Fragen und Antworten
Präsident Yoon nach Verhängung des Kriegsrechts unter Druck: Wie geht es weiter in Südkorea?

Die Ereignisse in Südkorea haben sich überschlagen. Erst verhängte Präsident Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht. Wenig später zwang das Parlament ihn, die Entscheidung wieder zurückzunehmen. Nun streben Yoons Gegner dessen Amtsenthebung an. Fragen und Antworten zur Lage.

    Seoul: Oppositionsabgeordnete und Mitglieder einer Bürgerorganisation halten vor der Nationalversammlung in Seoul eine Kundgebung ab.
    Oppositionsabgeordnete und Bürgerorganisationen forderten den Rücktritt von Präsident Yoon wegen der Verhängung des Kriegsrechts, die er Stunden später widerrief. (- / YNA / dpa / -)

    Warum hat Präsident Yoon das Kriegsrecht verhängt?

    ARD-Hörfunkkorrespondent Thorsten Iffland spricht im Deutschlandfunk von einem "sehr radikalen Schritt" und berichtet, eine BBC-Kollegin habe ihm zugerufen: "History in the making".
    Präsident Yoon hat seinen Vorstoß damit begründet, dass er die freiheitliche Ordnung schützen wollte. Er warf der Opposition vor, den Staat durch Blockaden - etwa beim geplanten Haushaltsgesetz - zu lähmen. Auch hielt Yoon der oppositionellen Linken vor, dass sie mit Nordkorea sympathisieren würde. Dafür hat der Präsident jedoch keinerlei Beweise vorgelegt. 
    Beobachter argumentieren, dass die Ausrufung des Kriegsrechts auch innenpolitisch motiviert sein könnte. Yoon stand massiv unter Druck, seine Zustimmungswerte lagen zu Beginn der Woche bei lediglich 25 Prozent. An den vergangenen Samstagen waren bereits mehrere Tausend Demonstranten in der Hauptstadt Seoul auf die Straße gegangen, um Yoons Rücktritt zu fordern.

    Wie reagierte die Opposition? 

    Die Opposition kam nach der Verhängung des Ausnahmezustands in aller Eile in der Nationalversammlung zusammen. In einer ersten Abstimmung forderte sie den Präsidenten einstimmig dazu auf, das verhängte Kriegsrecht wieder zurückzunehmen. Wenige Stunden später unterschrieben die Abgeordneten schließlich einen Antrag auf Amtsenthebung gegen den Präsidenten. Dieser soll am Freitag oder Samstag zur Abstimmung kommen. Die Opposition wirft Yoon unter anderem Verfassungsbruch vor. 

    Hat sich die Lage nun schon nachhaltig beruhigt?

    Trotz Aufhebung des Kriegsrechts fanden in Seoul mehrere Kundgebungen statt, bei denen ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten gefordert wurde. Bislang scheinen die Proteste ausnahmslos friedlich abzulaufen. Ob die friedliche Stimmung anhält, hängt nach Einschätzung von Beobachtern auch vom weiteren Vorgehen des Präsidenten ab. Sollte er sich an die Macht klammern, könnte der öffentliche Druck möglicherweise auch zunehmend in Frust umschlagen.

    Welche Chancen hat der Antrag auf Amtsenthebung überhaupt? 

    Für die Annahme des Antrags der Opposition ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 300 Abgeordneten nötig. Zwar verfügen die sechs Oppositionsparteien mit 190 Sitzen über eine deutliche Mehrheit - sie wären dennoch auch auf Stimmen aus Yoons regierender Volksmacht-Partei (PPP) angewiesen, um auf mehr als 200 Stimmen zu kommen.
    Es bleibt nach Einschätzung südkoreanischer Medien unklar, wie viele Abgeordnete der PPP den Antrag unterstützen würden. Da es auch offene Machtkämpfe innerhalb des Regierungslagers gibt, werden die Chancen allerdings als realistisch gesehen, dass Abgeordnete der PPP dem Antrag zustimmen könnten. 
    ARD-Korrespondent Iffland ist jedenfalls der Ansicht, dass das politische Ende von Präsident Yoon näherrückt und verweist ebenfalls auf dessen Verlust von Rückhalt in den eigenen Reihen.

    Was passiert nach der Abstimmung im Parlament? 

    Wird der Amtsenthebungs-Antrag der Opposition angenommen, muss das Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob Yoon endgültig abgesetzt wird. Bis dahin wären die Funktionen des Präsidenten, der noch regulär bis Mai 2027 im Amt ist, ausgesetzt. Ministerpräsident Han Duck Soo würde die Amtsgeschäfte des Präsidenten kommissarisch übernehmen. 
    Sieben Richter müssen gemäß Verfassung an den Beratungen teilnehmen und eine Amtsenthebung kann nur erfolgen, wenn mindestens sechs von ihnen zustimmen. Gegenwärtig sind allerdings nur sechs von neun Verfassungsrichter-Posten besetzt. Das Parlament müsste also nach Berichten südkoreanischer Zeitungen erst noch Nachfolger für Richter empfehlen, die zuletzt ausgeschieden sind. Die Diskussionen darüber seien jedoch ins Stocken geraten und die offenen Stellen könnten mit Blick auf die Beratungen für Probleme sorgen.
    (Mit Material der Deutschen Presse-Agentur)

    Weiterführende Informationen

    Südkorea - Opposition will Präsidenten aus dem Amt drängen
    Besteht Südkorea den Demokratietest? - Interview mit Heike Baehrens (SPD), Vorsitzende deutsch-koreanische Parlamentariergruppe
    Diese Nachricht wurde am 04.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.