Der Jemen wird seit Jahren von Konflikten, Terror und Epidemien beherrscht. Zehntausende Menschen kamen dabei ums Leben, mehr als 250.000 sind auf der Flucht. Yahya Alhalali gehört zu den wenigen Jemeniten, die zuletzt noch reisen konnten. Der Sportreporter begleitet das Fußballnationalteam zu Pflichtspielen. Dafür nimmt er Risiken in Kauf.
"Bei uns im Land ist es so gefährlich, dass das Nationalteam fast nur im Ausland trainiert. Auch Fußballer und Sportreporter schlossen sich dem Militär oder den Rebellen an, viele wurden getötet. Es gab auch Entführungen bei vorgetäuschten Sicherheitskontrollen, die Terroristen hoffen auf ein großes Lösegeld. Viele meiner Kollegen wollten fliehen, doch einige von ihnen sind im Mittelmeer ertrunken."
Auch in Europa leben Sportjournalisten mitunter gefährlich. In Belarus berichtet der Reporter Yagor Khawanski über Athleten, die sich seit August an den Protesten gegen den Präsidenten Lukaschenko beteiligen. Athleten, die häufig verhaftet werden oder ihren Job verlieren.
"Auch Sportmedien sind in Belarus zu einer wichtigen Informationsquelle über die Proteste geworden. Einige Internetportale wurden von der Regierung gesperrt. Es wurden sogar Abonnenten unter Druck gesetzt, ihre Zeitungen abzubestellen. Sportjournalisten sind nun angeblich gefährlich für die nationale Sicherheit."
Sport, Politik und Wirtschaft sind überall verknüpft. In Serbien recherchiert der Journalist Slobodan Georgiev zu Korruption – und landet zwangsläufig beim Fußball. Bei Hooligans, die Anfang der Neunzigerjahre in den Jugoslawienkrieg gezogen sind. Und die später durch Verbrechen reich wurden, durch Auftragsmorde, Menschenhandel, Drogenverkauf. Slobodan Georgiev dazu:
"Wenn Parteien auf der Straße Hilfe brauchen, dann erhalten sie diese von rechten Fangruppen. Recherchen sind gefährlich, niemand will sich wirklich damit befassen. Einige Journalisten wurden angegriffen und erhielten Polizeischutz. Mir ist das zum Glück noch nicht passiert. Aber bei einem Derby in Belgrad vor drei Jahren haben mich Hooligans eingeschüchtert. Seitdem gehe ich nicht mehr ins Stadion, ich fühle mich dort nicht sicher."
Forscherin: Pressefreiheit im Sport bewegt sich noch unter dem Radar
In Studien zur Pressefreiheit bleibt die Sportindustrie meist außen vor. Die dänische Journalistik-Forscherin Kirsten Sparre kam zu der Erkenntnis: Auch viele nicht investigative und am reinen Wettbewerb interessierte Sportjournalisten werden verfolgt: durch Gewalt oder die Beschlagnahmung ihrer Pässe, durch sexuelle Belästigung, Cybermobbing oder Sachbeschädigung. Kirsten Sparre formuliert es schriftlich so:
"Wir brauchen weitere Forschungen. Ein wichtiger Ausgangspunkt: Sportjournalisten sollten die Probleme ausführlicher dokumentieren. Sie könnten mit Institutionen zusammenarbeiten, die Erfahrungen auf diesem Feld haben, zum Beispiel das Europäische Zentrums für Presse- und Medienfreiheit. Auch Gewerkschaften könnten stärker eingebunden werden. Bislang bewegt sich das Thema im Sport unter dem Radar."
Angriffe auch aus der "Sportfamilie"
Die Angriffe auf Sportjournalisten können von Politik oder Polizei kommen, aber auch aus der so genannten Sportfamilie selbst, von Verbänden, Sponsoren oder Athleten, erzählt der brasilianische Kolumnist und Buchautor Jamil Chade. "Mir wurde immer wieder mit Klagen gedroht. Mir wurde vorgeworfen, ich sei kein Patriot, ich sei kein wahrer Brasilianer. Der Präsident des brasilianischen Fußballverbandes wollte eine Pressekonferenz erst beginnen, wenn ich den Saal verlasse."
Jamil Chade hat sich mit den Großereignissen in Brasilien beschäftigt, mit Korruption rund um die WM 2014 und Olympia 2016 in Rio. Seine Recherchen führten zu Ermittlungsverfahren. Aber auch zu Konsequenzen für seine Zeitung O Estado.
"Ich dachte, es wäre mein Geburtsrecht, in einer Demokratie zu leben. Aber wir müssen jeden Tag dafür kämpfen. Unter dem rechten Präsidenten Bolsonaro wollen einige staatsnahe Konzerne keine Anzeigen mehr in kritischen Zeitungen platzieren."
Im vergangenen Jahr wurde Jamil Chade beim internationalen Sportjournalistenverband AIPS ausgezeichnet. In den Landesverbänden der AIPS hatten politische Recherchen im Sport lange wenig Beachtung gefunden, auch in Deutschland nicht. Die AIPS möchte nun mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, sagt dessen Präsident, der Italiener Gianni Merlo.
"Es ist sehr wichtig, die Perspektive der jungen Journalisten zu stärken. Dafür legen wir Stipendien auf, mit guten Mentoren. Leider fehlen in vielen Redaktionen die Ressourcen für hintergründige Recherchen. Aber der Enthusiasmus dafür wächst, auch in Asien oder Afrika."
Journalismus-Organisationen wie "Reporter ohne Grenzen" greifen den Sport selten auf. Doch es gibt Ausnahmen: Das Netzwerk "World Press Photo" würdigte vor kurzem Maryam Majd, eine der wenigen Sportfotografinnen im Iran. Majd wollte 2011 zur Fußball-WM der Frauen nach Deutschland reisen. Vor ihrem Abflug wurde sie verhaftet. In der Öffentlichkeit möchte sie darüber nicht mehr sprechen. Wenn sie Workshops gibt, sucht sie lieber nach Lösungen.
"In vielen Ländern werden Fotografinnen in den männlich dominierten Sportmedien belästigt. Ob Iran, Jordanien oder Armenien: Überall wird im Sport über Frauen viel weniger berichtet. Aber in sozialen Medien können wir selbstbewusste Sportlerinnen gut abbilden. Da liegt unsere Chance."
Pressefreiheit: Ein Begriff, der auch von westeuropäischen Sportjournalisten ins Feld geführt wird. In England, wo sie kaum noch die Trainingseinheiten in der Premier League beobachten können. In Spanien, wo Klubs Nachrichten oft zuerst in Vereinsmedien veröffentlichen. In Deutschland, wo sich Reporter häufig einen Interviewtermin mit Nationalspielern teilen müssen. Keine Angriffe auf Leib und Leben, aber dennoch gravierende Eingriffe in freien, kritischen Sportjournalismus.