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Pressefreiheit in der Türkei
Journalisten für Recherchen vor Gericht

In der Türkei führten die Recherchen rund um die "Paradise Papers" zum ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim. Seine Familie könnte im großen Stil Steuern gespart haben. Bestraft werden sollen jetzt allerdings die Journalisten, die das aufgedeckt haben.

Von Christian Buttkereit | 30.07.2018
    Der ehemalige türkische Ministerpräsident Binali Yildirim im Interview bei der 54. Münchner Sicherheitskonferenz.
    Binali Yildirim war noch bis vor kurzem Ministerpräsident in der Türkei. (picture alliance / Sven Hoppe/dpa)
    Pelin Ünker ist eine zierliche und leise Frau, die nicht besonders angriffslustig wirkt. Doch sie und ihre Kollegen von der "Cumhuriyet" ahnten, dass ihre Veröffentlichungen zu den "Paradise Papers" der türkischen Regierung nicht gefallen konnten. "Wir ahnten, dass etwas passieren würde. Aber dass sie von uns 500.000 Lira verlangen würden, damit haben wir nicht gerechnet."
    Als Mitglied des internationalen Konsortiums investigativer Journalisten war Pelin Ünker auf Belege gestoßen, die auch türkische Firmen belasten. Es ging um Steuerersparnisse in Milliardenhöhe mittels Firmensitz in Malta.
    Saubermann-Image von Yildirim in Gefahr
    Eine Spur führte zu Serhat Albayrak, Bruder des heutigen türkischen Finanzministers und Erdogan-Schwiegersohns Berat Albayrak. Die zweite Spur führte zu den Söhnen von Binali Yildirim - bis vor kurzem türkischer Ministerpräsident.
    "Ich glaube, es sind acht Unternehmen. Eins ist mit seinem Onkel verbunden und fünf mit seinen Söhnen, die bei manchen die Vorsitzenden sind und denen andere gehören." Es sei nicht illegal, dass Yildirims Familie Steuern spare, sagt Ünker. Doch Binali Yildirim war stets um das Image eines Saubermanns bemüht. "Als ich in die Politik gegangen bin, habe ich meinen Kindern geraten: Macht niemals Geschäfte mit dem Staat. Kommt nicht einmal in seine Nähe."
    Den direkten Kontakt zum Staat haben die Yildirim-Söhne offenbar gemieden, berichtet Pelin Ünker. Sie wählten einen Umweg: "Sie besitzen viele Firmen, aber wir können nicht beweisen, was sie damit genau machen. Immerhin haben wir herausgefunden, dass ein Unternehmen mit der Schifffahrtsfirma Oras Denizcilik zu tun hat. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Denn diese Firma hat wiederum einen Vertrag mit der Regierung."
    Millionenvertrag mit der Regierung
    Die Rede ist von einem Sieben-Millionen-Dollar-Geschäft. Dahinter steckte Ünkers Recherchen zufolge niemand anders als Binali Yildirims ehemaliger Geschäftspartner. Als das herauskam, geriet der Politiker in Erklärungsnöte. "Mein Volk kennt mich. Ich habe zwar die Immunität, aber meine Kinder nicht. Ich lade hiermit ein: Jede Ermittlung - ob finanziell oder rechtlich - kann gestartet werden und das wünsche ich mir auch."
    Ermittelt wurde - allerdings gegen Pelin Ünker, einen Kollegen und die "Cumhuriyet". Von ihnen wollen Yildirim und seine Söhne insgesamt 500.000 Lira Schmerzensgeld wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte und übler Nachrede. Umgerechnet knapp 100.000 Euro - und das ohne einen Beweis vorzulegen, dass Ünkers Recherchen falsch wären.
    "Jeder hier erlebt solche Geschichten"
    Normalerweise dürfte sie vor Gericht nichts zu befürchten haben, sagt die Journalistin. Aber: "Ich kann das nicht abschätzen, denn, wissen Sie, das hier ist die Türkei." Trotzdem würde Pelin Ünker so eine Geschichte wieder veröffentlichen.
    Deswegen vor Gericht zu stehen, mache ihr persönlich nichts aus. "Wir sind ja an so etwas gewöhnt. Wir arbeiten für die ‚Cumhuriyet‘ und jeder hier erlebt solche Geschichten, wir sind also darauf eingestellt, unter einem gewissen Druck zu arbeiten. Das ist schon okay." Der nächste Verhandlungstermin in Sachen Yildirims gegen "Cumhuriyet" ist Anfang September.