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Pressefreiheit
Hausverbot in Burladingen

Bürgermeister Harry Ebert verweigert der lokalen Presse in Burladingen auf der Schwäbischen Alb die Zusammenarbeit. Mehr noch: Reporter, die nicht in seinem Sinne schreiben, bekommen unter anderem Hausverbot. Aus Sicht des DJV ein klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit.

Von Katharina Thoms |
    Harry Ebert, Bürgermeister und AfD-Mitglied steht vor dem Rathaus.
    Der Bürgermeister Harry Ebert hat einer Reporterin Hausverbot erteilt. (dpa / Sina Schuldt)
    Vor ein paar Monaten kam der Brief - an die Lokal-Redaktion des Schwarzwälder Boten. Vom Bürgermeister aus Burladingen - einer 12.000 Einwohnergemeinde auf der Schwäbischen Alb: Hausverbot für Mitarbeiter des Schwarzwälder Boten. Sie sollten auch nicht mehr über städtische Einrichtungen berichten. Wenn doch, schrieb Harry Ebert, dann würde er das strafrechtlich verfolgen lassen. Kopfschütteln beim Chefredakteur der Zeitung, Hans-Peter Schreijäg:
    "Es war auch uns auf den ersten Blick deutlich, dass es hier um evident rechtswidrige Androhungen ging. Und wir haben dann gesagt: So jetzt ist ein Punkt erreicht, wo wir klar machen müssen, dass auch ein Bürgermeister sich an die Regeln zu halten hat."
    Verstoß gegen die Pressefreiheit
    Für die Landeschefin des Deutschen Journalistenverbands (DJV) in Baden-Württemberg eine ganz klare Drohung gegen die Pressefreiheit.
    "Wenn ein Behördenleiter oder in diesem Fall ein Bürgermeister sich zur Zensurinstanz aufschwingt, dann verstößt das gegen das Grundgesetz," sagt Dagmar Lange.
    Die Zeitung schaltet einen Rechtsanwalt ein. Der Burladinger Bürgermeister muss seine Drohung zurückziehen. Widerwillig. Das gibt er dem Deutschlandfunk zu verstehen – schriftlich. Denn zu einem Interview ist Ebert nicht bereit:
    "Das Betretungsverbot war sicherlich etwas unglücklich formuliert und wurde deshalb auch zurückgenommen. Offenbar entspricht es nicht dem Landesinformationsgesetz, dies so generell zu halten."
    Bürgermeister beendet Zusammenarbeit mit Presse
    Seit fast 20 Jahren ist Harry Ebert Bürgermeister in der Verbandsgemeinde Burladingen. Die meiste Zeit parteilos. Drei Mal wieder gewählt. Er gehört dazu. Wie der große Textilhersteller, die vielen Einfamilienhäuser und das überregional bekannte Theater. Ebert hat Fans – und viele, die ihn inzwischen am liebsten abwählen wollen. Ein Mann, der gern provoziert, sagt der Lokalreporter der Hohenzollerischen Zeitung,
    Matthias Badura: "Wer ihm widerspricht, nicht seiner Ansicht und selbst wenn es bloß ein gut gemeinter Ratschlag ischt, der hat's beim ihm verschissen. Und das wars dann."
    Wer klaglos berichtet - über Bauprojekte, die Feuerwehr oder die Haushaltsplanung - mit dem rede er. Auch mit ihr, sagt Erika Rapthel-Kieser. Bis vor anderthalb Jahren. Da hat die Reporterin vom Schwarzwälder Boten den Facebook-Account des Bürgermeisters zum Thema gemacht.
    Und dann wurde hier beschlossen, wir machen, was auf Harry Eberts Facebook-Account zu lesen ist, in Richtung AfD, auch flüchtlingsfeindliche Äußerungen, wir machen's öffentlich. Und ab da war die Pressearbeit seinerseits beendet.
    Hausverbot für Reporterin des Schwarzwälder Boten
    Danach kommt die Stadt nicht mehr aus den regionalen Schlagzeilen. Der Bürgermeister sucht die Nähe zur AfD. Beschimpft seine Gemeinderäte, weil sie Flüchtlingsunterkünfte besuchen – und die protestieren. Öffentlich. Einige treten zurück. Der Landkreis leitet deswegen ein Disziplinarverfahren gegen Ebert ein. Ein Investor will abspringen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Amtsanmaßung gegen Ebert. Ständig: Probleme in der Zeitung. Und Ebert beschwert sich beim Schwarzwälder Boten, fordert die Absetzung der Reporterin. Das Hausverbot folgt. Und öffentliche Beschimpfungen.
    "Seit dieser Berichterstattung gehören so mehr oder weniger persönliche Attacken in der Öffentlichkeit auch dazu. In mehreren Gemeinderatssitzungen bin ich da beim Namen genannt worden..."
    Auch die Reporter der Konkurrenzzeitung kennen das. Mit der Hohenzollerischen Zeitung spricht Ebert da aber schon seit Jahren nicht mehr.
    "Man komm nicht an ihn heran. Ich kann im Rathaus anrufen, ich kann um ein Gespräch bitten. Dann ist er nicht da. Oder ich werd' vertröstet. Inzwischen ist es auch so: Wir rufen da nicht mehr an."
    Bürgermeister Ebert will keine kritischen Nachfragen
    Auch zuletzt nicht, als Harry Ebert unaufgefordert ein Interview an die Zeitungen schickt. Er hat sich kurzerhand selbst interviewt, um einiges klar zu stellen, bestätigt er dem Deutschlandfunk:
    "Ich hätte dies auch als schlichte Pressemitteilung gestalten können. Jedoch hätte dann die Möglichkeit bestanden, Inhalte umzugestalten oder zu verfälschen. Bei Antworten auf Fragen ist dies nicht ohne weiteres möglich."
    Bloß keine Nachfragen. Eberts Verständnis von Presse. Da ist sein letzter öffentlicher Schritt konsequent. Ebert wird AfD-Mitglied. Die Partei feiert ihn dafür öffentlich. Weil er ihr erster AfD-Bürgermeister in Süddeutschland ist. Ebert schweigt dazu zunächst. Die Hohenzollerische Zeitung jedenfalls – druckt das Selbst-Interview des Bürgermeisters. Mit minimalen Kürzungen. Und deutlichen Hinweisen, der Text komme von Ebert:
    "Man wollte was bringen. Man wollte sich auch nicht vorwerfen lassen, dass man was verschleppt. Also haben wir in der Redaktion drüber gesprochen und haben gesagt: Wir veröffentlichen das."
    Badura meint, Ebert habe sich selbst damit geschadet.
    Pressefreiheit muss gewährleistet werden
    Die DJV-Chefin meint: "Man hätte da vielleicht nur ein paar Passagen zitieren sollen und wäre damit vielleicht - wenn man das in einen erläuternden Kontext stellt – besser gefahren."
    Lange hat Verständnis für den Druck, unter dem die Lokalreporter stehen. Trotzdem – nicht treiben lassen, fordert sie:
    "Es darf ja nicht sein, dass ein Mensch mit diesem Verständnis von Pressefreiheit ganz unbelästigt einfach seine Dinge weiter macht."
    Inzwischen hat Ebert eine Email für Presseanfragen eingerichtet. Ab und zu antwortet er auch. Der Deutschen Presseagentur hat er jetzt ein persönliches Interview gegeben. Weil es so viele Anfragen gab.