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Pressefreiheit in der Türkei
"Die Aufmerksamkeit ist nicht mehr so groß"

Weiterhin laufen in der Türkei etliche Verfahren gegen Medienvertreter. Auch der Korrespondent der Organisation Reporter ohne Grenzen war angeklagt - und wurde freigesprochen. Interview mit der ROG-Referentin Anne Renzenbrink über die Lage der Pressefreiheit im Land.

    Erol Önderoglu von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul, aufgenommen am 18. Januar 2019.
    Erol Önderoglu, Türkei-Korrespondent von Reporter ohne Grenzen (AFP / OZAN KOSE )
    @mediasres: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Pressefreiheit in der Türkei ein?
    Anne Renzenbrink: Die Lage der Pressefreiheit hat sich nicht verändert bzw. sie ist weiterhin sehr schlecht. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 beobachten wir, dass Journalistinnen und Journalisten willkürlich inhaftiert und vor Gericht gestellt werden; und auch der Medienpluralismus ist seither weitgehend zerstört worden.
    @mediasres: Im vergangen Jahr sind mit Mesale Tolu und Deniz Yücel zwei in Deutschland sehr prominente Inhaftierte frei gekommen. Hat sich dadurch die Aufmerksamkeit ein bisschen verringert?
    Renzenbrink: Wir haben leider schon das Gefühl, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr ganz so groß ist. Das beobachten wir auch, weil wir ja sehr viel mit der Türkei zu tun haben durch den Prozess gegen unseren Korrespondenten dort. Dabei ist es aber weiterhin ganz wichtig, zu sehen, was in der Türkei passiert, was die Justiz dort macht mit den kritischen Journalisten und wie sie versucht, diese zum Schweigen zu bringen. Wir müssen weiterhin anprangern, was dort passiert und die Freilassung der inhaftierten Medienschaffenden fordern.
    @mediasres: Sie haben ihren Korrespondenten angesprochen, Erol Önderoğlu. Erwarten Sie morgen ein Urteil gegen ihn?
    Renzenbrink: Unser langjähriger Korrespondent Erol Önderoğlu ist schon seit über 20 Jahren in der Türkei. Er verteidigt seitdem unermüdlich das Menschenrecht Pressefreiheit und steht immer wieder seinen türkischen Kolleginnen und Kollegen zur Seite, die vor Gericht stehen. Lange Zeit hat er die vage formulierten Anti-Terror-Gesetze angeprangert und jetzt steht er selbst wegen angeblicher Terror-Propaganda vor Gericht – schon seit Ende 2016. Es ist ein absurder Vorwurf. Das einzige, was er getan hat, ist, dass er sich an einer Solidaritätskundgebung beteiligt hat für eine prokurdische Zeitung, die inzwischen geschlossen ist, damals aber schon unter großem Druck der Behörden stand. Deshalb wird ihm jetzt Terrorpropaganda vorgeworfen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.