Regierungskritische türkische Journalisten, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, sind aus Sicht des DJV gefährdet. Zum einen gebe es eine allgemeine Situation der Bedrohung und der Beobachtung, sagte DJV-Vorsitzende Frank Überall im Gespräch mit #mediasres. Zum anderen beunruhigten ihn konkrete Vorfälle.
Der in Deutschland lebende Ex-Chefredakteur der türkischen regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" Can Dündar solle mit einem Fahndungsaufruf von der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation Interpol gesucht werden. Werde dem Aufruf gefolgt, dann könne Dündar von jeder Polizeistreife festgenommen werden, so Überall.
Darüber hinaus beunruhigten ihn aktuell auch Meldungen aus dem Kosovo. Dort waren in der vergangenen Woche sechs mutmaßliche Mitglieder der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen in einer Geheimaktion an die Türkei ausgeliefert worden. Ihnen werde vorgeworfen, für den Putschversuch in der Türkei vom Juli 2016 verantwortlich zu sein.
"Definitiv noch nichts beim Besten"
Dass der Geheimdienst in Deutschland aktiv sei, stehe außer Frage und sei aktenkundig, sagte Überall. Er habe die Befürchtung, dass Journalisten unter Druck geraten könnten, wenn die Bundesregierung keine klare Haltung hierzu zeige.
Die Freilassung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel sei nur ein kleines Zeichen für die Verbesserung der Situation für Journalisten. Mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten säßen noch in der Türkei und auch der Fall Yücel sei noch nicht beendet. Das Vorgehen der Türkei habe nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun: Es gebe willkürliche Vorwürfe und es sei "definitiv noch nichts beim Besten".
Im Einzelfall könne der deutsche Staat, wenn es einen berechtigten Verdacht der Verfolgung gebe, Polizisten vor den Wohnungen von Journalisten stationieren, meint Überall. Zudem sei es eine politische Entscheidung, ob man internationale Haftbefehle wie im Falle von Dündar umsetzen müsse. Die Bundesregierung solle sich frühzeitig darauf einrichten, dass hier Fragen kommen könnten. Wo keine klaren Beweise vorlägen, müsste sie solche Anliegen von der türkischen Regierung klar zurückweisen.