Archiv

Präsidentschaftswahl Ukraine
Deutlicher Vorsprung für Komiker Selenski

Der Kabarettist Wladimir Selenski hat den ersten Wahlgang ums Präsidentenamt in der Ukraine gewonnen. In drei Wochen wird er in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko antreten. Selenski ist Neuling in der Politik, sein Erfolg wird als Protest gegen die politischen Eliten gewertet.

Von Florian Kellermann | 01.04.2019
    Der ukrainische Komiker Selenski freut sich über sein Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl.
    Der ukrainische Komiker Wladimir Selenski freut sich über sein Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl (imago/ITAR-TASS)
    Wladimir Selenski geht mit einem großen Vorsprung in die Stichwahl in drei Wochen. Rund 30 Prozent der Stimmen holte er, über zehn Prozentpunkte mehr als der Amtsinhaber Petro Poroschenko.
    Der 41-Jährige Selenski feierte seinen Sieg in dem ihm eigenen Stil. Er kam zu seiner Wahlparty - und spielte Tischtennis. Zu seinen Anhängern sagte er nur:
    "Ich bin jeden vom euch sehr dankbar. Das war erst der erste Schritt zum großen Sieg."
    Etwas ausführlicher hatte sich Selenski zuvor bei seiner Stimmabgabe geäußert, für den Fall seines Sieges:
    "Ein neues Leben wird beginnen, ein Leben ohne Korruption, ohne Schmiergelder, das Leben in einem Traum-Land."
    Selenski machte sich in der Ukraine als Kabarettist einen Namen. In der Politik ist er ein Neuling, er trat ohne ausgearbeitetes Programm zur Wahl an. Experten werteten seinen Sieg als Protest gegen die politischen Eliten. Der Amtsinhaber Poroschenko gab sich deshalb demütig:
    "Ich habe das Signal verstanden. Das ist eine harsche Lektion für mich und meine Mannschaft. Das ist ein ernsthafter Anlass, an den Fehlern zu arbeiten, die wir uns erlaubt haben. Aber nur der macht keine Fehler, der nichts tut."
    Korruption und Gaspreisanstieg
    Viele Bürger werfen Poroschenko vor, dass er die allgegenwärtige Korruption nur schleppend bekämpft. Außerdem schadete dem amtierenden Präsidenten, dass die Gaspreise für Endverbraucher während seiner Amtszeit stark stiegen.
    Der Wahlkampf vor der Stichwahl dürfte aggressiv werden. Poroschenko bezeichnete seinen Gegenspieler Selenski unmittelbar nach der Wahl als "Marionette" des Oligarchen Igor Kolomoiski. Außerdem stellte er es so dar, als sei Selenski einer der Wunschkandidaten von Russland.
    Eine der großen Fragen wird sein: Welche Entscheidung werden die unterlegenen Kandidaten ihren Wählern nahelegen. Nach bisher nicht bestätigten Informationen führt das Wahlkampfteam der drittplatzierten Julia Timoschenko Verhandlungen mit Wladimir Selenski. Dies könnte auch eine Zusammenarbeit der beiden Politiker im Parlament bedeuten, nach der Parlamentswahl im Herbst.
    Vorbild Michail Saakaschwili
    Außerdem deutete Selenski schon im Tagesverlauf an, dass er über eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili nachdenkt:
    "Er hat die Korruption in Georgien sehr erfolgreich bekämpft. Das ist ein sehr gutes Beispiel für uns. Ich würde mich deshalb gerne mit ihm unterhalten."
    Der amtierende Präsident Poroschenko hatte Saakschwili einst in die Ukraine geholt und ihm die Staatsangehörigkeit verliehen. Später zerstritten sich die beiden jedoch.
    Einige Experten meinen, Selenski könne in der Stichwahl kaum mehr Wähler mobilisieren als im ersten Wahlgang, so der Kiewer Politologe Wasil Jablonski:
    "Wenn es ungefähr 30 Kandidaten gibt oder mehr, dann finden alle die Wahl lustig und stimmen nach ihrer Laune ab. Aber wenn zwei übrig sind, dann werden die Leute ihre Meinung noch einmal überdenken."
    Und dann spreche wenig für einen Kabarettisten, meint der Politologe. Andere Experten weisen jedoch darauf hin, dass Selenski vor allem im Osten und im Süden der Ukraine beliebt ist. Und dass es dort noch erhebliches Wählerpotenzial für ihn gibt. Denn vor allem dort holte der viertplatzierte Russland-freundliche Juri Boiko seine Stimmen. Sollte Selenski sie für sich gewinnen, würde das landesweit noch einmal ein Plus von zehn Prozentpunkten bedeuten.