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Präsidentschaftswahl
Griechenland drohen Neuwahlen

Wer wird der nächste griechische Präsident? 20 beziehungsweise zwölf Stimmen fehlten Stavros Dimas zuletzt, und möglicherweise erreicht der Konservative auch im dritten Wahlgang nicht die notwendige Mehrheit. Für die griechische Politik hätte das große Folgen. Genau wie für die EU.

Von Thomas Bormann, Athen |
    Die griechische und die europäische Flagge wehen am 06.03.2014 vor dem Parlamentsgebäude in Athen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
    Präsidentschaftswahl in Athens Parlament - mit möglichen Konsequenzen auch für Brüssel und Berlin. (dpa/picture-alliance/Wolfgang Kumm)
    Der griechische Staatspräsident hat nicht viel Macht; er repräsentiert vor allem sein Land, ähnlich wie der Bundespräsident in Deutschland. Aber der Wahlgang heute im griechischen Parlament um das Amt des Staatspräsidenten könnte eine Kettenreaktion auslösen mit heftigen Konsequenzen auch für Brüssel und Berlin.
    Wenn der Präsidentschaftskandidat Stavros Dimas nämlich auch heute nicht die nötige Mehrheit im Parlament erreicht, dann muss das griechische Volk sofort ein neues Parlament wählen; nach allen Umfragen liegt die griechische Linkspartei Syriza vorn, die will die Sparpolitik aufkündigen und die griechischen Schulden an die anderen Euro-Länder, zum Beispiel an Deutschland, nicht in voller Höhe zurückzahlen. Das aber würde Griechenland ins Chaos stürzen, warnen EU-Politiker – und auch der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras. Sein Appell:
    "Ich möchte nochmals die Abgeordneten aller Parteien auffordern, einen Präsidenten zu wählen. Damit beenden wir ein für alle Mal die Unsicherheit, die unser Land bedroht. Wenn wir einen neuen Präsidenten wählen, ziehen wir unser Land aus der Krise heraus."
    Die griechische Wirtschaft wächst endlich wieder, der Staatshaushalt ist halbwegs ausgeglichen, so kurz vor dem Ziel dürfe Griechenland nicht aufgeben, appelliert Samaras.
    Wahlkampf hat schon begonnen
    Aber die griechische Verfassung schreibt nun einmal vor, dass mindestens 180 der insgesamt 300 Parlamentsabgeordneten für den Präsidentschaftskandidaten stimmen müssen. So viele Stimmen aber haben die Regierungsfraktionen nicht. Die Regierung ist auf Stimmen von unabhängigen Abgeordneten und von Oppositionsparteien angewiesen. Wie schon in den ersten beiden Wahlgängen kurz vor Weihnachten wird das auch diesmal scheitern, sagt Oppositionschef Alexis Tsipras voraus – und steigt schon in den Wahlkampf ein:
    "Weder das Parlament noch das griechische Volk werden Herrn Samaras einen Blankoscheck ausstellen, damit der mit seiner Sparpolitik weitermacht und neue Kürzungen durchsetzt."
    Ja, Alexis Tsipras, der 40-jährige Chef der griechischen Linkspartei, spricht den vielen Verlierern der Krise aus der Seele: Löhne und Renten in Griechenland sind in den letzten Jahren um etwa ein Drittel gesunken. Millionen Griechen glauben nicht an die Beteuerungen von Regierungschef Samaras, jetzt werde endlich der Aufschwung kommen. Diese Athenerin sagt am Rande einer Demonstration gegen die Sparpolitik: "Sie sehen doch: Die finanzielle Lage wird immer schlimmer, von Tag zu Tag. Ich weiß nicht, was noch alles passieren soll. Klar ist doch: Die Dinge stehen nicht gut!"
    Die meisten Griechen sind gegen Neuwahlen
    Allerdings: Selbst wenn heute Mittag tatsächlich die Präsidentenwahl im Parlament scheitert und es Neuwahlen geben wird, dann ist nach wie vor offen, ob die griechische Linkspartei Syriza auch wirklich die Regierung übernehmen wird. Syriza wird allen Umfragen zu folge zwar stärkste Partei werden, sie wird aber nicht allein regieren können, sondern Koalitionspartner brauchen. Möglicherweise aber findet sich in der zersplitterten Parteienlandschaft Griechenlands dann gar keine regierungsfähige Mehrheit.
    Genau deshalb sind die meisten Griechen einer Umfrage zufolge gegen vorgezogene Neuwahlen – wie dieser Rentner aus Athen: "Ich hoffe, dass die Abgeordneten sich doch noch verständigen und einen neuen Staatspräsidenten wählen. Unsere Regierung jetzt ist zwar nicht die beste Regierung aller Zeiten. Aber es könnte ja noch schlimmer kommen. Deshalb sollte die Regierung Zeit bekommen, ihr Programm umzusetzen. Und am Ende der Legislaturperiode können wir immer noch sehen, was sie daraus gemacht hat."