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Pressefreiheit in Frankreich

Ein französisches Wochenblatt berichtete in der vergangenen Woche, dass Staatspräsident Sarkozy höchstpersönlich die Überwachung allzu eifriger Enthüllungsjournalisten angeordnet habe. Die Regierung dementierte umgehend - die Presse wittert dagegen einen Anschlag auf die Pressefreiheit.

Von Suzanne Krause |
    "Sarko überwacht das Ausspionieren von Journalisten", titelt Le Canard Enchainé auf Seite drei. Chefredakteur Claude Angeli schreibt: spätestens seit Jahresbeginn würde jeder Journalist, der an einer für Sarkozy oder die Seinen unangenehmen Recherche arbeitet, auf Wunsch des Staatspräsidenten unter Überwachung gestellt. Von einer laut dem Wochenblatt speziellen, geheimen Einsatzzelle bei der Direktion des staatlichen Nachrichtendienstes. Die besorge sich die detaillierten Telefonrechnungen des Medienvertreters, um seine Kontakte zu entlarven. Oder lokalisiere ihn auch dank seines Handys auf Schritt und Tritt bei Treffen mit Informanten, wie es zwei Mitarbeitern der Online-Zeitung Mediapart laut ihren Angaben im Frühjahr passiert sei. Anschuldigungen, die von staatlicher Seite vehement dementiert werden. Doch Claude Angeli nimmt kein Wort zurück:

    "Das französische Staatssystem ist wie eine Pyramide aufgebaut. An der Spitze steht ein Mann, der alles entscheidet. Der beispielweise auch die Intendanten im öffentlichen Rundfunk ernennt. So ist es nicht erstaunlich, dass der Staatspräsident auch Ermittlungen gegen einen Journalisten beauftragt, sobald der sich anschickt, Verfehlungen an der Staatsspitze oder in der Regierung aufzudecken. Ich denke beispielsweise an die Affäre Woerth-Bettencourt, bei der es um eine mögliche illegale Finanzierung der heutigen Regierungspartei geht. Oder auch an die Ermittlungen der Medien in der Karachi-Affäre: 1995 wurden Kommissionen, die Frankreich zum Verkauf von U-Booten an Pakistan zahlte, anscheinend abgezweigt für die Wahlkampfkasse von Präsidentschaftskandidat Balladur. Und darin ist auch Sarkozy verwickelt. Das sind hochexplosive Themen, wenn es gelingt, noch mehr Fakten zu belegen. Sarkozy will wissen, wer genau den Journalisten Informationen zuspielt."

    "Herr Staatspräsident, staatliche Spionage gegen Journalisten – das betrifft Sie sehr wohl", titelt Edwy Plenel, Chef der Online-Zeitung Mediapart, am Donnerstag. Eine geschickte Retourkutsche. Eine Woche zuvor hatte ein Journalist den Diebstahl seines Computers gemeldet. Der dritte Fall in kurzer Zeit. Gemeinsam ist den Opfern: Sie recherchieren zur Affäre Woerth-Bettencourt. Nicolas Sarkozy, im Fernsehen um einen Kommentar zu diesen Diebstählen gebeten, meinte nach sichtbarem Zögern lapidar: Das betrifft mich doch nicht. Er bereitet sich wohl schon innerlich auf die nächsten Präsidentschaftswahlen, 2012, vor.

    Im Pariser Hauptquartier des Journalistenhilfsvereins "Reporters sans frontières" lächelt Nicolas Sarkozy, halb hinter der französischen und der europäischen Fahne versteckt, von einem Poster. Darunter steht: auf der hauseigenen aktuellen Rangliste der Pressefreiheit weltweit steht Frankreich auf Platz 44. Soll heißen: vier Plätze schlechter als im letzten Jahr, sagt Elsa Vidal:

    "Speziell seit zwei Jahren vermehren sich die Ausschreitungen gegen einheimische Medien. Dazu gehören die Durchsuchung von Redaktionsräumen, Ermittlungsverfahren gegen Journalisten. Und nun, falls dies belegt wird, kommen wohl noch Verstöße gegen das neue Gesetz für den Schutz journalistischer Quellen hinzu. Sowie die Überwachung von Journalisten durch die politischen Machthaber."

    Überwacht wurden auch Journalisten der Tageszeitung Le Monde. Mitte September erstattete die Chefredaktion Anzeige gegen unbekannt, "Reporters sans frontières" schloss sich an. Der Artikel des Wochenblatts Canard enchainé zur geheimen Überwachungsstelle nun geht durch alle Medien. Elsa Vidal vom Journalistenhilfsverein hofft, die Branche zusammentrommeln zu können, zu Generalständen zum Thema Pressefreiheit. Linke Politiker fordern eine parlamentarische Untersuchungskommission. Claude Angeli erinnert daran: Das neue Quellenschutzgesetz geht auf den Staatspräsidenten zurück. Und laut dem Canard Enchainé ist Sarkozy der Erste, der dagegen verstößt:

    "Wenn anhand der Telefonrechnungen ermittelt wird, welche Kontakte ein Journalist hat, so ist das absolut illegal. Das haben wir schon vor einigen Wochen geschrieben. Und das werden wir auch kommenden Mittwoch wieder schreiben."