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Preise der Leipziger Buchmesse
Das Private und das Politische

Die Gewinner der diesjährigen Preise der Leipziger Buchmesse stehen fest: Anke Stelling wurde in der Sparte Belletristik ausgezeichnet, Harald Jähner in der Kategorie Sachbuch und Eva Ruth Wemme für ihre Übersetzung von "Verlorener Morgen". Kurze Einschätzungen von Literaturkritiker Hubert Winkels.

Hubert Winkels im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
Eva Ruth Wemme, Anke Stelling und Harald Jähner stehen auf einer Bühne.
Die Preise der Leipziger Buchmesse gingen an Eva Ruth Wemme (Übersetzung), Anke Stelling (Belletristik) und Harald Jähner (Sachbuch) (imago / STAR-MEDIA)
Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Belletristik:
Anke Stelling für ihren Roman "Schäfchen im Trockenen"
Hubert Winkels: "Das Buch hat einerseits diesen modischen Charakters des frei gesprochenen Memoirs, einen gewissen frechen, direkten Ton, man tut so als wenn man von sich selbst, den Kindern, dem Alltag [erzählt] - also man ist ganz in den Intimitäten der Person. Zugleich hat Anke Stelling aber ein linkes, soziologisches Denken: Sie denkt alles, was sie privat erlebt, sofort in den Kategorien der Soziologie gleich mit. Also: Welche Gesellschaftsschicht steckt hinter den Leuten, die sie gerade aus ihrer Wohnung entlassen hat? Wie war ihr Elternhaus, dass dazu geführt hat, dass sie nicht in der Lage ist, mit den neo-bourgeoisen Aufsteigern in Berlin mithalten kann?
Ich glaube, das haben viele sehr daran gemocht: Dass das Private eben nicht dauernd als Privates offenbart werden kann, sondern gleichzeitig auch als das Politische, aber im konkreten Sinne - bis hin zu den Mietverhältnissen in Berlin."
Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Sachbuch:
Harald Jähner für das Werk "Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945-1955"
Winkels: "Der Zugang von Harald Jähner ist sehr kurios und gut, weil er versucht, anhand aller möglichen Erzählungen und Dokumente, die er finden kann, zu zeigen - um das mal zuzuspitzen - dass es auch ein Tanz auf den Gräbern war. Also, dass diese Generation, die aus dem Krieg kam, oder die Geflüchteten, oder die aus den Lagern, oder aus Schlesien oder Pommern, die zurückkamen, auch eine echte Lebenslust entwickelt haben.
Auch an diesem sogar Nullpunkt zu sagen: 'Ich muss überleben, ich muss was machen, aus dieser Situation zwischen den Trümmern, ich kann mich jetzt nicht mit Schuld beschäftigen und die Vergangenheit konstruieren. Dazu habe ich überhaupt keine Möglichkeit. Meine Vitalität ist direkt auf den Tag konzentriert.' Insofern ist das eine gegenstrebige Lesart dieser Zeit, und die ist sehr, sehr klug und gut."
Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Übersetzung:
Eva Ruth Wemme für die Übertragung von "Verlorener Morgen" von Gabriela Adamesteanu aus dem Rumänischen
Winkels: "Bei der Auswahl der Bücher für die Übersetzung ist man sehr nah an Osteuropa - was ja in Leipzig sehr häufig der Fall ist. Hier musste man sich einer radikalen, heftigen expressiven Sprache befleißigen - und das scheint mit Bravour gelungen zu sein."