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Präsidentschaftswahlen in Frankreich
Die verträumte Revolution

Die Ergebnisse der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen waren ein Novum: Zum ersten Mal in der Geschichte der V. Republik stehen weder ein Konservativer noch ein Sozialist in der Stichwahl. Es sei aber noch zu früh, um von einer historischen Wahl zu sprechen, sagte der Geschichtswissenschaftler Étienne François im DLF.

Étienne François im Gespräch mit Änne Seidel |
    Der Historiker Étienne François
    Der Historiker Étienne François (picture-alliance/ ZB / Karlheinz Schindler)
    Die Ideen der Französischen Revolution von 1789 seien immer noch sehr lebendig im heutigen Frankreich, sagt der Historiker Étienne François, emeritierter Professor der Freien Universität Berlin und der Pariser Sorbonne. Die Mehrheit der Franzosen glaube nach wie vor an die revolutionären Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das habe man auch im Präsidentschaftswahlkampf gesehen: Sowohl Emmanuel Macron als auch Marine Le Pen haben sich im Wahlkampf auf die "liberté", also die Freiheit, berufen, so der Geschichtswissenschaftler. Allerdings interpretierten die beiden Kandidaten, die sich am 7. Mai in der Stichwahl gegenüberstehen werden, die Werte der Revolution auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
    Der Historiker Étienne François.
    Der Historiker Étienne François beim Interview im Deutschlandfunk. (Deutschlandradio / Manfred Hilling)
    Étienne François hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass es in Frankreich tatsächlich zu einer neuen Revolution kommt. Viele Franzosen träumten zwar davon, es bleibe aber wohl eher eine Utopie. Ob die jetzigen Wahlen tatsächlich einen historischen Umbruch markieren, lasse sich erst nach dem zweiten Wahlgang und den Parlamentswahlen beurteilen. Vieles deute aber darauf hin, dass man es tatsächlich mit einer Wende zu tun habe. Die Ergebnisse des ersten Wahlgangs könnten in der Tat als Absage an das bisherige politische System gedeutet werden.
    Étienne François hofft auf einen Wahlsieg von Emmanuel Macron. Ein Sieg Marine Le Pens sei aber nicht ausgeschlossen. Die Kandidatin des Front National würde der Historiker im Übrigen nicht als Rechtsextreme bezeichnen. Sie profiliere sich vielmehr als "die beste Verkörperung der Republik und der republikanischen Werte".