Es zwar zehn Uhr morgens, die Redaktion der ukrainischen Zeitung "Vesti" nahm gerade ihre Arbeit auf, da drangen etwa 50 Männer in ihre Räume ein. Die Mitarbeiter der Geheimdienstes SBU waren teilweise maskiert und mit Maschinengewehren bewaffnet. Sie beschlagnahmten alle Computer und Server, erklärte Chefredakteur Ihor Huschwa.
"Unsere Juristen haben bereits eine große Zahl an Rechtsverstößen festgestellt, die sich der Geheimdienst da geleistet hat. Aber der Anlass für die Durchsuchung war ja auch nicht juristischer, sondern politischer Art. Es ging schlicht darum, unsere Arbeit zu lähmen."
Tatsächlich klingt der Vorwurf gegen die Zeitung absurd. Sie habe zum Separatismus aufgerufen, zur Spaltung der Ukraine, heißt es. Dabei zitierte sie nur Separatisten aus den besetzten Städten in der Ostukraine - wie alle ukrainischen und internationalen Medien.
"Vesti" dürfte den Geheimdienst aus einem anderen Grund stören. Die Zeitung ist regierungskritisch, sie hat das Vorgehen der ukrainischen Armee im Osten des Landes verurteilt. Der Chefredakteur Ihor Huschwa gilt als prorussisch, zu den Geldgebern des Projekts soll das Umfeld des Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch gehören.
Während der Proteste gegen Janukowitsch im Winter habe "Vesti" tatsächlich einseitig und unfair berichtet, sagt Oksana Romaniuk, Vertreterin von Reporter ohne Grenzen in der Ukraine.
Kein Dialog mit Poroschenko
"Aber derzeit bezieht 'Vesti' eine ausgewogene Position, das gilt auch für den dazu gehörigen Radiosender. Ich weiß nicht aus welchem Grund, vielleicht wollen sie das Vertrauen der Leser und Hörer zurückerobern. Vom Standpunkt der journalistischen Ethik aus können wir diesen Medien nichts vorwerfen."
Durch den Machtwechsel im Februar sind die ukrainischen Medien freier geworden. Der Klan von Janukowitsch hatte Druck auf Verleger ausgeübt und kaufte einflussreiche Zeitschriften. Die Steuerbehörden hatten kritische Medien mit Prüfungen überzogen, und Journalisten wurden zusammengeschlagen.
Aber wie will der neue Präsident Petro Poroschenko mit den Medien umgehen? Ein neues Gesetz, das eigentlich Wirtschaftssanktionen betrifft, ließ bei den Journalisten schon einmal die Alarmglocken läuten. Es enthielt einen Paragrafen, der es dem Präsidenten erlaubte, Medien ohne Gerichtsentscheidung zu schließen. Erst auf den Druck der OSZE hin habe das Parlament diesen Passus gestrichen, so Oksana Romaniuk.
"Die Staatsmacht verweigert den Dialog mit uns. Die Journalisten-Organisation 'Stopp Zensur' hat Poroschenko schon vor Monaten um ein Gespräch gebeten, erfolglos. Wir wollen zum Beispiel wissen, ob er etwas für die Hunderten von Journalisten tut, die in den vergangenen Jahren verletzt oder ermordet wurden. Sollen die Täter unbestraft bleiben? Sogar unter Janukowytsch gab es mehr Dialog mit der Staatsmacht, auch wenn er zu nichts führte."
Besitzverhältnisse offenlegen
Am vergangenen Dienstag legte Poroschenko in Kiew Blumen am Denkmal für die getöteten Journalisten nieder. Es war der 14. Jahrestag des Mordes an Georgij Gongadze, Gründer der Internet-Zeitung "Ukrainska Prawda". Ein Treffen mit Journalisten-Vereinigungen lehnte er abermals ab.
Dabei gibt es wichtige Themen zu besprechen, so den Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Außerdem wollen Journalistenvertreter, dass Poroschenko den von ihm gegründeten Fernsehsender Fünfter Kanal verkauft. Dessen Berichterstattung zeigt deutlich, wem sich die Redakteure verpflichtet fühlen.
Zu einer demokratischen Medienlandschaft gehöre es außerdem, dass die Eigentümer für alle offengelegt würden, so Oksana Romaniuk.
"Die einflussreichsten Medien gehören fünf Oligarchen, die politische und wirtschaftliche Interessen haben. Viele Bürger wissen nicht, wem welches Radio und welcher Fernsehkanal gehört. Sie sollten darüber aufgeklärt werden. Am besten wäre es, solche Monopole gleich ganz zu verbieten. Es ist doch nicht in Ordnung, wenn eine Person 100 verschiedene Medien in ihrer Hand hat."
Die Ukraine ist heute demokratischer als alle anderen ehemaligen Sowjet-Republiken, sieht man von den baltischen Staaten ab. Gerade in Sachen Pressefreiheit muss der neue Präsident Poroschenko aber erst noch beweisen, dass er sein Land weiter Richtung Demokratie führen will.