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Premierminister: "Starke Anzeichen, dass es sich um einen terroristischen Zwischenfall handelt"

Gestern wurde in Südostlondon in der Nähe seiner Kaserne ein Soldat von zwei bewaffneten Männern mit Macheten angegriffen und getötet. Heute Vormittag tagte der Nationale Krisenstab Cobra unter Vorsitz von Premierminister David Cameron, der einen Terrorakt nicht ausschließt.

Von Jochen Spengler |
    Die beiden festgenommenen und verletzten Terrorverdächtigen haben die Nacht unter strenger Bewachung in verschiedenen Krankenhäusern verbracht. Der Gesundheitszustand des einen sei kritisch, heißt es.

    Noch gestern abend war der nationale Krisenstab Cobra einberufen worden, dem Spitzenpolitiker, Scotland Yard und Geheimdienste angehören; er versuchte, sich einen ersten Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Heute vormittag tagte Cobra zum zweiten Mal, nun unter Vorsitz des Premierministers David Cameron.

    Cameron hatte gestern von einem zutiefst abscheulichen Überfall und einem Terroranschlag gesprochen.

    "Es ist ein schreckliches Verbrechen. Wir und die Polizei untersuchen intensiv die genauen Umstände des Falls. Aber es gibt starke Anzeichen, dass es sich um einen terroristischen Zwischenfall handelt. Menschen in jeder Gemeinde Großbritanniens werden, da bin ich sicher, diesen Anschlag zutiefst verurteilen. Wir hatten die Art Angriffe schon früher in unserem Land und wir werden uns ihnen niemals beugen. "

    Die Nacht über und auch am heutigen Morgen sicherten Polizisten weiter Spuren am Tatort in Woolich in Südostlondon; dort war gestern nachmittag ein junger britischer Soldat in Zivil in der Nähe seiner Kaserne von den zwei mutmaßlichen Tätern mit einem Auto angefahren worden. Dann wurde das Opfer von ihnen auf die Fahrbahn gezerrt und unter dem Ruf "Allau Akbar – Gott ist Groß" - mit Küchenmessern und Fleischerbeilen auf offener Straße abgeschlachtet. Anschließend wandte sich einer der Täter mit einer politischen Suada an Schaulustige.

    "Ich entschuldige mich dafür, dass Frauen dies haben mitansehen müssen. Aber in unserem Land müssen sich unsere Frauen dasselbe anschauen. Ihr Leute werdet niemals sicher sein. Jagt Eure Regierung fort – sie kümmert sich nicht um Euch.
    Ihr denkt David Cameron wird in den Straßen gejagt, wenn wir unser Waffen sprechen lassen? Dass Politiker sterben müssen. Nein, es wird den normalen Briten treffen, Euch und Eure Kinder."

    Eine mutige Zeugin wollte dem Opfer helfen und stellte einen Angreifer zur Rede.

    "Er sagte, faß ihn nicht an, ich habe ihn getötet. Ich sagte: warum? Weil er ein britischer Soldat ist. Er hat Muslims in muslimischen Ländern getötet. ich habe dann das Schlachtermesser und das Beil gesehen und Blut überall an ihm und dachte: was um Himmels Willen ist hier passiert. Okay, ich war natürlich ein wenig aufgeregt, aber ich musste mit ihm reden."

    Vergeblich bat sie ihn darum, ihr seine Waffen zu geben. Die beiden Männer warteten nach der Tat ruhig auf die Polizei, die zwanzig Minuten später eintraf und beide Attentäter niederschoss.

    Vereinzelt kam es in der vergangenen Nacht zu Zwischenfällen; Polizisten und Moscheen wurden von Rechtsradikalen mit Flaschen attackiert. Es gab zwei Festnahmen.
    Politiker wie Londons Bürgermeister Boris Johnson riefen zu Ruhe und Besonnenheit auf:

    Die Londoner sollten sich vom Verhalten der Menschen in Woolich gestern inspirieren lassen, die so einen erstaunlichen Mut zeigten bei einem schrecklichen Ereignis und den Mördern die Stirn boten.

    Muslim-Verbände distanzierten sich und brachten ihren Abscheu zum Ausdruck.

    Die entscheidende Frage für die Sicherheitsbehörden bleibt, ob es sich bei den beiden um Einzeltäter handelt oder ob sie Teil einer größeren Gruppe mit Verbindungen zu Al Kaida sind. Unklar ist bislang, ob sie der Polizei oder den Geheimdiensten bekannt waren. Zwar wurde die Bewachung sensibler Einrichtungen und von verstärkt; die Terrorwarnstufe in Großbritannien wurde bislang aber nicht erhöht – die Bedrohungslage gilt unverändert als "beträchtlich"