Natürlich bedeutet die Digitalisierung der Archivwelt auch für das Bundesarchiv einen enormen Aufwand - und Nutzen, so dessen Präsident Michael Hollmann im Deutschlandfunk: "Der Zugang zu Archivgut, wenn es digital ist, ist ganz anders möglich, als das bisher mit papierenem Archivgut war. Denn das Papier oder das Objekt zwingt den Benutzer an den Ort des Archivs." Mit der Onlinestellung von Unterlagen ist das nicht mehr nötig - sie sind weltweit zugänglich. Schon jetzt seien auf diesem Weg sehr viele Unterlagen aus der Zeit der Weimarer Republik verfügbar. Bis Ende der 2020er-Jahre sollen auch alle Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus abgerufen werden können.
Schon jetzt sei es dabei aber nicht möglich, alles, was dem Bundesarchiv angeboten wird, auch zu bewahren. Dort müsse ausgewählt werden, was langfristig für die Erforschung der deutschen Geschichte und von einzelnen Familien und Personen relevant ist, sagt Michael Hollmann: "Wir laufen langsam zu, so dass wir schon seit Jahren mit kräftiger Unterstützung der Staatsministerin für Kultur dabei sind, Ausbaumagazine zu konzipieren." Gebaut würden diese neuen Lagermöglichkeiten aber bislang noch nicht: "Archive sind Zuwachsbetriebe. Wer denkt, dass ein Bundesarchiv irgendwann einmal genug Speicherraum haben könnte, der irrt."
Mehr Verständnis für Archive und Bibliotheken
"Alles kann Quelle sein für irgendetwas. Aber wir müssen verdichten, und es ist nach wie vor die Idee, aus diesem Urwald durch Bewertung und durch Erschließung so etwas wie einen begehbaren Staatsforst zu machen", sagt Bundesarchivs-Präsident Hollmann. Schwierigkeiten bereite dabei aber der Zerfall der Materialien - etwa bei Film oder Papier -, gegen den Archive permanent konservatorisch anarbeiten müssen. Schon jetzt stehe fest, dass nicht jedes Original erhalten werden kann: "Da wird neben der Frage der inhaltlichen Bedeutung die Frage, wann wir uns konservatorisch einem Objekt zuwenden können, ganz entscheidend darüber sein, ob ein Objekt im Original erhalten werden kann, oder ob wir damit rechnen müssen, dass dieses Material verloren geht, bevor wir es sichern konnten und bevor es jemand benutzen konnte." In Fachkreisen sei das seit langem ein Thema, öffentlich aber nicht, weil viele Institute fürchteten, man könne ihnen deshalb ein Scheitern unterstellen. Nötig sei deshalb auch ein anderes Verständnis der Möglichkeiten von Archiven und Bibliotheken.
Plädoyer für Abschaffung der Benutzungsgebühren
Hollmann fordert daher eine nachhaltige Archivpolitik und -förderung und bezieht dabei auch Bibliotheken, kleine private Archive wie das Archiv für alternatives Schrifttum in Duisburg und andere kulturerhaltende Institutionen mit ein: "Magazine sind es, die wir brauchen. Vernünftige Räumlichkeiten, in denen Archivgut die Möglichkeit hat, noch möglichst lange zu überleben, um benutzt zu werden und vielleicht dann auch die Chance hat, durch ein Ersatzmedium gesichert zu werden." Und der Präsident des Bundesarchivs plädiert für eine Abschaffung von Benutzungsgebühren: "Wir müssen nach Wegen suchen, den Zugang zu intensivieren, indem man diese Schwelle nach Möglichkeit gegen Null fährt - mit dem Ergebnis, dass unter Umständen ganz viele Leute kommen, die sich bisher haben abschrecken lassen. Ich glaube, der größte Effekt, den dieser Staat und diese Gesellschaft mit ihrem Kulturgut erreichen könnten, ist, dass es viel genutzt wird - und nicht, dass es Geld einbringt."