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Präsidentschaftswahl in Österreich
Nach der Niederlage des Rechtspopulisten Hofer

Das Land versöhnen, Gräben zuschütten, die Regierung zu Reformen drängen, das nannte Alexander Van der Bellen in den ersten Interviews nach dem Wahlsieg immer wieder als Hauptbotschaft. Er wolle Präsident für alle Menschen in Österreich, auch die Wähler von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer sein.

Von Ralf Borchard |
    Der Kandidat der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich, Norbert Hofer, FPÖ schaut in die Menge während einer Wahlkampf-Kundgebung in Wien.
    Der Kandidat der FPÖ bei der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich, Norbert Hofer, gestand nach der Wahl seine Niederlage ein. (picture alliance / dpa / Christian Bruna)
    "Diese Wahl hat wohl niemanden in Österreich unberührt gelassen." So begann Alexander Van der Bellen sein erstes Statement, nachdem der Wahlsieg feststand. Und nannte als Hauptziel, Gräben zu überwinden: "Ich werde selbstverständlich ein überparteilicher Bundespräsident sein, für alle Österreicher und Österreicherinnen, für alle Menschen in diesem Land."
    Ist die Lage also wieder beruhigt in Österreich, schaltet das Land zurück in Normalzustand? Keineswegs. Die FPÖ, mit Norbert Hofer knapp unterlegen, will sich erst heute zum Wahlausgang äußern, ließ bereits wissen, man prüfe, ob es bei der Auszählung der Briefwahlstimmen Ungereimtheiten gab. Dieser von Parteichef Heinz-Christian Strache über soziale Medien verbreitete Verdacht setzt den Tonfall für die weitere Auseinandersetzung, sagt der Politikberater Thomas Hofer: "Die FPÖ strickt ja schon heute wieder an dieser Erzählung. Die inszenieren sich jetzt wie das gallische Dorf, und sagen, alle gegen uns, alle anderen Parteien prügeln da auf uns ein und das hat es gerade nochmal verhindert, dass wir da in die Hofburg kommen. Also diese Anti-Establishment-, diese Anti-System-Botschaft, das ist schon eine, die auch das nächste Mal ziehen kann."
    Bei der nächsten Wahl geht es um das Kanzleramt
    Das nächste Mal - damit meint der Politikwissenschaftler die nächste Parlamentswahl, bei der es für die FPÖ um das Kanzleramt, zumindest die Regierungsbeteiligung geht. Noch ist es nicht so weit, zunächst wird der ebenfalls neue Bundeskanzler Christian Kern versuchen zu zeigen, dass die jetzige Koalition besser regieren kann als bisher. Kern gratulierte nicht nur Alexander Van der Bellen: "Den Wählern von Herrn Ingenieur Norbert Hofer darf ich ausrichten, wenn der Protest hier so artikuliert worden ist: Wir haben den verstanden und wir werden unsere entsprechende Politik auch daran zu orientieren."
    Van der Bellen machte in den ersten Interviews als gewählter Präsident am Abend klar, dass er das Amt zwar mit Bedacht wahrnehmen, aber die Regierung auch zu Reformen drängen will, vor allem im Bereich Wirtschaft: "Wir haben nicht ewig Zeit. Ja, es sind jetzt Monate und Jahre vergangen, ohne dass wichtige Schritte gesetzt wurden, das muss ein Ende haben. Und wenn ich den neuen Bundeskanzler Christian Kern richtig verstanden habe, ist das genau sein Programm."
    Auch die österreichischen Zeitungen kommentieren Van der Bellens Wahlsieg nach dem Motto, man könne keineswegs zurück auf Normalzustand schalten. "Ein anderes Land", heißt die Überschrift im "Standard", Österreich sei mit zwei blauen Augen davongekommen, die FPÖ werde nichts unversucht lassen, eine Aufbruchstimmung zu torpedieren, heißt es im Leitartikel. Dennoch sei die Wahl Van der Bellens auch ein Votum für Weltoffenheit und die Beibehaltung des bisherigen proeuropäischen Kurses.
    "Kein Grund zum Jubeln, Herr Präsident"
    Die Zeitung "Die Presse überschreibt ihren Kommentar mit der Schlagzeile "Kein Grund zum Jubeln, Herr Präsident". Dies sei weder ein Wahlerfolg der Grünen noch das Ende der blauen, also der FPÖ-Siegesserie.
    Der angesprochene Alexander Van der Bellen versucht es dennoch mit Versöhnungsbotschaften. Auch den heftigen Wahlkampf nennt er rückblickend ein Aufbruchssignal: "Dass sehr viele Menschen miteinander geredet haben, gerungen haben, den anderen zu überzeugen, und auch gestritten haben, ich halte das für ein gutes Zeichen für das politische Interesse in diesem Land. Den Bürgerinnen und Bürgern ist Politik nicht egal."