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Pressefreiheit in Ägypten
Klima der Angst

Journalisten leben in Ägypten nach wie vor gefährlich. Das bekam auch der Herausgeber der französischen "Le Monde Diplomatique" zu spüren - ohne Grund wurde er von der Polizei verhört. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" spricht von einem "paranoiden Klima" im Land.

Von Cornelia Wegerhoff |
    Die verurteilten Journalisten in einem Käfig vor Gericht
    Verurteilte Al-Dschasira-Journalisten im Juni vor Gericht: Die Richter befanden sie für schuldig, die verbotene Muslimbruderschaft unterstützt zu haben. (dpa / picture-alliance / Tarek Wajeh / Almasry Alyoum)
    Seit 16 Monaten sitzt der ägyptische Pressefotograf Mahmoud Abu Zeid im Gefängnis. In einem Dokumentarfilm des "Commitee to Protect Journalists" (CPJ) über die bedrohten Journalisten in Ägypten spricht sein Vater:
    "Er hatte keine Waffe oder irgendetwas, womit er die Polizei oder die Armee hätte angreifen können. Er hatte nur seine Kamera. Wenn Journalismus ein Verbrechen ist, dann sollen sie alle Medienbetriebe zumachen. Wenn Journalisten Kriminelle oder Terroristen sind, dann macht die Türe für den Journalismus in Ägypten komplett zu!"
    Dass Café "Le Poire" in der Nähe der britischen Botschaft in Kairo ist bekannt für sein feines Gebäck. Alain Gresh, renommierter Herausgeber der französischen Monatszeitschrift "Le Monde Diplomatique", für ein paar Tage in Ägypten, um an einer Konferenz teilzunehmen, hatte sich hier mit zwei ägyptischen Kolleginnen auf einen Kaffee verabredet. Angeregt unterhielten sich die drei Journalisten dabei auch über die aktuelle politische Lage am Nil. Teils auf Englisch, teils auf Arabisch.
    Auf die Tischnachbarn im Café habe er gar nicht groß geachtet, berichtet Alain Gresh in seinem Internet-Blog "Nouvelles d'Orient". Doch nach einer guten halben Stunde sei plötzlich eine Ägypterin auf sie losgegangen und habe ihnen lautstark vorgeworfen, sie versuchten "das Land zu zerstören". Als der 66-jährige Franzose und seine Kolleginnen das Café später verließen, wurden sie festgenommen. Auf der Polizeiwache folgte ein zweistündiges Verhör.
    "Ein Fehler", wie sich das ägyptische Innenministerium noch am Abend bei den wieder frei gelassenen Journalisten höflich entschuldigte. Dieser Zwischenfall sei jedoch bezeichnend für das Klima, dem die Medien in Ägypten derzeit ausgeliefert seien, so Alain Gresh. Das bestätigt auch Christoph Dreyer von der Organisation "Reporter ohne Grenzen":
    "Das ist ja eigentlich eine Lappalie, die da passiert ist. Aber genau dadurch zeigt es das paranoide Klima, das da im Moment herrscht. Wir machen uns sehr große Sorgen um die Entwicklungen in Ägypten. Am einfachsten kann man das vielleicht festmachen an der sehr hohen Zahl an Journalisten, die im Gefängnis sitzen. Das sind im Moment 14. Und da sind noch überhaupt nicht mitgerechnet all diejenigen, die für kurze Zeiten festgenommen werden, aus den unterschiedlichsten Gründen. Es werden Zeitungen im Druck gestoppt, wenn da Dinge drin stehen, die dem Sicherheitsapparat missfallen. Es werden Moderatoren im Fernsehen abgesetzt. Es werden ausländische Journalisten eingeschüchtert. Also das ist eine sehr ungute und auch gefährliche Atmosphäre, die sich da im Moment breitmacht."
    Auf keiner Seite mehr sicher
    Auch das in New York ansässige "Commitee to Protect Journalists", das sich wie "Reporter ohne Grenzen" weltweit für Pressefreiheit und den Schutz von Journalisten engagiert, schlägt Alarm. Mithilfe einer in dieser Woche veröffentlichten Kurz-Dokumentation. Darin berichten ägyptische Journalisten, wie sich ihr Arbeitsalltag seit dem Volksaufstand 2011 schlagartig verändert hat, wie ihr Beruf seither zum ständig wieder kehrenden Albtraum geworden ist.
    "Ich habe nie Kriege fotografiert oder Naturkatastrophen. Und trotzdem arbeite ich an einem der gefährlichsten Orte der Welt - ich bin Fotojournalist in Ägypten."
    Dramatisch sind die Szenen, in denen die Journalisten immer wieder in die Schusslinie geraten. So wie Alaa Al Qamhawi, ein Fotograf der ägyptischen Tageszeitung "Masr el Youm". Er war vor Ort, als die ägyptischen Sicherheitskräfte im August 2013 mit Gewalt das Protestlager der Muslimbruderschaft räumten. Direkt neben ihm starb ein Mann durch einen Kopfschuss. Er selbst wurde ins Bein getroffen. Wer geschossen hat, ist bis heute unklar. Nach seiner Genesung musste Alaa Al Qamhawi gleich am ersten Arbeitstag erneut zu einem Polizeieinsatz. Er blieb in den Reihen der Sicherheitskräfte. Dieses Mal wurde gleich neben ihm ein General getötet. Seitdem weiß der Fotograf, dass er sich bei seinem Job auf keiner Seite mehr sicher fühlen kann.
    "Es gibt jeden Tag Angriffe auf Journalisten, von normalen Leuten, von der Polizei, von der Armee. Wenn ich irgendwo hingehe, um zu berichten, und die Polizei will mich bei sich haben, lassen sie mich am Ende doch alleine stehen. Und wenn sie mich nicht dabei haben wollen, nehmen sie mich fest."
    So wie Samah Ibrahim. Die junge, ägyptische Journalistin saß dieses Jahr sieben Monate im Gefängnis.
    "Ich wurde im Januar 2014 festgenommen, als ich über das Referendum berichten wollte. Es passierte, als ich einen Polizisten fotografierte, der Leute schlug, die gegen die neue Verfassung waren. Als ich bei der Festnahme sagte, dass ich Journalistin bin, sagten die Polizisten mir: Bild dir nur nicht ein, dein Beruf würde dich schützen! Sie beleidigten mich, sie schlugen mich. Ich wurde verurteilt und kam hinter Gitter. Der Beruf des Journalisten bringt hier nur Ärger ein."
    "Terrorismusgefahr wird zum Vorwand genommen"
    "Die Situation hat sich ganz klar verschlechtert seit 2011. Einerseits wurde eine Verfassung verabschiedet, die auf dem Papier sehr schöne Dinge sagt, Pressefreiheit garantiert. Aber gleichzeitig wird zum einen schon in der Verfassung dem Militär eine Sonderrolle einräumt und andererseits wird das in der Praxis vollkommen konterkariert durch dieses massive Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen die Journalisten."
    Als Ägypten Anfang November deshalb sogar vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf scharf kritisiert wurde, entgegnete Justizminister Ibrahim al-Heneidi, die Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit hätte in jüngster Zeit "einen großen Sprung" gemacht. Bei einer Zusammenkunft der ägyptischen Regierung mit den wichtigsten Chefredakteuren des Landes wurde betont, dass die Bekämpfung der islamistischen Terroristen, die Ägypten derzeit mit Bombenanschlägen in Angst und Schrecken versetzen, oberste Priorität habe. Christoph Dreyer von "Reporter ohne Grenzen":
    "Wir finden das falsch und wir glauben, dass die Terrorismus-Gefahr, obwohl sie natürlich real ist, als Vorwand genommen wird, hier Grund- und Menschenrechte einzuschränken. Im Grunde wird alles, was es an kritischen Stimmen, an Opposition gibt, wird in einen Topf geworfen mit Terroristen und mundtot gemacht."