In mehreren Sprachen veröffentlicht die Wochenzeitung "Documento" Video-Clips im Internet, um für ihre Titelgeschichte zu werben. Auch auf Deutsch. Es ist eine Story in eigener Sache mit schweren Vorwürfen gegen die neue, konservative Regierung:
"In ihrem Titelthema hat sich die Zeitung 'Documento' an ihre Leserschaft gewandt und darüber informiert, dass der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis in persönlichen Telefonaten Unternehmer dazu aufgefordert hat, keine Werbeanzeigen mehr bei 'Documento' zu schalten."
"In ihrem Titelthema hat sich die Zeitung 'Documento' an ihre Leserschaft gewandt und darüber informiert, dass der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis in persönlichen Telefonaten Unternehmer dazu aufgefordert hat, keine Werbeanzeigen mehr bei 'Documento' zu schalten."
180.000 Euro Verlust
Einige Unternehmer hätten ihm das vertraulich erzählt, sagt der Documento-Herausgeber und Investigativ-Journalist Kostas Vaxevanis.
Der Grund für die angebliche Einmischung des griechischen Regierungschefs ist für den Enthüllungsjournalisten klar:
Kritische Berichte unter anderem über mögliche Offshore-Unternehmen der Ehefrau des Ministerpräsidenten, deren Name auch in den Paradise Papers auftauche, so Vaxevanis. Die Folge: Leere Anzeigenseiten, seit mehreren Wochen.
"Ich glaube, das wird so lange anhalten, bis wir dicht machen. Es geht nicht darum, uns zu bestrafen. Das passiert, damit wir schließen. Wir sind die einzige Zeitung, die über die persönliche Rolle des Premiers berichtet und die seiner Familie im Zusammenhang mit Schwarzgeld und Offshore-Unternehmen. Das wird erst enden, wenn wir zum Schweigen gebracht werden."
Schweigen - das tut auch die griechische Regierung. Anfragen des Deutschlandfunks zu den Vorwürfen blieben bisher unbeantwortet.
Die Wochenzeitung "Documento" kämpft indes um ihre Existenz, sagt Vaxevanis. Über 180.000 Euro fehlen bisher, denn die Werbeanzeigen machen den Großteil der Einnahmen aus, nur ein Drittel kommt über den Verkauf. Das Vorgehen gegen ihn und die mehr als 70 "Documento"-Journalistinnen und Journalisten überrascht ihn aber nicht.
"Über 80 Anzeigen von Politikern"
Vaxevanis gilt in Griechenland als unbequem, vielen Politikern und Politikerinnen ist er ein Dorn im Auge. Seit Jahren berichtet er über Korruption, hatte unter anderem veröffentlicht, wer in Griechenland Konten in der Schweiz hatte, weshalb er verhaftet wurde. Rechtskräftig verurteilt wurde er aber noch nie, betont Vaxevanis. Angriffe gegen ihn und seine Zeitung hätten System in Griechenland, sagt er.
"Es gibt in Griechenland Pressefreiheit nur im Gesetz, auf dem Papier. Täglich wird die Presse bedroht. Wir sind bereits mit über 80 Anzeigen von Politikern bombardiert worden. Anstelle, dass sie auf unsere Enthüllungen antworten, verklagen sie uns. Aus zwei Gründen: Um zu sagen: Ich habe meinen Verleumder angezeigt und um uns finanziell zu zerstören."
Laut Pressefreiheits-Rangliste der Organisation "Reporter ohne Grenzen" belegt Griechenland aktuell Platz 65 von 180 und schneidet EU-weit mit am schlechtesten ab.
Viele Sender und Tageszeitungen in Unternehmerhand
Das war vor einigen Jahren während der Krise noch schlimmer, sagt Giorgos Pleios, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Athen. Zentrale Probleme aber bleiben.
"Insgesamt haben wir aktuell fast alle Formen der Missachtung der Pressefreiheit im Land. Zugangsverbote, Festnahmen, Polizeigewahrsam, der Weg vors Gericht mit Klagen und vieles weitere."
Hinzu kommen Massenentlassungen während der Krise und die Tatsache, dass einige Reeder, Fußball-Clubbesitzer und Großunternehmer die meisten Sender und Tageszeitungen des Landes besitzen.
Hinzu kommen Massenentlassungen während der Krise und die Tatsache, dass einige Reeder, Fußball-Clubbesitzer und Großunternehmer die meisten Sender und Tageszeitungen des Landes besitzen.
Giorgos Pleios: "In Griechenland sind weder die staatlichen noch die privaten Medien unabhängig. Beide sind finanziell zu einem großen Teil von der politischen Macht abhängig. Und diese finanzielle Hilfe kommt über unterschiedliche Wege. Früher zum Beispiel wurden öffentliche Projekte an Firmen vergeben, die auch im Besitz der Medienunternehmer waren."
Im Schnellverfahren vor Gericht gestellt
Ein weiteres Beispiel, wie Journalistinnen und Fotoreporter in ihrer Arbeit behindert werden, beschreibt der Fotograf Alexandros Stamatiou.
Als er Ende September im Auftrag der Zeitung "Efimerida ton Syntakton" die Räumung einer von Geflüchteten genutzten leeren Schule dokumentieren wollte, wurde er von Polizisten abgeführt und aufs Polizeirevier gebracht.
Als er Ende September im Auftrag der Zeitung "Efimerida ton Syntakton" die Räumung einer von Geflüchteten genutzten leeren Schule dokumentieren wollte, wurde er von Polizisten abgeführt und aufs Polizeirevier gebracht.
"Ja, sie haben mich behindert. Ich habe die Polizisten gebeten, die Räumung zu fotografieren und das wurde mir nicht gestattet. Ich durfte meine Arbeit nicht ausführen. Ich glaube, sie wollen möglicherweise eine Botschaft senden: Von hier an, egal was ihr macht, wir werden euch im Blick behalten. Und wir können euch festnehmen unter jeglichem Vorwand, so wie bei mir mit dem Hausfriedensbruch, was absurd ist."
In einem Schnellverfahren wurde Stamatiou vor Gericht gestellt, obwohl der Polizei klar war, dass es sich um einen Fotojournalisten handelt. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch. Stamatiou wurde freigesprochen.
Er will sich nicht einschüchtern lassen, egal welche Partei gerade die Regierung stellt, sagt er. Für ihn steht an oberster Stelle: Zeigen, was passiert.
"Wir werden nichts als unsere Arbeit tun. Wenn die Polizei oder die Regierungen uns jedes Mal festnehmen wollen, dann sollen sie es tun, wir werden weiter fotografieren. So wie ich es in meinen bisherigen 33 Berufsjahren getan habe: Es wird uns niemand aufhalten."