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Präzise Schwimm-Manöver
Langstrecke oder Turbo: wie Thunfische ihre Flossen steuern

Thunfische sind hoch spezialisierte Langstreckenschwimmer, die auf der Suche nach Nahrung weite Wanderungen durch den Ozean unternehmen. Gleichzeitig sind die Tiere schnell und wendig, wenn sie Beute jagen oder fliehen müssen. Blauflossen-Thunfische bedienen sich dabei eines ganz besonderen Tricks.

Von Magdalena Schmude |
    Thunfischwarm im Mittelmeer.
    Thunfische verändern die Winkel ihrer Flossen, um sich entweder zu stabilisieren oder um eine schnelles Manöver zu schwimmen. (dpa/Murat-Bilecenoglu)
    "Ich weiß noch, dass es uns sehr rätselhaft vorkam, als wir diese seltsamen Strukturen in und an der Rückenflosse das erste Mal entdeckten. Sie wirkten wie die Einzelteile eines großen Puzzles und wir hatten keine Ahnung, was das sein sollte."
    Vadim Pavlov ist studierter Biologe und selbstausgebildeter Ingenieur, wie er sagt. Er untersucht an der Hopkins Marine Station der Stanford University, wie die Flossenform von Fischen an ihr Schwimmverhalten angepasst ist. Doch so etwas wie das Gefäßsystem an der Basis der Rückenflosse eines Thunfisches hatte er bisher bei keinem anderen Fisch gesehen: Eine mit Flüssigkeit gefüllte Kammer, von der ausgehend feine Kanäle die Flosse durchziehen.
    "Erst als uns klar wurde, dass diese Strukturen wie das biologische Analogon eines typischen hydraulischen Systems aussahen, fügten sich alle Teile des Puzzles zusammen. Muskeln, die eine Flüssigkeit zusammenpressen, Gefäße, die den Flüssigkeitsstrom kontrollieren und lenken, und die Flossenstrahlen, die wie Stellglieder wirken und den Druck in mechanische Energie umwandeln. Das war sehr beeindruckend. Wir hatten dann schnell auch die Idee, dass die Hydraulik hilft, Position und Form der Flossen zu verändern. Aber warum braucht der Thunfisch das? Wozu sind diese Bewegungen da?"
    Winkel der Flossen verändert sich
    Die Bauch- und Rückenflossen eines Thunfisches stabilisieren den Körper im Wasser in der Senkrechten, ähnlich wie der Kiel einer Jacht. Wenn der Fisch gleichmäßig gegen den Strom schwimmt, reicht dafür eine relative kleine Fläche. Thunfische senken deshalb die Flossen nach hinten ab, wenn sie lange Strecken schwimmen, um den Wasserwiderstand zu reduzieren. Um zu verstehen, wann das hydraulische System zum Einsatz kommt, machten Vadim Pavlov und seine Kollegen Videoanalysen von Thunfischen, die in einem großen Wasserbecken leben.
    "Sie nutzen die Hydraulik ganz offensichtlich, wenn sie ein schnelles Manöver schwimmen und die Richtung ändern wollen. Zum Beispiel wenn sie jagen oder selbst einem Jäger entkommen müssen. Dann müssen sie ihre Flossen aufstellen, um deren stabilisierende Wirkung voll zu nutzen."
    Der Winkel, in dem die Flossen vom Körper abstehen, verändert sich dabei um bis zu 14 Grad, was auch mit dem bloßen Auge gut zu erkennen ist. Da die aufgestellten Flossen einen höheren Wasserwiderstand erzeugen, wäre es Energieverschwendung, sie während langer, gleichmäßiger Schwimmphasen aufgerichtet zu lassen. Die Hydraulik bietet dem Fisch also eine Möglichkeit, die Flossenposition schnell zu verändern und damit entweder Energie zu sparen oder mehr Stabilität zu erzeugen.
    Lymphsystem hilft der Hydraulik
    Als Steuerflüssigkeit im Inneren der Gefäße dient dabei Lymphflüssigkeit, wie Vadim Pavlov und seine Kollegen herausfanden. "Bisher wusste man nur, dass das Lymphsystem eine Rolle bei der Immunantwort spielt, wenn Infektionen bekämpft werden müssen. Und, dass es bei der Regulation des Wasserhaushaltes in unseren Geweben hilft. Wir haben jetzt gezeigt, dass auch die Kanäle und Gefäße der Hydraulik zum Lymphsystem gehören. Das heißt, wir haben eine bisher unbekannte Funktion des Lymphsystems gefunden."
    Durch ihre Entdeckung neugierig geworden, suchten die Forscher auch bei nahen Verwandten des Thunfischs nach entsprechenden Strukturen. Und tatsächlich: An der Basis der Rückenflossen von bestimmten Makrelenarten und Bonitos fanden sie ebenfalls eine Kammer, die das Flüssigkeitsreservoir für eine hydraulische Steuerung sein könnte. Da auch diese Fische Langstreckenspezialisten sind, vermuten die Forscher, dass die spezielle Art der Flossen-Kontrolle eine Anpassung an diese Lebensweise ist.
    Vadim Pavlov glaubt, dass das System auch ein Vorbild für technische Anwendungen wie Tauch- oder Flugroboter sein könnte. Nach dem Vorbild der Thunfische könnte man deren Steuerflossen flexibler machen und damit die Manövrierfähigkeit verbessern.