawatt an Erzeugungskapazitäten. Die Bundesnetzagentur hat darauf hingewiesen, dass das in verbrauchsstarken Zeiten zu großen Schwierigkeiten führen wird. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und hat das Thema Kaltreserve hier mit auf den Tisch gebracht. Wie das technisch umgesetzt werden soll, muss diskutiert werden. Wenn man mittelfristig denkt, und ein Zehn-Jahres-Zeitraum ist in der Energiewirtschaft eher mittelfristig, dann wird dieser vorgezogene Ausstieg weitere Herausforderungen bringen. Wir müssen massiv in Erneuerbare investieren in Deutschland, wir müssen massiv in den Ausbau der Netze investieren, das wird zu Kostenbelastungen führen, die Strompreise werden steigen, wir reduzieren die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. Die Bundesregierung hat gestern ein Papier in den Fraktionen verteilt, in dem ein ganzes Maßnahmenbündel, gesetzliche Maßnahmen, aber auch Absichtserklärungen, aufgelistet sind. Ich glaube, daran kann man sehen, wenn man sich das durchliest, wie schwierig diese Aufgabe ist, die da auf uns zukommt.
Engels: Wenn man Ihnen so zuhört, denkt man, der Industriestandort Deutschland steht vor dem Untergang. Wie teuer ist es denn jetzt schon für die Strombetreiber geworden? Können Sie schon die jetzigen Verluste absehen, die durch den Ausfall der AKW, die ja fest eingerechnet waren, eigentlich jetzt bestehen?
Güldner: Das ist eine schwierige Rechnung, die wir auch nicht von der Verbandsseite machen. Das müssen die einzelnen Betreiber für ihre Anlagen ausrechnen. Was hier jetzt verschärfend dazu gekommen ist, womit wir eigentlich nach den letzten Diskussionen in der Form nicht gerechnet haben, ist, dass wir jetzt die doppelte Belastung haben durch die vorzeitige Abschaltung der Anlagen und die Beibehaltung der Brennelementesteuer. Das schafft uns insbesondere in dem liberalisierten europäischen Strommarkt einen massiven Wettbewerbsnachteil und wir haben ja jetzt in den letzten Wochen und Monaten nach dem Moratorium schon gesehen, dass Deutschland zum Stromimportland geworden ist. Also die ausländischen Anbieter nutzen die Situation hier in Deutschland und importieren Strom zu uns.
Engels: Die Brennelementesteuer sollen die AKW-Betreiber weiterhin zahlen. Sehen Sie da gute Aussichten für eine Klage gegen die Bundesregierung?
Güldner: Wir haben das schon im vergangenen Jahr, als die Steuer angekündigt wurde, gesagt, dass wir verschiedene Rechtsbereiche sehen, die hier verletzt werden, und dass wir die juristisch für fragwürdig ansehen. Mit der Laufzeitreduzierung, die jetzt kommt, ist die Belastung deutlich höher geworden. Ich gehe davon aus, dass die Konzerne, spätestens wenn die ersten Steuerbescheide auf dem Tisch sind, hier entsprechende Entscheidungen treffen und gegebenenfalls hiergegen klagen werden. Das ist aber eine juristische Abschätzung.
Engels: Wann wird das sein?
Güldner: Ja es ist so, der Steuertatbestand tritt ein, wenn die erste Anlage wieder mit frischen Brennelementen ans Netz geht. Das wird in den nächsten Tagen voraussichtlich der Fall sein. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht Gundremmingen inzwischen schon mit neuen Elementen ans Netz gegangen ist. Dann müssen die Finanzbehörden die Steuerbescheide erstellen und dann hat man eine gewisse Zeit zur juristischen Prüfung und eben gegebenenfalls zu der Entscheidung zu klagen. Das wird sich also in den nächsten Tagen oder Wochen ergeben.
Engels: Herr Güldner, wir erinnern uns ja an frühere Szenarien, wonach – das hatte damals auch das Atomforum gesagt – die Abschaltung schon von wenigen AKW zu einem Blackout führen könnte. Ebenso gab es frühere Warnungen, dass regenerative Energie nie in absehbarer Zeit zum belastbaren Eckpfeiler der Stromversorgung werden könne. Das hat sich ja jetzt in dieser Form nicht so bewahrheitet. Wie wollen Sie da für Ihre Warnungen vor der Belastung des Industriestandortes Deutschland noch Glaubwürdigkeit halten?
Güldner: Also wir haben nicht gesagt, dass es gleich zu Blackouts kommt; wir haben gesagt, dass es sehr schwierig wird für die Stromversorgung, und das haben die letzten Wochen auch gezeigt. Wir waren hier in sehr verbrauchsschwachen Zeiten, das ist traditionell so, die Monate, die hier betroffen waren, sind verbrauchsschwach. Wäre das ganze im November, Dezember, Januar passiert, hätte das ganz anders ausgesehen. Die Netzbetreiber haben öffentlich gesagt, dass sie schon Wartungsarbeiten an den Netzen zurückgestellt haben, um die Netze nicht zusätzlich zu belasten. Wir mussten Altanlagen, die auf Kohle-, zum Teil Ölbasis betrieben werden, ans Netz nehmen. Dazu hat uns der Netzbetreiber aufgefordert. Das ist natürlich für den Klimaschutz und die Ziele, die wir dort haben, absolut kontraproduktiv. Wir sind vom Stromexportland, das wir gerade in diesen Zeiten mit starken Einspeisungen aus erneuerbaren, Wind und Sonne, und niedrigen Verbrauchen traditionell waren, sogar in dieser Zeit jetzt zu einem Stromimportland geworden. Und wir haben an den Börsen gesehen, an den Strombörsen, dass die Strompreise deutlich angestiegen sind. Da gibt es ja immer ein sogenanntes Forward Pricing, also über die Preise in den nächsten weiteren Monaten, und hier sind die Preise um 10 bis 20 Prozent angestiegen. Und aufgrund der Inbetriebnahme oder stärkeren Nutzung von fossil befeuerten Kraftwerken sind die Preise für die CO2-Emissionszertifikate angestiegen. Also es hat massive Verschiebungen auf den Strommärkten gegeben und die Netzbetreiber betonen immer wieder, dass die Netze am Rande der Stabilität sind.
Engels: Ralf Güldner, Präsident des Deutschen Atomforums. Vielen Dank für das Gespräch.
Güldner: Bitte sehr.
Engels: Ich danke Ihnen!
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