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Predigtreihe zur Mondlandung
Winzling im Weltall

"Fly me to the moon" heißt eine Predigtreihe in der Berliner Gedächtniskirche aus Anlass der Mondlandung vor 50 Jahren. Gesprochen wird über Gott und das Weltall, Glaube und Wissen, unvorstellbar Großes und mikroskopisch Kleines.

Von Andreas Meier |
Mondoberfläche: Der US-Astronaut Buzz Aldrin entfaltet auf der Mondoberfläche das "Solar Wind Composition Experiment".
Aus der Mondlandung ergeben sich Fragen zur Stellung des Menschen im Kosmos ( Neil Armstrong/Apollo 11/Nasa/Image scanned by Kipp Teague/dpa )
Auf kaltem Fuß erwischte vor 50 Jahren die erste Mondlandung von Menschen die christliche Theologie. Zu den Millionen begeisterten Fernsehzuschauern gehörte Papst Paul VI. in Rom. Er funkte mitten in der Nacht eine Gratulation an die Astronauten in Apollo 11. Um die Großtat der Astronauten zu unterstreichen, griff der Papst enthusiastisch zum vertrauten Gebetslob der Engel bei der Ankündigung der Geburt Jesu:
"Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden." Paul VI. fuhr fort: "Ehre und Segenswünsche auch Euch, Eroberer des Mondes."
Den Verantwortlichen der katholischen Medien in Deutschland war es nicht geheuer. Sie verschwiegen kurzerhand kommentarlos die Worte des Papstes, die in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" erschienen.
"Je mehr man weiß, desto größer wird das Staunen"
Die Mondfahrt zwingt die christliche Theologie zu klären, wie die Raumfahrt in das himmlische Reich Gottes mit dem biblischen Schöpfungsglauben zu vereinbaren ist. 2019 widmet der Mondlandung am Sonntag vor 50 Jahren eine evangelische Gemeinde in Berlin eine Predigtreihe.
"Ich fand interessant, dass das Staunen darüber, wie wir Menschen sind, über die Zeit hinweg nicht kleiner geworden ist. Je mehr man weiß über den Weltraum und über die Galaxien, die uns umgeben, desto größer wird eigentlich das Staunen", sagt Kathrin Oxen. Sie ist in Berlin Pfarrerin an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Bis zum 24. November findet hier am letzten Sonntag jedes Monats die Predigtreihe "Fly me to the moon" statt. Der Gottesdienst beginnt um 18 Uhr. Oxens Kollege an der Gedächtniskirche Martin Germer formuliert zentrale Fragen:
"Wie nehmen wir eigentlich unsere Stellung als menschliche Wesen auf dem kleinen Planeten Erde in einem abgelegenen Sonnensystem irgendwo in der Galaxis im Verhältnis zum Universum wahr? Und: Wie lässt sich das mit biblischen Gedanken verbinden?"
"Sonne und Mond - das mussten Gottheiten sein"
Alle Religionen und alle Menschen denken über ihren Platz im riesigen Kosmos nach. Der biblische Schöpfungsbericht fiel mitnichten vom Himmel. Martin Germer sagt:
"Die Schöpfungsgeschichte in der Bibel reagiert auf Schöpfungsmythen, die es vorher gegeben hat und denkt sie weiter. Und wir leben heute 2500 Jahre später und haben andere Einsichten über die Entstehung der Welt. Es muss also gefragt werden: Inwieweit sind biblische Schöpfungsvorstellungen für uns leitend? Wo ich sagen würde: Sie können es natürlich nicht in dem Sinne sein, dass wir jetzt das Weltbild von vor 2500 Jahren weiter pflegen müssen."
Martin Germer, Pfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin.
Martin Germer, Pfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin (Deutschlandradio / Sandra Stalinski)
Die Predigtreihe nimmt biblische Aussagen ernst, plappert sie aber nicht nach. Als das biblische Volk Israel besiegt aus seiner Heimat über 1000 Kilometer nach Babylon ins Exil verfrachtet war, studierten seine Priester, wie die babylonische Weltmacht Himmel und Mond verstand.
Martin Germer: "Die Sonne mit ihrer unermesslichen Kraft und der Mond mit seinem geheimnisvollen Wechsel zwischen voller Größe und völligem Verschwinden und mit seinem immer wieder neuen Erscheinen: Das mussten eigenständige Gottheiten sein."
Die Israeliten dachten neu, radikal, anders als die Weltmacht Babylon: In der Exilzeit entstand ihre biblische Schöpfungsgeschichte - in ihr sind Mond und Sonne keine Götter.
Germer: "'Es werden Lichter an der Feste des Himmels', schrieben sie, 'die da scheiden Tag und Nacht' und 'seien Zeichen für Zeiten, Tage und Jahre'. Der Kalender, an dem Menschen sich orientieren können; die Einteilung der Zeit in Wochen, Monate und Jahre: um dem Alltag Struktur zu geben, um Saat und Ernte beizeiten zu planen, auch um Feste zu feiern: Ohne die Sonne, und mehr noch ohne den Mond, gäbe es das nicht."
Der Mensch bleibt ein Winzling
Was Menschen nie gesehen hatten, zeigte nicht nur 1969 die Mondlandung. 1965 veröffentlichte der schwedische Fotograf Lennart Nilsson sein Buch "Ein Kind entsteht". Kathrin Oxen:
"Mit faszinierenden Aufnahmen von Menschlein. Sie scheinen im Mutterleib zu schweben. Eine Reise in das Innere des Menschen und zu seinem Anfang."
Kathrin Oxen predigte über Psalm 8, über uns Menschen als "Winzling im Weltall".
"Da schwebt es, das Menschlein. Durch eine dünne Schnur ist es verbunden mit seiner Versorgungsstation. Sie darf nicht reißen. Dann droht der Tod. Aber das weiß das Menschlein nicht. Es schwebt."
"Von dort oben ist keine Hilfe zu erwarten"
Auch Raumfahrer sind Winzlinge. Aus Stuttgart kam der deutsche Astronaut Reinhold Ewald als Gastprediger in die Gedächtniskirche. Er sprach über "einen großen Schritt für die Menschheit".
Er sagt: "Ja, ich bin im Himmel gewesen, aber nicht im Himmel meines religiösen Kindheitsglaubens, sondern im physikalischen Himmel. Von dort ist keine übernatürliche Hilfe für die Menschen zu erwarten. Sie sind selbst für ihre Zukunft und ihr Wohlergehen verantwortlich."
Menschenwürde ist unbedingt zu achten. Das gilt unabhängig von allen menschlichen Leistungen wie Mondlandungen.
Kathrin Oxen: "Die Krone der Schöpfung zu sein, das ist unsere Würde. Die Krone der Schöpfung zu sein, das ist auch unsere Bürde. Die Bürde ist jetzt, dass wir heute besser wissen, wie die Dinge zusammenhängen und dass insbesondere unser Handeln Konsequenzen hat – das war sicher zu anderen Zeiten einfacher."
"Die Welt ist uns Menschen anvertraut"
Die mit der Erforschung des Mondes verbundenen Entdeckungen beweisen: Das Leben auf unserer Welt, so Martin Germer...
"...ist inzwischen uns Menschen anvertraut. Die hauchdünne Biosphäre, der Erdboden und die oberen Meeresregionen und darüber wenige Kilometer Atmosphäre: Sie sind das, was unserem blauen Planeten beim Blick aus dem Weltall seine zarte Schönheit verleiht. Und sie sind das, was wir auch ohne alles kosmische Zutun zerstören können – wenn wir als Menschheit so weitermachen, wie wir es bisher tun. Oder was wir nach Kräften bewahren können."
Fünf Gottesdienste folgen. Am 22. September um 18 Uhr predigt Martin Germer über das Lied von Matthias Claudius: "Der Mond ist aufgegangen".