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Preisverfall
"Ein Zurück zur Milchquote ist nicht die Antwort"

Viele Landwirte in Deutschland leiden unter dem Preisverfall der Milch. Vor einem Treffen in Berlin mit Vertretern der Milchindustrie und des Handels kündigte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) rasche Hilfen für die Bauern an. Ein Zurück zur Milchquote werde es aber nicht geben, sagte Schmidt im DLF.

Christian Schmidt im Gespräch mit Dirk Müller |
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU in der Bundespressekonferenz.
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU. (picture alliance / dpa / Bern von Jutrczenka)
    Wer Qualität haben wolle, bekomme in Zukunft nicht für 46 Cent einen Liter Milch in den Supermärkten. Wenn die Milchpreise im nächsten halben Jahr weiter fielen, könnten viele Bauern in Deutschland nicht mithalten. Es gehe um schnelle Hilfen. Außerdem müsse es beim Handel und den Molkereien eine flexible Mengensteuerung geben.
    Ein Zurück zur Milchquote sei aber nicht die Antwort, betonte Schmidt. 2003 sei das Ende der Quote beschlossen worden. Das sei genug Zeit gewesen, sich darauf einzustellen. Nicht jeder habe das gemacht.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Weniger als 20 Cent für einen Liter Milch, das ist weniger als für stilles Wasser. Das ist aber genau das, was Tausende Bauern in Deutschland für ihr Produkt bekommen. Im Handel geht das Ganze dann zuletzt für 46 Cent über die Theke. Der Milchtrinker dankt, so billig wie noch nie. Aber genau das treibt Tausende Viehhalter in den Ruin. Viele haben Haus und Hof bereits aufgegeben. Es wird viel zu viel produziert und viel zu preiswert eingekauft, damit das Milchsystem weiter funktionieren kann. Deshalb der Gipfel heute in Berlin, um einen Notfallplan auf den Weg zu bringen. Der Milchgipfel in der Hauptstadt. "Alles nur Symptombekämpfung", das kritisiert jetzt schon die Opposition. Initiator des Gipfels ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der uns nun in Berlin zugeschaltet ist. Guten Morgen.
    Christian Schmidt: Ja, hallo!
    Müller: Können Sie uns jetzt hören?
    Schmidt: Ja, guten Morgen. Ich höre Sie.
    Müller: Herr Schmidt, jetzt sind wir auf Sendung, jetzt legen wir los bei uns im Deutschlandfunk. Die erste Frage an Sie: Haben Sie heute Morgen schon ein Glas Milch getrunken?
    Schmidt: Das habe ich getrunken. Ich habe übrigens eine konventionell erzeugte Milch getrunken, die aber im Supermarkt für einen Preis von 89, 99 Cent zu kaufen ist.
    "Die Verbraucher sind grundsätzlich bereit, mehr für Milch zu zahlen"
    Müller: 89, 99 Cent?
    Schmidt: Ja. Nicht 46, wie das leider in vielen Supermarktregalen drinsteht. Das ist ein Preis, der völlig inakzeptabel ist. Inakzeptabel deswegen, weil ja das Preisrisiko bei den Bauern liegt. Wer deutsche Qualitätsmilch haben will, der wird die auf Dauer nicht in den Supermarktregalen in Deutschland finden, wenn er 46 Cent dafür nur in Rechnung stellt. Übrigens will ich dazu sagen: Die Verbraucher, wir alle Verbraucher sind ja grundsätzlich doch bereit, mehr für Milch zu zahlen.
    Müller: Die 46 Cent, die man im Moment bezahlen kann, das ist das Minimum, aber man bekommt ein Angebot dafür. Sagen Sie, hat keine gute Qualität?
    Schmidt: Man hat Qualität, aber man kann auf Dauer mit diesen Preisen nicht in Deutschland produzieren. Das ist das Kernproblem.
    Müller: Also ist die Milch aber genauso gut? Die billige Milch ist genauso gut?
    Schmidt: Ja, billige Milch ist genauso gut, weil sie den Qualitätsstandards entsprechen muss. Aber wenn das ein halbes Jahr, über ein Jahr weiter so geht, dann wird es nicht mehr viele Milchproduzenten geben in Deutschland, die in der Lage sind, wettbewerblich mitzuhalten. Dann kommt die Milch was weiß ich woher und das ist eigentlich doch nicht unser Ziel. Mein Ziel ist, dass ich den deutschen Bauern und der deutschen Qualitätsmilch helfe.
    "Ich bin nicht auf der Suche nach Schuldigen, sondern nach Lösungen"
    Müller: Das ist ein Trend beziehungsweise eine Entwicklung, über die seit Monaten heftig diskutiert wird, seit Jahren sich andeutet. Warum haben Sie so lange nichts unternommen?
    Schmidt: Wir haben ja viel unternommen. Sie haben ja darauf hingewiesen, dass es zum Jahr 2008 Regelungen gab. Im Jahr 2012 wurde das Milchpaket II, nennt sich das - das klingt sehr technisch -, mit auch der Möglichkeit von rechtlichen Organisationsformen, dass sich die Bauern stärken können im Handel, mit entwickelt. Wir müssen aber feststellen und da müssen wir ehrlich zueinander sein, dass all das offensichtlich nicht in Anspruch genommen worden ist. Ich werde jetzt weitere rechtliche Rahmenbedingungen auch schaffen. Die kann ich deswegen, weil ich in Brüssel dieses mit erreicht habe. Die Kommission hat das nun erlaubt. Die Kommission ist übrigens der Herr dieser ganzen Angelegenheit.
    Wenn ich zurückblicke, dann muss ich sagen: Ein Punkt, der berührt mich schon. 2003 wurde das Ende der Milchquote beschlossen. 2003! Wir haben heute das Jahr 2016. Das ist Zeit, wo man sich im Markt einstellen kann. Ich habe den Eindruck, dass nicht jeder diese Zeit wirklich genutzt hat. Und zu glauben, wir sollten wieder zurück zur Milchquotenregelung, dass irgendwo administrativ festgelegt wird, das ist doch nicht die Antwort. Die Antwort muss doch sein, dass so viel Milch produziert wird, dass sie mit guten Preisen gekauft werden kann.
    Müller: Da muss ich jetzt noch mal nachfragen. Wer hat sich wo wann vertan?
    Schmidt: Ich bin doch nicht auf der Suche nach Schuldigen, sondern nach Lösungen.
    "Ich kann den Preis ja nicht festsetzen"
    Müller: Wir sind aber auf der Suche nach Verantwortlichen. Sagen Sie uns, wer was falsch gemacht hat. Sonst kommen wir ja nicht weiter.
    Schmidt: Das will ich ja gerade heute tun und deswegen geht es nicht um Symptome. Es geht um schnelle Hilfen jetzt in der augenblicklichen Situation. Aber es geht vor allem dann auch um den Weg, sich sozusagen im Handel und bei den Molkereien auch noch mal ehrlich zu machen, was man in dem Bereich verändern muss. Flexible Mengensteuerung, strategische Mengensteuerung, die Frage, kann es denn sein, dass produziert wird, produziert wird, produziert wird und jeder Liter Milch abgenommen werden muss, obwohl er gar nicht abgesetzt werden kann. Das kann man schließlich vorher planen.
    Müller: Herr Schmidt, wir waren doch gerade bei der Politik. Entschuldigung, dass ich Sie jetzt noch mal unterbreche. Sagen Sie uns bitte, …
    Schmidt: Herr Müller, ich kann den Preis ja nicht festsetzen.
    Müller: Nein, das weiß ich.
    Schmidt: Das wollen wir doch einmal festhalten, wenn ich mir das erlauben darf. Es müssen alle mithelfen. Ich brauche hier ein Verantwortungsbündnis.
    Müller: Verantwortungsbündnis! - Sie haben eben gesagt Brüssel. Das heißt, Europa hat dafür gesorgt, dass immer mehr produziert wird. Ein riesenfataler Fehler, wie Sie jetzt sagen?
    Schmidt: Nein, nein!
    "Ich will, dass die Bauern zukünftig auf Augenhöhe in den Preisverhandlungen sind"
    Müller: Warum haben Sie das mitgemacht? Warum haben Sie das zugelassen?
    Schmidt: Jetzt sind Sie schon wieder dabei, wenn ich das sagen darf, Herr Müller, wie alle in der Diskussion, wer hat was zugelassen. Die Produktion ist in Zeiten, in denen sie sehr gut bezahlt worden ist, auch kräftig nach oben gegangen. Vor zwei Jahren war der Milchpreis doppelt so hoch. Da war natürlich der Anreiz, noch mehr zu produzieren. Ich habe im letzten Jahr beim Auslaufen, beim endgültigen Auslaufen der Milchquote öffentlich appelliert, nicht ein Feuerwerk der Produktion zu entzünden. Leider ist mir da nicht von allen gefolgt worden. Und jetzt ist die Situation, dass wir alle miteinander uns zusammensetzen müssen, das tue ich heute, um für die Landwirtschaft ein erträgliches Auskommen zu erreichen, und zwar eines, das gemeinsam mit den Molkereien stattfinden muss. Ich will, dass die Bauern auf Augenhöhe in den Preisverhandlungen zukünftig sind.
    Müller: Haben die Bauern den Fehler gemacht, immer mehr zu produzieren, immer mehr zu liefern?
    Schmidt: Nein, sie haben nicht den Fehler gemacht. Sie konnten gar nicht anders, weil eine Ausdehnung der Produktion bei sinkenden Preisen dazu die eigentliche Antwort für sie war, betriebswirtschaftlich einigermaßen noch über die Runden zu kommen. Dass sie damit prozyklisch allerdings das Problem verstärkt haben, das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Das ist eine Konsequenz und über diese Konsequenz, da müssen wir reden. Das ist alles ein bisschen komplizierter, als mit schnellen Worten das zu sagen, und ich bemühe mich, so verstehe ich mich, so ist mein Politikverständnis. Ich will ja nicht schnell was da hinhauen, sondern ich will Strukturen schaffen, dass in zwei, drei Jahren solche Dinge nicht mehr passieren. Da brauchen wir natürlich auch eine staatliche Unterstützung. Wir müssen überlegen, ob wir von Pufferfonds sprechen.
    "Wir müssen den Markt in Verantwortung nehmen"
    Müller: Herr Schmidt, wir haben gestern ein Plakat gesehen der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Sie waren dadrauf, Ihr Konterfei, blind, arrogant, einfallslos und überflüssig. Warum haben Sie sich so weit entfernt von diesen Milchviehhaltern, von den Bauern?
    Schmidt: Fragen Sie doch mal umgekehrt, wieso die sich so von mir entfernt haben. Wissen Sie, auf jede Dummheit und auf jede Unflätigkeit muss ich doch nicht reagieren. Ich bin auch jemand, der schon den Anspruch erhebt, dass er übrigens auch das alles liest, was vom BDM gesagt wird. Die haben in vielen Punkten Recht. Die Antwort ist eindimensional, weil sie nur auf eine starre Mengensteuerung hingeht. Das will ich nicht. Ich glaube, wir müssen den Markt in Verantwortung nehmen. Aber im Übrigen möchte ich mal sagen: Grundsätzlich im Eifer des Gefechts haut mancher manchmal über die Strenge drüber. Ich sehe es dem BDM nach, empfehle allerdings, wenn man miteinander reden will, dann soll man sich von Unflätigkeiten mal entfernen.
    Müller: Jetzt haben wir noch 20 Sekunden. Sie haben auch die Zeit vor sich, 7:29 Uhr. Noch 15 Sekunden, Herr Schmidt. Wird ab morgen die Milch teurer?
    Schmidt: Ich hoffe! Ich arbeite daran.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Danke, dass Sie Zeit gefunden haben. Auf Wiederhören nach Berlin.
    Schmidt: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.