Der Salon ist gedrängt voll, das Thema ist hochaktuell: Um Crowdfunding geht es - um Möglichkeiten also, im Internet finanzielle Unterstützer für Ideen zu bekommen. Vorne auf dem Podium sitzen Experten aus der tschechischen Wirtschaft und der Kulturszene, im Publikum sind viele Künstler.
"Crowdfunding ist bekannt geworden, weil zum Beispiel Musiker sich darüber ihr neues Album finanziert haben", sagt der Moderator: "Für wen eignet sich das Modell eigentlich alles?"
Das Café Krasny Ztraty ist einer der wichtigsten Treffpunkte der Prager Künstlerszene. Von der Straße aus wirkt der schmale Raum unscheinbar, aber wer hereinkommt, dem öffnet sich ein Labyrinth von Gängen und Nebenräumen. An den Wänden stellen Fotografen ihre aktuellen Arbeiten aus, an den Tischen sitzen Autoren mit Notizzetteln oder kleine Gruppen, die in Diskussionen vertieft sind. Regelmäßig finden hier Lesungen, Konzerte oder Informationsveranstaltungen statt, wie jene zum Crowdfunding - eben alles, was das Publikum interessiert, sagt Kaffeehausgründer Jan Lacina.
"Wir haben in der nächsten Umgebung drei Uni-Fakultäten: die Film- und die Theaterakademie, dazu noch die Sozialwissenschaftler. Das ist genau unsere Zielgruppe."
In Prag ist die Geschichte der Cafés und der Künstler eng miteinander verwoben. Die Kreativen, die sich hier treffen, haben große Vorgänger: Franz Kafka war regelmäßig Kaffeehausgast, Egon Erwin Kisch versammelte Freunde und Bewunderer um seinen Stammtisch, und auch Max Brod, Franz Werfel und all die anderen großen Literaten der Stadt waren in Kaffeehäusern anzutreffen. Zu ihren Lebzeiten war es vor allem das Café Louvre, in dem sich die jüdisch-deutschsprachigen Künstler trafen - ein elegantes Haus mit Billardsalon und Raucherzimmer. Heute führt Silvio Spohr das Café.
"Die Autoren lebten in den Kaffeehäusern, haben da ihre Ideen gesammelt, fremden Gesprächen und Geschichten gelauscht. Ich bin fest überzeugt: Ohne Cafés hätte es diesen Nährboden nicht gegeben."
Silvio Spohr sitzt an einem der kleinen Tische, die Decke ist fünf Meter hoch und durch den Raum eilen geschäftig die Kellner mit ihren schwarz-weißen Westen. Dass die Prager Künstler sich in den Cafés trafen, weiß Spohr, hatte auch schlicht praktische Gründe:
"Es gab ja noch keine Telefone - wenn Sie jemanden finden wollten und er sich finden lassen wollte, musste er feste Abläufe einhalten. Er war also an diesem und jenem Wochentag immer um die gleiche Uhrzeit in seinem Café."
Später verschob sich mit der neuen politischen Situation auch die Bedeutung der Prager Kaffeehäuser. Als die Kommunisten die Kulturszene unterdrückten, waren es Cafés und Kneipen, die plötzlich zum Umschlagplatz von Nachrichten wurden, weil sie die nötige Anonymität boten. Einer, der davon profitiert hat, ist Jiri Gruntorad. Er war bis 1989 einer der führenden Köpfe in der tschechischen Samizdat-Literatur, einer der illegalen Verleger: Ganze Romane hat er mit seinen Helfern per Schreibmaschine abgetippt; zwölf, dreizehn Durchschläge gab es, aus denen dann die wenigen Bände entstanden. In eingeweihten Kreisen gingen sie von Hand zu Hand - und wer dabei sein wollte, der musste sich gut auskennen mit den Prager Kneipen und Cafés.
"Da hätten Sie zur richtigen Zeit in die richtige Kneipe gehen und dort den richtigen Menschen treffen müssen. Und ob Ihnen das weitergeholfen hätte, hing dann davon ab, ob Sie das Vertrauen dieses Menschen gewinnen konnten. Wenn ja, dann wären Sie wohl in den Kreis gekommen. Aber wir waren natürlich vorsichtig: Für das Verleihen von solchen Büchern kam man damals ins Gefängnis, da gab es Dutzende Prozesse. Das Verleihen allein hat schon gereicht."
Heute sind die Prager Literaten wieder gefahrlos in den Kaffeehäusern unterwegs und sammeln Stoff für ihre Geschichten. Im Café Krasny Ztraty, dem Treffpunkt der jüngsten Künstlergeneration, gehen die Gäste am späten Nachmittag allmählich vom Kaffee zum Bier über. Die Tische seien wie eine Bühne für das Leben, sagt Gründer Jan Lacina.
"Hier sind etliche Lieben entstanden und Trennungen vollzogen worden, erotische Geschichten und so weiter. Unlängst war ich in einem Theater, es war ein zeitgenössisches Stück, und auf einmal kam da unser Café drin vor. Da habe ich gedacht: Jetzt kann ich sterben - wir haben es in die Literatur geschafft, meine Aufgabe ist damit erfüllt!"