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Preisexplosion in Rio
Bewohner wehren sich mit Protestwährung

Das Omelette in Brasilien hat es zu zweifelhafter Berühmtheit gebracht, denn es kann hier schon einmal über 30 Euro kosten. Damit ist es für Einheimische fast nicht mehr zu bezahlen. Das Leben wird teurer – wenige Monate vor Beginn der Fußball-WM. Jetzt regt sich Protest dagegen. In Rio sorgt die Protestwährung "Surreal" für Furore.

Von Carsten Upadek | 31.03.2014
    Ein Plakat mit der Aufschrift "Rio 2014" hängt im Maracana-Fußballstadion in Rio de Janeiro.
    Nicht alle freuen sich über die Weltmeisterschaft im eigenen Land, schon jetzt explodieren die Preise in Rio de Janeiro. (dpa/epa/efe/Marcelo Sayao)
    In Rio de Janeiro gehört das Strandviertel Copacabana zu den beliebtesten Orten der Stadt - weißer Sand, Blick auf den Zuckerhut. Aber mit dem Genießen ist es für viele Cariocas, die Bewohner von Rio, seit einiger Zeit vorbei. Sie sind verärgert. Denn die Preise sind rasant gestiegen, sagt die Kulturjournalistin Patricia Kalil:
    "Für ein Omelette mit Garnelen bezahlt man hier über 30 Euro, obwohl ein Kilo Garnelen keine sechs Euro kostet und das Päckchen Eier keine 2,50. Ein Omelette für 30 Euro und mehr wäre nicht mal mit goldenen Tellern zu rechtfertigen!"
    Neue Spaßwährung "Surreal" findet viele Anhänger
    Das Omelette hat in Brasilien inzwischen zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Es ist aber nur ein Beispiel für das kollektive brasilianische Gefühl, sich das Leben in den Strandvierteln von Rio kaum noch leisten zu können. Die Preise steigen und die brasilianische Währung verliert seit Monaten an Wert: Im vergangenen Jahr hat der Real rund 13 Prozent zum US-Dollar abgewertet. Inspiriert von einem Artikel kreierte Patricia Kalil deshalb eine neue Währung: den "Surreal". Die Noten sehen aus wie die echten - nur dass darauf ein Porträt des spanischen Surrealisten Salvador Dalí mit seinem geschwungenen Schnurrbart abgebildet ist.
    "Eigentlich war das als Spaß für meine Freunde aus der Kunstszene gedacht, ein interner Scherz!"
    sagt die Designerin. Allerdings hatte sie nicht mit den Folgen gerechnet, als sie die "Surreal"-Bilder online an ihre Freunde schickte. Innerhalb weniger Stunden wurden die Bilder Zehntausende Male in sozialen Netzwerken geteilt. Zu Karneval malten sich einige Leute einen Dalí-Bart und hatten ausgedruckte Surreal-Scheine dabei. Bei Facebook haben sich Gruppen gegründet, die Bilder von überhöhten Preisen posten und dazu auffordern, diese nicht zu bezahlen. Sie sind sie bei mehr als 260.000 Mitgliedern. Im Umlauf sind die Surreal-Scheine aber nicht, auch Patricia Kalil hat nie welche ausgedruckt. Die Idee war eine andere:
    "Ich wollte zeigen, dass der Real immer weniger wert ist. Das Gehalt ist immer schneller alle. Die Mieten im schönen Süden der Stadt sind unerschwinglich geworden, für alle Leute, die ich kenne! Rio wird zum teuren Luxusbadeort für Touristen, die Bewohner fühlen sich abgedrängt!"
    Mietsteigerung um 100 Prozent
    Tatsächlich sind die Mieten an manchen Orten um über 100 Prozent gestiegen. Mit der Fußball-WM ist die Nachfrage nach Wohnraum gestiegen, das Angebot aber nicht. Ebenso bei vielen anderen Produkten. Dazu leiden die Einheimischen unter starken Preiserhöhungen bei Lebensmitteln. Die sind im März 6,16 Prozent teurer geworden. Das hat selbst pessimistische Erwartungen übertroffen. Grund ist eine Dürre Anfang des Jahres. Ökonom Mauro Rouchlin (von der renommierte Getulio Vargas Stiftung) sagt, Brasilien hat gleich mehrere Probleme:
    "Es gibt die zyklischen und die strukturellen: Brasilien leidet unter einer schlechten Infrastruktur, logistischen Problemen, Transport, Lagerung und Bürokratie."
    Die saisonalen Höchstpreise sind zyklisch und werden wieder sinken, sagt er, aber die strukturellen Probleme bleiben.
    "Nach der WM werden Bars und Restaurants ein bisschen billiger: Das Bier, der Caipirinha. Aber ich sehe nicht, dass die Preise stark fallen. Dafür müsste Brasilien vor allem in die Infrastruktur investieren und darin, strukturelle Engpässe zu überwinden."