Ein Bild, das sich vielen Cineasten eingebrannt hat: Audrey Hepburn steht als zierliches Party-Girl Holly Golightly im schwarzen Givenchy-Abendkleid frühmorgens in der New Yorker Fifth Avenue vor der Marmor-Fassade des Nobel-Juweliers Tiffany. Während sie an einem Coffee to go nippt und durch ihre übergroße Sonnenbrille sehnsüchtig die Schmuck-Auslagen betrachtet, wird sie nur begleitet von Henry Mancinis melancholischem Titel-Soundtrack "Moon River". So beginnt einer der unumstrittenen Klassiker des "romantischen" Hollywood-Kinos.
Von Hollywoods prüden Sittenwächtern zensiert
Als "Frühstück bei Tiffany" am 6. Oktober 1961 in den amerikanischen Kinos begeistert aufgenommen wurde, war einer mit der Umsetzung des Kurz-Romans von Truman Capote nicht einverstanden: Capote selbst. Als bizarrer Mittelpunkt der snobistischen New Yorker High Society hatte er in seiner Buch-Vorlage satirische Einblicke in diese dekadent-feierwütige Schickeria geliefert. Im Film sah er davon nur noch wenig. Die Produzenten hatten sich den prüden Sittenwächtern des Hollywood-Kinos unterwerfen müssen. Für den jungen Regisseur Blake Edwards aber war der Film ein Karrieresprung:
"Ich habe das Drehbuch geliebt. Um diesen Film machen zu können, wäre ich auch über den Walk of Fame gekrochen. Das ist einfach eine große Chance für mich gewesen."
Besuche bei Tiffany als Antidepressivum
Edwards und sein Drehbuchautor entschärften alles, was zu anrüchig war. Kleine Anspielungen blieben: Aus dem leichten Escort-Mädchen, das sich ihre Dienste bezahlen lässt, wird das liebenswerte Party-Girl Holly, das von gutsituierten Herren für die Toiletten-Benutzung in ihrer Wohnung gerne 50 Dollar nimmt. Aus dem schwulen nachbarlichen Freund wird der heterosexuelle, erfolglose Schriftsteller Paul, der sich in sie verliebt und dem sie bald anvertraut, dass nur Besuche bei Tiffany ihre Depressionen lindern:
"Ist es nicht fantastisch. Verstehst Du, dass ich immer das Gefühl habe, dass mir hier nie etwas Böses passieren kann. Nicht, dass ich mir was aus Schmuck mache. Höchstens aus Brillanten natürlich."
Eine Aufstiegsgeschichte
Und auch, wenn sie sich zu Paul hingezogen fühlt, ordnet Holly, die aus armen Verhältnissen stammt, doch alles dem Ziel unter, einen reichen Mann zu finden: "Das verstehst Du nicht, Schätzelchen, übermorgen bin ich schon die Frau des zukünftigen Präsidenten von Brasilien."
Die Vorstellung von Weiblichkeit ganz und gar verändert?
Die zierliche, zerbrechlich wirkende Hepburn entsprach so gar nicht dem US-amerikanischen Frauenbild: Sie verkörperte etwas elegant Europäisches, das sie auch einem Freund, dem französischen Modeschöpfer Hubert de Givenchy, verdankte. Für Hepburn entwarf Givenchy die Kostüme in vielen ihrer Filme – und damit weit mehr, wie er später befand:
"Das war immerhin die Zeit der weiblichen Stars mit den bedeutenden Busen. Als Audrey nun auftrat, fast wie ein Knabe, fast platt, das war, wenn man so will, eine Art Revolution. Plötzlich war da eine neue Mode. Die Vorstellung von Weiblichkeit hat sich durch sie ganz und gar verändert."
Ursprünglich war Marilyn Monroe für die Rolle vorgesehen, aber man riet ihr ab, ein leichtes Mädchen zu spielen. Und so wurde Hepburn als zweite Wahl von Filmkritikern zur "besten Fehlbesetzung aller Zeiten" gekürt.
Vor allem ihr auf dem Fenstersims ihrer Wohnung vorgetragener "Moon River"-Song begeisterte und wurde mit dem Oscar für den besten Film-Song belohnt. Er offenbart die Grundstimmung der sowohl leichtfüßigen als auch schwermütigen Tragikomödie: Hollys verzweifelte Suche nach Lebenssinn.
Ihr Sohn Sean Hepburn erinnerte sich: "Nach der ersten Vorführung, als der Studiomanager sagte, dieser dämliche Song muss aber raus, da sprang sie auf und rief: 'Nur über meine Leiche!' Denn sie wusste, das war einer ihrer großen Momente."
Während in Capotes Roman das Ende offenbleibt, sich Heiratspläne mit einem reichen Brasilianer zerschlagen und Holly in eine ungewisse Zukunft nach Südamerika ausreist, finden in Blake Edwards Film Holly und Paul doch noch zueinander - ein Happy End, so romantisch kitschig, wie nur Hollywood es erfinden kann.