Die Anteilnahme am Schicksalsschlag der Familie Biden war groß und mischte sich in die Diskussion um eine mögliche Kandidatur. Sollte man ihn jetzt bestärken oder gerade davor bewahren? Offenbar schlagen auch im Weißen Haus zwei Herzen. Noch dazu wäre Präsident Obama bei einer möglichen Kandidatur in der Situation, sich entscheiden zu müssen zwischen der Unterstützung seiner früheren Außenministerin oder seines amtierenden Vizepräsidenten. Einen kleinen Hinweis schien der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, gestern zu geben, als er sich nach zweiwöchigem Urlaub Obamas erstmals wieder zur täglichen Pressekonferenz einfand:
"Der Präsident sieht es als die beste politische Entscheidung seines Lebens an, dass er Joe Biden zum Vizepräsidenten erkoren hat."
Im gegenwärtigen Stadium der Entscheidungsfindung wurde das als ein starkes Signal für Biden gewertet, der zur selben Minute mit dem Präsidenten beim allwöchentlichen Lunch zusammensaß. Obama hatte sich im Sommer 2008 für ihn als Vizepräsidenten entschieden. Nicht für Hillary Clinton, die noch bis Anfang Juni versucht hatte, Obama im Vorwahlkampf zu schlagen. Biden war bereits im Januar des Jahres aus dem Rennen ausgestiegen, nach einem schwachen Abschneiden beim Iowa Caucus. Nach vergeblichen Anläufen 1988 und 2008 wäre es jetzt für ihn der dritte Versuch, sich um die Präsidentschaft zu bewerben.
Später Eintritt in den Vorwahlkampf
Am Wochenende hatte Biden sich überraschend mit Senatorin Elizabeth Warren getroffen, eine der einflussreichen Stimmen im linken Flügel der Demokraten. Eines von diversen Gesprächen, die er offenbar im Augenblick führt, um zu sondieren, wie groß die Unterstützung für ihn wäre, und ob es ihm noch gelingen könnte, eine Kampagne auf die Beine zu stellen. Der relativ späte Eintritt in den Vorwahlkampf gilt im Augenblick als einer der großen Schwachpunkte. Aber auch in dieser Frage gab sich der Präsidentensprecher zuversichtlich:
"Es gibt wohl heute niemanden in der Politik, der besser weiß, was es braucht, um eine erfolgreiche Präsidentschaftskampagne aufzubauen."
Schon der zweite Hinweis binnen Minuten, der als deutliche Unterstützung für eine Biden-Kandidatur gelesen wurde. Earnest wies außerdem daraufhin, wie früh es noch im Rennen sei und wie wenig sich über Chancen sagen lasse. Seine Erinnerung an den August 2007 war insofern pikant, als zu diesem Zeitpunkt Hillary Clinton schon einmal als gesetzte Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei galt. Im Herbst jenes Vorwahljahres führte sie - und nicht Obama - unangefochten mit großem Abstand in allen Meinungsumfragen bei den demokratischen Kandidaten.
Welche Rolle spielt Clintons Email-Affäre?
Dass Biden überhaupt dazu neigt, ins Rennen zu gehen, hängt auch damit zusammen, wie Clinton mit ihrer Email Affäre umgeht, und wie sehr sie deshalb an Vertrauen verloren hat. Nicht wenige in der Demokratischen Partei würden eine Kandidatur Joe Bidens begrüßen, damit potenzielle Wähler nicht zu den Republikanern überlaufen, die sich weder beim eher linken Bernie Sanders noch bei Hillary Clinton aufgehoben fühlen. Die Spekulationen dürften in den kommenden Wochen anhalten. Erst Anfang Oktober will Biden sich offiziell erklären.