Hartz IV lautet das Schreckgespenst für viele Deutsche. Ob jung oder alt, ungelernt oder gut gebildet. Treffen kann es alle. Derzeit mehr als viereinhalb Millionen Bundesbürger. Und viele wünschen sich nur eins:
Frau: "Arbeit. Arbeit bekommen. Dafür mach ich ja die Umschulung. Aber ob ich’s gepackt hab, ist die andere Frage."
Mit Arbeit allein, ist es allerdings nicht getan.
Frau: "Ja die aber auch ordentlich bezahlt wird. Denn das nutzt ja nichts, wenn sie arbeitet, wie viele auch aber denn trotzdem noch Harzt IV beziehen muss, weil die Arbeit das Geld nicht ausreichend ist."
Genau da liegt der Knackpunkt. Mini- und Ein-Euro-Jobs, Teilzeit- und Leiharbeit und Scheinselbständigkeit und befristete Verträge sind in Deutschland auf dem Vormarsch.
Mann: "Hatte jetzt schon was für 4,80 Euro. Da bin ich nicht mal mit dem Fahrgeld hingekommen. Da hatte ich zum Schluss mehr Ausgaben wie Einkommen."
Prekär lautet der Fachbegriff für solche Arbeitsverhältnisse, Prekarität bezeichnet die daraus resultierende neue soziale Ungleichheit, sagt der Soziologe Dr. Berthold Vogel. Er ist Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen und Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Prekarität, ein Lehnwort aus dem Lateinischen, bedeutet, aus Gnade, auf Widerruf, unbeständig.
"Das heißt, offensichtlich handelt es sich bei Prekarität um soziale Situationen, in denen man mehr oder weniger der Willkür, dem Zufall, den Kontingenzen des Lebens ausgeliefert ist. Und diese fehlende Verfügbarkeit über die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Ich glaube, das ist auch n ganz wesentliches Merkmal von Prekarität, meint im Kern zunächst mal tatsächlich unverbindliche, unsichere, fragile, brüchige Beschäftigungsverhältnisse."
Seit im Januar 2005 Hartz IV in Kraft trat, haben sich die Strukturen in der Arbeitswelt und Gesellschaft verändert. Am Hamburger Institut für Sozialforschung wurden nun prekarisierte Erwerbsbiografien von – so der Titel – "Menschen am Rande der Hilfebedürftigkeit" genauer unter die Lupe genommen. Fünf Jahre lang wurden einhundertfünfzig Personen aus ganz Deutschland intensiv befragt und begleitet. Eine der untersuchenden Wissenschaftlerinnen ist die Diplom Sozialwirtin Natalie Grimm
"Man würde ja denken die Hartz IV Leute, die haben alle nichts mehr mit Erwerbsarbeit am Hut. das stimmt aber gar nicht. Die arbeiten in Minijobs, die machen so Zuverdienste. Das heißt, die sind immer wieder zwischendurch beschäftigt. Das können wir wirklich sagen, dass wir da eine wahnsinnige Vielfalt gesehen haben und eine hohe Dynamik und vor allen Dingen eine sehr hohe Aktivität von Seiten der Betroffenen."
Trotz dieser Aktivitäten schaffen es nur etwa zehn Prozent der Betroffenen wieder einen stabilen Einstieg in die Arbeitswelt zu finden, sagt Natalie Grimm. Die anderen pendeln immer zwischen Leistungsbezug und Erwerbsarbeit hin und her. Eine typische Biografie von vielen:
"Stellen sie sich einen 47-jährigen Bauarbeiter vor aus Ostdeutschland, der bis Ende der 90er-Jahre stabil beschäftigt war und dann eben arbeitslos wird. Der hat dann erst mal eine Karriere in dem Sinn, dass er Umschulung gemacht hat beziehungsweise ABM. Und dann 2005 in Arbeitslosengeld 2 gerutscht ist. Der ist verheiratet hat Kinder. Die Ehefrau ist auch erwerbslos. Das heißt, die haben einen relativen Abstieg hinter sich."
Weil die Arbeitsagentur ihm keinen Job vermitteln kann, hält der Mann sich mit Ein-Euro-Jobs über Wasser, sucht dann auf eigene Faust Arbeit im Ausland. Für immer neuen Leiharbeitsfirmen kann er in Holland arbeiten. Stundenlohn 6,80 Euro.
"Er muss die Fahrtkosten selber tragen, die Unterkunft. Das geht gerade nur, weil seine Ehefrau gerade eine Arbeit hat. Aber die ist nur befristet. Das heißt, sie verliert sie wieder. wenn sie dann wieder in Arbeitslosengeld 2-Bezug rutscht. Lohnt sich quasi die ganze Chose nicht mehr für die ganze Familie."
Viele der befragten Personen fühlen sich wie in einem Hamsterrad gefangen, resümiert Natalie Grimm.
"Das heißt, sie bewegen sich, sie tun, sie sind mobil, sie ziehen auch um. Sie sind zu ganz vielen Abstrichen bereit. Also sie verzichten auf Einkommen, was sie sich wünschen. Sie nehmen Jobs an, die unter ihrer eigentlichen beruflichen Qualifikation liegen. Und trotzdem bringt es sie nicht an das Ziel dauerhaft beschäftigt zu sein."
Schließlich, so ein Ergebnis der Studie, richten sich die Menschen am Rande der Hilfebedürftigkeit darauf ein, nur kurzfristige Jobs zu bekommen.
"Und man würde ja denken, dass die vielleicht resignieren. Das stellen wir aber gar nicht fest. Eigentlich dreht sich die Spirale immer weiter. Sie bleiben aktiv oder werden immer aktiver, um irgendwie noch mitmachen zu können in der Erwerbsarbeitsgesellschaft."
Die Arbeitsmarktpolitik nach Hartz IV bewirkt, laut Studie eine stärkere soziale Ungleichheit in den Betrieben. Leute aus der Stammbelegschaft arbeiten Seite an Seite mit Leiharbeitern, Minijobbern und befristet Beschäftigten. Auch die Stammbelegschaft spürt, dass sich in der Arbeitswelt Einschneidendes verändert. Dass auch ihr Status nicht mehr sicher ist.
Berthold Vogel: "Dass man sich möglicherweise auf bisherige Karrieren, erworbene Zertifikate auf bisher gelungene Erwerbsbiografien nicht mehr in der Art und weise verlassen kann, wie das früher der Fall war. Ich vergleiche das gerne mit der Homöopathie. Also bereits eine kleine Dosis Leiharbeit reicht aus, um in einem Betrieb tatsächlich das soziale Klima, das betriebliche Klima auf eine grundsätzliche Art und Weise verändert."
Die Arbeitsverhältnisse in Deutschland, so ein Ergebnis der Wissenschaftler, werden immer unverbindlicher. Das gilt nicht nur für gering Qualifizierte oder ältere Arbeitnehmer. Der Druck steigt und macht auch vor den grundsoliden klassischen Mittelstandsberufen nicht halt.
"Kaufmännische Angestellte, Industriefacharbeiter, die sich weiter entwickeln konnten in Meisterberufe hinein. Also da merken wir, dass in diesen klassischen Mittelstandsbereichen, dass da diese Nervosität und Unruhe doch auf eine sehr markante Art und Weise angekommen ist."
Fazit der Langzeitstudie: Hartz IV mobilisiert insofern, als immer mehr Menschen bereit sind, prekäre Arbeitsverhältnisse einzugehen, das Damoklesschwert Hartz IV setzt beim Einzelnen enorm viel Energie frei.
"Auf der anderen Seite ist es auch besorgniserregend, wie sehr stark die Leute eigentlich nur noch über Erwerbsarbeit nachdenken, nur noch am Kämpfen sind darum, irgendwie in der Erwerbsarbeit ihren Platz zu finden. Das glaub ich, ist auch eine ausgesprochen problematische Entwicklung mit der wir da konfrontiert sind."
Frau: "Arbeit. Arbeit bekommen. Dafür mach ich ja die Umschulung. Aber ob ich’s gepackt hab, ist die andere Frage."
Mit Arbeit allein, ist es allerdings nicht getan.
Frau: "Ja die aber auch ordentlich bezahlt wird. Denn das nutzt ja nichts, wenn sie arbeitet, wie viele auch aber denn trotzdem noch Harzt IV beziehen muss, weil die Arbeit das Geld nicht ausreichend ist."
Genau da liegt der Knackpunkt. Mini- und Ein-Euro-Jobs, Teilzeit- und Leiharbeit und Scheinselbständigkeit und befristete Verträge sind in Deutschland auf dem Vormarsch.
Mann: "Hatte jetzt schon was für 4,80 Euro. Da bin ich nicht mal mit dem Fahrgeld hingekommen. Da hatte ich zum Schluss mehr Ausgaben wie Einkommen."
Prekär lautet der Fachbegriff für solche Arbeitsverhältnisse, Prekarität bezeichnet die daraus resultierende neue soziale Ungleichheit, sagt der Soziologe Dr. Berthold Vogel. Er ist Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen und Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Prekarität, ein Lehnwort aus dem Lateinischen, bedeutet, aus Gnade, auf Widerruf, unbeständig.
"Das heißt, offensichtlich handelt es sich bei Prekarität um soziale Situationen, in denen man mehr oder weniger der Willkür, dem Zufall, den Kontingenzen des Lebens ausgeliefert ist. Und diese fehlende Verfügbarkeit über die eigenen Handlungsmöglichkeiten. Ich glaube, das ist auch n ganz wesentliches Merkmal von Prekarität, meint im Kern zunächst mal tatsächlich unverbindliche, unsichere, fragile, brüchige Beschäftigungsverhältnisse."
Seit im Januar 2005 Hartz IV in Kraft trat, haben sich die Strukturen in der Arbeitswelt und Gesellschaft verändert. Am Hamburger Institut für Sozialforschung wurden nun prekarisierte Erwerbsbiografien von – so der Titel – "Menschen am Rande der Hilfebedürftigkeit" genauer unter die Lupe genommen. Fünf Jahre lang wurden einhundertfünfzig Personen aus ganz Deutschland intensiv befragt und begleitet. Eine der untersuchenden Wissenschaftlerinnen ist die Diplom Sozialwirtin Natalie Grimm
"Man würde ja denken die Hartz IV Leute, die haben alle nichts mehr mit Erwerbsarbeit am Hut. das stimmt aber gar nicht. Die arbeiten in Minijobs, die machen so Zuverdienste. Das heißt, die sind immer wieder zwischendurch beschäftigt. Das können wir wirklich sagen, dass wir da eine wahnsinnige Vielfalt gesehen haben und eine hohe Dynamik und vor allen Dingen eine sehr hohe Aktivität von Seiten der Betroffenen."
Trotz dieser Aktivitäten schaffen es nur etwa zehn Prozent der Betroffenen wieder einen stabilen Einstieg in die Arbeitswelt zu finden, sagt Natalie Grimm. Die anderen pendeln immer zwischen Leistungsbezug und Erwerbsarbeit hin und her. Eine typische Biografie von vielen:
"Stellen sie sich einen 47-jährigen Bauarbeiter vor aus Ostdeutschland, der bis Ende der 90er-Jahre stabil beschäftigt war und dann eben arbeitslos wird. Der hat dann erst mal eine Karriere in dem Sinn, dass er Umschulung gemacht hat beziehungsweise ABM. Und dann 2005 in Arbeitslosengeld 2 gerutscht ist. Der ist verheiratet hat Kinder. Die Ehefrau ist auch erwerbslos. Das heißt, die haben einen relativen Abstieg hinter sich."
Weil die Arbeitsagentur ihm keinen Job vermitteln kann, hält der Mann sich mit Ein-Euro-Jobs über Wasser, sucht dann auf eigene Faust Arbeit im Ausland. Für immer neuen Leiharbeitsfirmen kann er in Holland arbeiten. Stundenlohn 6,80 Euro.
"Er muss die Fahrtkosten selber tragen, die Unterkunft. Das geht gerade nur, weil seine Ehefrau gerade eine Arbeit hat. Aber die ist nur befristet. Das heißt, sie verliert sie wieder. wenn sie dann wieder in Arbeitslosengeld 2-Bezug rutscht. Lohnt sich quasi die ganze Chose nicht mehr für die ganze Familie."
Viele der befragten Personen fühlen sich wie in einem Hamsterrad gefangen, resümiert Natalie Grimm.
"Das heißt, sie bewegen sich, sie tun, sie sind mobil, sie ziehen auch um. Sie sind zu ganz vielen Abstrichen bereit. Also sie verzichten auf Einkommen, was sie sich wünschen. Sie nehmen Jobs an, die unter ihrer eigentlichen beruflichen Qualifikation liegen. Und trotzdem bringt es sie nicht an das Ziel dauerhaft beschäftigt zu sein."
Schließlich, so ein Ergebnis der Studie, richten sich die Menschen am Rande der Hilfebedürftigkeit darauf ein, nur kurzfristige Jobs zu bekommen.
"Und man würde ja denken, dass die vielleicht resignieren. Das stellen wir aber gar nicht fest. Eigentlich dreht sich die Spirale immer weiter. Sie bleiben aktiv oder werden immer aktiver, um irgendwie noch mitmachen zu können in der Erwerbsarbeitsgesellschaft."
Die Arbeitsmarktpolitik nach Hartz IV bewirkt, laut Studie eine stärkere soziale Ungleichheit in den Betrieben. Leute aus der Stammbelegschaft arbeiten Seite an Seite mit Leiharbeitern, Minijobbern und befristet Beschäftigten. Auch die Stammbelegschaft spürt, dass sich in der Arbeitswelt Einschneidendes verändert. Dass auch ihr Status nicht mehr sicher ist.
Berthold Vogel: "Dass man sich möglicherweise auf bisherige Karrieren, erworbene Zertifikate auf bisher gelungene Erwerbsbiografien nicht mehr in der Art und weise verlassen kann, wie das früher der Fall war. Ich vergleiche das gerne mit der Homöopathie. Also bereits eine kleine Dosis Leiharbeit reicht aus, um in einem Betrieb tatsächlich das soziale Klima, das betriebliche Klima auf eine grundsätzliche Art und Weise verändert."
Die Arbeitsverhältnisse in Deutschland, so ein Ergebnis der Wissenschaftler, werden immer unverbindlicher. Das gilt nicht nur für gering Qualifizierte oder ältere Arbeitnehmer. Der Druck steigt und macht auch vor den grundsoliden klassischen Mittelstandsberufen nicht halt.
"Kaufmännische Angestellte, Industriefacharbeiter, die sich weiter entwickeln konnten in Meisterberufe hinein. Also da merken wir, dass in diesen klassischen Mittelstandsbereichen, dass da diese Nervosität und Unruhe doch auf eine sehr markante Art und Weise angekommen ist."
Fazit der Langzeitstudie: Hartz IV mobilisiert insofern, als immer mehr Menschen bereit sind, prekäre Arbeitsverhältnisse einzugehen, das Damoklesschwert Hartz IV setzt beim Einzelnen enorm viel Energie frei.
"Auf der anderen Seite ist es auch besorgniserregend, wie sehr stark die Leute eigentlich nur noch über Erwerbsarbeit nachdenken, nur noch am Kämpfen sind darum, irgendwie in der Erwerbsarbeit ihren Platz zu finden. Das glaub ich, ist auch eine ausgesprochen problematische Entwicklung mit der wir da konfrontiert sind."