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Präsidentenwahl in Österreich
Gang zur Abstimmung kostet Überwindung

In Österreich können seit dem frühen Morgen 6,4 Millionen Wahlberechtigte erneut ihr Kreuz machen. In der für ungültig erklärten Stichwahl vom Mai lag der unabhängige Kandidat, Ex-Grünen-Parteichef Alexander Van der Bellen, knapp vorn. Der rechtskonservative Kandidat Norbert Hofer befindet sich momentan im Stimmungshoch.

Von Ralf Borchard |
    Zwei Wahlplakate der Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (links, FPÖ) und Alexander Van der Bellen (unabhängig)
    Zwei Wahlplakate der Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (links, FPÖ) und Alexander Van der Bellen (unabhängig) (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Es war der längste Wahlkampf der Nachkriegsgeschichte. Die erste Stichwahl im Mai hatte das Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Der erste Wiederholungstermin musste wegen nicht klebender Briefwahlumschläge verschoben werden. Der Wahlkampfstil war häufig aggressiv - entsprechend ist die Stimmung der Leute auf dem Weg ins Wahllokal:
    "Früher waren die Wahlkämpfe um einen Bundespräsidenten ganz anders, nicht so hart. Ich muss mich schon sehr überwinden, wenn ich dann in die Wahlzelle gehe. Es fällt mir nicht leicht."
    "Ich finde, dass die Wahl, dass der ganze Wahlkampf sehr niveaulos war. Man kann sich nur noch entscheiden, ist man bei etwas dafür oder dagegen, aber es wird nicht mehr darüber geredet."
    "Einer blöder wie der andere. Das ist meine Meinung. Aber es wird immer schlimmer, der Wahlkampf, jeder haut jedem an den Schädel, und das finde ich nicht gut."
    Österreich geteilt
    Und: Wer gewinnt heute?
    "Wir lassen uns überraschen."
    "Das ist eigentlich sicher fifty-fifty."
    "Das ist sehr schwer zu sagen. Das Volk, die Österreicher sind so geteilt, 50 zu 50 …"
    Kaum Wechselwähler
    So sieht es auch Meinungsforscher Christoph Hofinger, der die Hochrechnungen für den österreichischen Rundfunk ORF macht. Wechselwähler, sagt Hofinger, gibt es kaum:
    "Mir kommen die beiden Lager vor wie zwei Stiere auf der Alm, die mit den Köpfen aneinander stehen und gegeneinander kämpfen, und seit Monaten tut sich da nichts, keiner gewinnt einen Zentimeter, kein Lager. Aber es gibt auch immer wieder Überraschungen an den Wahltagen. Umgekehrt: Wir sind wirklich auch darauf eingestellt, dass es wieder ganz knapp wird und erst vielleicht am Montag dann entschieden wird oder sogar Dienstagfrüh."
    Dann werden auch alle Briefwahlstimmen ausgezählt sein, die Briefwähler hatten bei der ersten Stichwahl im Mai die Waage noch ganz knapp zugunsten von Van der Bellen gekippt. Doch selbst mit einem Endergebnis ist das Warten noch nicht ganz vorbei. Bis 22. Dezember läuft die Frist für mögliche erneute Wahlanfechtungen. Die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten fällt diesmal aus. Die Angelobung, wie in Österreich die Vereidigung genannt wird, ist für den 26. Januar geplant - entweder von Norbert Hofer oder von Alexander Van der Bellen.