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Präsidentschaftswahl in Ägypten
"Furcht vor einer Revolution der Hungernden"

Ägypten wählt einen neuen Präsidenten. Doch das Regime Al-Sisi habe die demokratische Opposition in Ketten gelegt, sagte René Klaff von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Amman im Dlf. Die wirtschaftliche Lage sei miserabel, Repression die Antwort auf die Furcht der Machteliten vor dem Zorn der Straße.

René Klaff im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Ein Wahlplakat für den ägyptischen Präsidenten Abdel-Fattah el-Sisi in Kairo.
    Ägyptens Präsident Abdel-Fattah el-Sisi regiert das Land seit 2014 mit harter Hand (dpa-Bildfunk / AP / Nariman El-Mofty)
    Jörg Münchenberg: In Ägypten wird heute gewählt. Viele Beobachter reden von einer Farce, denn einen ernsthaften politischen Herausforderer hat der amtierende Präsident Abdel Fattah Al-Sisi nicht, der das Land wiederum seit 2014 mit harter Hand regiert. Die Opposition ist unterdrückt, Menschenrechte werden chronisch missachtet.
    Kurz vor der Sendung habe ich per Skype mit dem Regionalbüro-Leiter der FDP-nahen Naumann-Stiftung, René Klaff, im jordanischen Amman gesprochen, zuständig für die Bereiche Nordafrika und den Mittleren Osten, und ihn zunächst gefragt, ob es sich in Ägypten um Scheinwahlen handelt.
    René Klaff: Es ist unter demokratischen Gesichtspunkten zumindest keine echte genuine Wahl, eine Auswahl zwischen mehreren Kandidaten, die gleichberechtigt die Chance gehabt hätten, sich dem Wahlvolk zu präsentieren. Das ist so.
    Münchenberg: Würden Sie denn sagen, es gibt überhaupt noch eine ernst zu nehmende Opposition im Land? Seine potenziellen Herausforderer hat Al-Sisi ja offenbar alle mundtot gemacht oder unter so starken Druck setzen lassen, dass sie jetzt nicht mehr antreten wollen.
    Klaff: Die demokratische Opposition ist sicherlich in Ketten gelegt. Die gesetzlichen Maßnahmen, die dazu geschaffen worden sind, greifen. Eine Kombination von Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, der Justiz und vor allen Dingen auch der Medien sorgt dafür, dass im Grunde keine demokratische Opposition sich hier mehr formieren kann. Das hat man ja auch im Vorfeld dieser Wahl, des sogenannten Wahlkampfes gesehen. Respektive ernst zu nehmende Kandidaten haben nicht die Chance gehabt, überhaupt von der Wahlkommission akzeptiert zu werden. Es gibt sicherlich Oppositionskreise in Ägypten, auch Oppositionsgruppen, vor denen die Machthaber Respekt, wenn nicht Angst haben. Das ist die große Anhängerschaft der Muslimbruderschaft - die ist ja nicht wegzudiskutieren im Lande -, die aber keine offiziellen Kanäle natürlich hat, denn sie ist verboten und ist auch als Terrororganisation bewertet.
    "Die Sicherheitslage ist prekär"
    Münchenberg: Herr Klaff, die wirtschaftliche Lage in Ägypten, muss man sagen, ist eher miserabel. Die Inflation lag zuletzt 2017 bei 50 Prozent. Die Einkommen sind geschrumpft, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Warum muss Al-Sisi nicht den Zorn der Straße fürchten?
    Klaff: Oh, den fürchtet er. Ich glaube schon, dass das Regime Sisi und die Machteliten gehörigen Respekt davor haben, vor einer Revolution der Hungernden sozusagen. Diese Dinge sind im Schwange. Es haben viele Beobachter in den vergangenen Jahren auch vorhergesagt, dass es zu einer Explosion kommen wird. Ich glaube schon, dass er das fürchtet, und ich glaube, dass die repressiven Maßnahmen, die in Ägypten ergriffen werden, zum Teil darauf zurückgehen.
    Münchenberg: Aber würden Sie sagen, da könnte sich auch was zusammenbrauen, wenn man jetzt auch mal auf die Sicherheitslage schaut? Auch die hat der Machthaber ja nicht im Griff. Es gibt immer wieder Anschläge mit vielen Toten, zuletzt jetzt am vergangenen Wochenende. Könnte auch dieser Aspekt Al-Sisi noch mal gefährlich werden?
    Klaff: Die Sicherheitslage ist sicherlich insgesamt prekär und instabil. Vor allen Dingen gelingt es den Sicherheitskräften nicht, die dschihadistischen Gruppierungen, die Terroristen tatsächlich zu bezwingen. Das sieht man ja an der Situation, wie sie im Sinai herrscht. Weite Teile der Halbinsel sind quasi außerhalb der Regierungskontrolle. Im Niltal selbst und in den großen Städten kommt es immer wieder zu Anschlägen. Sie haben einen genannt. Aber im Großen und Ganzen denke ich nicht, dass hiervon eine Gefährdung der etablierten Machtstrukturen ausgeht.
    Münchenberg: Wie würden Sie trotzdem im Augenblick die Stimmung im Land beschreiben?
    Klaff: Die Stimmung ist nicht gut. Die wirtschaftliche Situation – Sie haben es angedeutet – wird von den Menschen als sehr schlecht empfunden. Viele sehen sogar, dass die Situation in den vergangenen vier Jahren, was Lebensstandard und Lebenshaltungskosten und ähnliche Dinge angeht, sich verschlechtert hat. Insofern ist die Stimmung nicht gut. Sisi braucht sicherlich Erfolge in diesem Gesamtkontext. Subventionskürzungen, Zinssenkungen, all diese Dinge, die mit dem Sparkurs einhergehen, treffen nicht nur die Armen im Lande, sondern auch die Mittelschichten. Diesbezüglich braucht Sisi sicherlich Erfolge.
    "Mit den ägyptischen Behörden im Gespräch"
    Münchenberg: Nun sagen ja manche Beobachter, unter Sisi sei es schlimmer geworden als unter dem früheren Machthaber Mubarak. Würden Sie dieser Einschätzung zustimmen?
    Klaff: Mit Blick auf die Unterdrückung der Opposition, auf die Menschenrechtslage insgesamt ist sicherlich die Situation mindestens so schlecht wie in den schlechten Zeiten unter Mubarak. Mubarak hat ja lange regiert. Da gab es unterschiedliche Phasen. Insofern ist der Eindruck, dass unter der jetzt vierjährigen Herrschaft von Präsident Sisi die Dinge langfristig sich schwieriger gestalten, gerade für die demokratische Opposition, überhaupt für freie Meinungsäußerung und zivilgesellschaftliche Freiräume schlechter ist als unter Mubarak, das ist nachvollziehbar.
    Münchenberg: Das betrifft ja auch, Herr Klaff, die deutschen politischen Stiftungen. Die Naumann-Stiftung hat ja nur noch ein kleines Verbindungsbüro in Kairo selbst. Findet da eigentlich noch irgendwelche Projektarbeit statt, oder geht es letztlich im Augenblick nur noch um die Kontaktpflege? Wie läuft die Arbeit vor Ort?
    Klaff: Es geht momentan tatsächlich im Wesentlichen um Kontaktpflege. Nach einiger Zeit der Verhandlungen sind Ende letzten Jahres die Grundlagen dafür geschaffen, dass auch Projektarbeit für die politischen Stiftungen in Ägypten wieder möglich ist. Wir befinden uns jetzt in einer Phase von zwei Jahren, in denen diese Grundlagen (ein Statusabkommen) gültig sind, und wir loten derzeit aus, welche Projektaktivitäten für uns möglich sind. Was möglich ist, hängt letztlich von der Sanktionierung und den Entscheidungen der ägyptischen Behörden ab, und da sind wir gerade im Gespräch.
    Münchenberg: Würden Sie sich denn da auch mehr Rückenwind aus Berlin auch von der Bundesregierung wünschen, dass die vielleicht ein bisschen mehr Druck ausübt auf Kairo?
    Klaff: Es wäre sicherlich gut, wenn darauf hingewiesen würde, dass die politischen Stiftungen nicht nur im Lande präsent sein dürfen, sondern dass zu ihrer Identität auch politische Arbeit gehört, das heißt die Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Institutionen, auch mit Parteien, insgesamt politische Bildungsarbeit und Beratungstätigkeit. Dafür gibt es ja die politischen Stiftungen und das sind die Rahmenbedingungen, unter denen wir im Ausland arbeiten. Ansonsten macht unsere Arbeit im Ausland keinen Sinn.
    Das ist in Ägypten momentan nur sehr eingeschränkt möglich. Aber wie gesagt, wir befinden uns gerade in der Phase, wo wir - nicht nur wir, sondern auch die anderen Stiftungen – mit den ägyptischen Behörden im Gespräch sind, um die Dinge auszuloten. Wir sind sozusagen in einer Testphase und müssen einmal abwarten, was dabei herauskommt.
    "Bundesregierung findet deutliche Worte"
    Münchenberg: Nun ist ja Sisi quasi international anerkannt. Der Westen setzt auf ihn auch beim Kampf gegen den IS. Kann man sagen, da ist man dann deshalb auf dem anderen Auge blind, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten, um Demokratie geht?
    Klaff: Ob man auf dem Auge blind ist, weiß ich nicht. Ich finde schon, dass die deutschen Behörden, das Auswärtige Amt, zuletzt ja auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, deutliche Worte finden. Sicherlich ist es ein Spannungsfeld zwischen den beiden Polen: Einerseits unsere wertegeleiteten Maßstäbe, außenpolitische und auch entwicklungspolitische Leitlinien, und andererseits die Notwendigkeit der politischen Stabilität. Wir haben in der Region, in Libyen, in Syrien, im Irak, im Jemen Staaten, die zusammengebrochen sind, und sicherlich ist es Leitlinie der Außenpolitik der Bundesregierung, eine Situation zu verhindern, in der Ähnliches in Ägypten auch passiert. Dieses Spannungsverhältnis ist da, sollte uns aber nicht daran hindern, die Dinge auch beim Namen zu nennen. Das heißt, Menschenrechtsverletzungen, Bürgerrechtsverletzungen, Unterdrückungsmaßnahmen müssen auch so benannt werden. Und wenn dies zu Konsequenzen führt, was unter anderem die Arbeit der politischen Stiftungen, aber meinetwegen auch entwicklungspolitische Beziehungen angeht, so sollte man diese Konsequenzen auch ziehen. Davor sollte man sich nicht fürchten.
    Münchenberg: Das klang jetzt trotzdem ein bisschen sehr diplomatisch. Noch mal: Fühlen Sie sich ausreichend unterstützt auch von der Bundesregierung?
    Klaff: Bislang ja. Im Prozess über die Freiräume der politischen Stiftungen sind wir von der Bundesregierung, namentlich vom Auswärtigen Amt sehr gut unterstützt worden. Das Ergebnis stellt uns alle nicht zufrieden und wir haben uns alle geeinigt, dass wir jetzt in diese zweijährige Testphase gehen, um zu sehen, welche politische Beratungs- und Bildungsarbeit im Lande möglich ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.