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Präsidentschaftswahlen in Frankreich
"Le Pen und Mélenchon verfolgen einen dezidiert deutschlandkritischen Kurs"

Die Präsidentschaftskandidaten Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon stellten die deutsch-französische Partnerschaft massiv infrage, sagte der CDU-Politiker Andreas Jung im DLF. Für Deutschland sei wichtig, dass mit den Wahlen in Frankreich eine Entscheidung für einen gemeinsamen Kurs in Europa und für die deutsch-französischen Partnerschaft getroffen werde.

Andreas Jung im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung.
    Andreas Jung ist Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe und im Bundestag Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie. (pa/dpa/Murat)
    Christiane Kaess: Und über die anstehende Wahl möchte ich sprechen mit Andreas Jung von der CDU. Er ist Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe und im Bundestag Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie. Guten Morgen, Herr Jung!
    Andreas Jung: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Haben Sie einen Favoriten?
    Jung: Ja, ich glaube, es geht aus deutscher Sicht gar nicht darum, dass wir Favoriten benennen, aber klar ist, dass wir diese Wahl mit einem großen Interesse verfolgen. Es wählen unsere besten Freunde, schon deshalb lässt uns diese Wahl nicht kalt, und wie man gerade auch in dem Beitrag gehört hat, es geht ja um ganz eindeutige Weichenstellungen für einen proeuropäischen Kurs oder für Euroskepsis. Für die deutsch-französische Partnerschaft, oder eben für einen Kurs, den man letztlich nur als deutsch-feindlich bezeichnen kann.
    "Kopf-an-Kopf-Rennen Macron und Marine Le Pen"
    Kaess: Dann frage ich mal anders: Wem würden Sie denn am ehesten zutrauen, das Land zu reformieren und damit die Wirtschaft besser aufzustellen?
    Jung: Auch das ist gerade gesagt worden: Es gibt zwei Kandidaten, die stehen für einen Reformkurs in wirtschaftspolitischen Fragen, das sind Macron und Fillon. Wenn wir die jetzigen Umfragen angucken, dann spielen da quasi in der ersten Liga in einem Kopf-an-Kopf-Rennen Macron und Marine Le Pen,[Anmerkung der Redaktion: unverständliches Wort] ganz sicher nicht. Und Macron hat ein Programm entwickelt, der auch durch viele Gespräche, viele Veranstaltungen, viele Unterstützer vor Ort, mit dem er jetzt zwar zaghafte Reformen vorschlägt, aber Reformen, die in die richtige Richtung gehen, und die das Land ganz sicher voranbringen würden.
    Kaess: Wie bitter ist es denn für Sie, Herr Jung, dass der Kandidat, der Ihrer Parteienfamilie eigentlich am natürlichsten oder am nächsten stehen würde, nämlich der konservative François Fillon, dass der durch seine Scheinbeschäftigungsaffäre so schlechte Aussichten hat?
    Jung: Ich denke, das ist für die Républicains wirklich eine sehr schwierige Situation. Sie hatten eigentlich Rückenwind durch ihre Vorwahlen, bei denen es ihnen gelungen war, viele Millionen Franzosen über ihre Partei hinaus zu mobilisieren, waren auf einem guten Weg. Und dann war es in der Tat so, dass diese Vorwürfe, diese Affäre die Républicains, den Kandidaten Fillon zurückgeworfen haben. Und ich will vielleicht die Frage noch um einen Schritt erweitern: Dass beide ursprünglich große Parteien, nämlich Républicains und Sozialisten, zusammen in der Situation sind, dass sie vielleicht 20, 25 Prozent der Stimmen auf sich gemeinsam vereinigen, das zeigt sicherlich auch eine Krise des französischen Parteiensystems, die sich in diesem Wahlkampf offenbart.
    Kaess: War es ein Fehler der Konservativen, dass sie Fillon im Rennen gelassen haben?
    Jung: Das müssen die Kollegen selbst entscheiden. Es gab ja durchaus diese Frage. Es gab dann einige Krisentreffen, aber natürlich war nach dieser Vorwahl, die ja quasi eine Nominierung nicht nur durch die Partei, sondern eben durch fast vier Millionen Franzosen gewesen ist. Die Möglichkeit, den Kandidaten dann einfach mal so auszutauschen – auch nicht ganz einfach. Es hat auch eine klare Alternative, jedenfalls eine klare Mehrheit für eine Alternative gefehlt, und deshalb ist es letztlich also gekommen, dass Fillon nicht nur Kandidat geworden, sondern auch geblieben ist.
    Kaess: Und Sie müssen jetzt wahrscheinlich demnächst für Macron sein?
    Jung: Ich glaube gar nicht, dass es für uns darum geht, für den einen oder anderen zu sein. Für uns ist wichtig, dass eine Entscheidung getroffen wird für einen gemeinsamen Kurs in Europa und für eine Fortsetzung der deutsch-französischen Partnerschaft. Die wiederum wird von zwei Kandidaten ganz massiv infrage gestellt. Das ist Le Pen einerseits, und das ist Mélenchon andererseits.
    Kaess: Das wollte ich gerade fragen, Herr Jung. Wie sehr bereitet Ihnen das denn Sorge, dass ausgerechnet zwei antieuropäische Politiker, Sie haben Sie gerade genannt, laut Umfragen so viele Menschen ansprechen?
    Jung: Das bereitet mir große Sorge. Ich finde, wir haben in Deutschland wirklich Anlass, das mit einem sehr sorgenvollen Blick zu begleiten, weil beide ja eigentlich ein deutschfeindliches Programm zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben. Mélenchon hat dafür eigens ein Buch geschrieben, Marine Le Pen propagiert das auf all ihren Veranstaltungen. Da wird Europa, da wird auch die deutsche Politik für die jetzige Krise in Frankreich verantwortlich gemacht. Und dass man mit solchen Parolen offensichtlich doch einen erheblichen Anteil von Wählern gewinnen kann, das muss uns Sorge machen.
    "Macron hat sich bekannt zur deutsch-französischen Partnerschaft"
    Kaess: Aber auch der sozialliberale Emmanuel Macron hat sich deutschlandkritisch geäußert. Er hat gesagt, Deutschlands Exportüberschuss sei falsch, seine wirtschaftliche Stärke in der jetzigen Ausprägung nicht tragbar. Gehört das so ein bisschen zum guten Ton im französischen Wahlkampf, dass man sich eben auch deutschlandkritisch äußert?
    Jung: Ich glaube, man kann das nicht vergleichen. Während Le Pen und Mélenchon einen dezidiert deutschlandkritischen Kurs verfolgen, Deutschland verantwortlich machen für eigentlich alles Übel, vertritt Macron zunächst einmal ja das Gegenteil. Er hat sich bekannt zur deutsch-französischen Partnerschaft, er hat im Übrigen die deutsche Flüchtlingspolitik ganz ausdrücklich gelobt. Er verfolgt gleiche Ziele in Europa. Und er hat nun, wie Sie sagen, allerdings den deutschen Handelsüberschuss kritisiert, der müsse abgebaut werden. Das ist nicht neu, das hat auch schon die Christine Lagarde, die heute Wolfgang Schäuble dazu spricht, als sie Finanzministerin war, die IWF-Chefin, so vertreten. Das ist ein Thema, das die deutsch-französischen Diskussionen immer wieder begleitet. Und da will ich auch dazu sagen, es ist eigentlich nicht der Normalfall, dass Deutschland und Frankreich von vornherein in allen Fragen einig sind, sondern Normalfall ist eher, dass man zunächst auch mal unterschiedliche Positionen hat, dann aber den unbedingten Willen hat, zu Gemeinsamkeiten zu kommen und deshalb am Ende auch zu Kompromissen findet.
    Kaess: Ja, Herr Jung, Sie sagen das ja, dass dieser Vorwurf, was den Exportüberschuss betrifft, nicht neu ist. Sollte Deutschland nicht da tatsächlich auch was ändern?
    Jung: Ich denke, der Schlüssel liegt zunächst bei den Franzosen selbst. Wie entsteht der Handelsüberschuss? Dadurch, dass wir mehr Güter nach Frankreich exportieren, als wir dort einkaufen. Und da ist die entscheidende Frage die der Wettbewerbsfähigkeit, und genau dazu haben ja nun Macron und Fillon Vorschläge gemacht, wie es eben gelingen kann, wie es am Ende gelingen muss, die französische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Und in dem Moment wird es auch gelingen, diesen Handelsüberschuss zu reduzieren – man sieht das an Beispielen wie Irland, man sieht es an Spanien, denen solche entsprechende Strukturreformen gelungen sind –, hier aufzuholen.
    Kaess: Aber gleichzeitig kommt eben dieser Vorwurf immer noch aus Frankreich. Und wenn die deutschen Politiker auf die deutsch-französischen Beziehungen so sehr setzen und auch als Zugpferd für Europa setzen, wäre es dann nicht angebracht, den französischen Nachbarn hier etwas entgegenzukommen?
    Jung: Das eine ist die Frage der Wettbewerbsfähigkeit, das andere ist der Wunsch der Franzosen, dass Deutschland mehr investiert, beispielsweise mehr in Infrastruktur investiert. Christine Lagarde hat ausdrücklich das Thema Breitbandinternet genannt. Da sehe ich durchaus Spielraum, dass wir das tun. Im Übrigen machen wir es aber auch schon. Wir hatten im letzten Jahr einen ganz erheblichen Aufwuchs an Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und in Forschung. Und auf diesem Weg kann man sicherlich weitergehen und so ein Stück weit diese Diskussion auch befrieden.
    "Die Stärke des deutsch-französischen Tandems ist, dass wir in unterschiedliche Richtungen integrieren"
    Kaess: Herr Jung, Sie haben es jetzt gerade schon angesprochen, Macron gilt ja als europafreundlichster Kandidat, und die Beziehungen zu Berlin sind ihm sehr wichtig. Aber auch er will die Eurozone zur Transferunion ausbauen. Können eigentlich Deutschland und Frankreich überhaupt wirtschaftspolitisch jemals auf einen gemeinsamen Nenner kommen?
    Jung: Wir können am Ende zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Die Stärke des deutsch-französischen Tandems ist, dass wir in unterschiedliche Richtungen integrieren. Frankreich hat in wirtschaftspolitischen, in finanzpolitischen Fragen eine Haltung, die manchmal eher vergleichbar ist mit Italien, mit der in Spanien. Deutschland hat eine Auffassung, die eher in Nordeuropa geteilt wird. Und wenn beide am Ende an einen Tisch kommen und man sich auf einen gemeinsamen Weg einigt, dann kommt man auf einen gemeinsamen Nenner. Das ist in der Vergangenheit ja auch immer wieder gelungen, und deshalb bin ich optimistisch, dass das auch in Zukunft geht. Aber ganz entscheidend ist die Entscheidung, die jetzt getroffen wird bei der Wahl am Sonntag und dann in 14 Tagen.
    Kaess: Sagt Andreas Jung von der CDU. Er ist Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Danke schön für Ihre Zeit heute Morgen!
    Jung: Danke schön, Frau Kaess!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.