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Pressefreiheit in Italien
Verbale und körperliche Gewalt gegen Journalisten

Die Mafia hat Verbindungen bis in die höchsten Kreise Italiens. Journalisten, die ihren Informationsauftrag ernst nehmen, werden bedroht oder entlassen. Darum verwundert es nicht, dass Italien auf Platz 77 der Rangliste über die Pressefreiheit in 180 Ländern steht, wie die Organisation "Reporter ohne Grenzen" ermittelt hat.

Von Kirstin Hausen |
    Farbfoto eines jungen bärtigen Mannes mit Mütze in einem dunklen Hausflur. Es ist der italienische Journalist und Buchautor Roberto Saviano
    Roberto Saviano, Autor des Bestsellers "Gomorrha" 2014 in Mexiko (Imago/ Zuma Press)
    Der Buchautor Raffaele Sardo schreibt über vergessene Opfer der Camorra in Neapel: "Ich schreibe über sie, um die Erinnerung wach zu halten und rufe zu mehr Engagement gegen die Camorra auf."
    Raffaele Sardo war fast zehn Jahre lang fest angestellter Redakteur und berichtete über Schutzgelderpressung, Drogenhandel, und den Camorra-Krieg von 2005, als sich die Mitglieder zweier verfeindeter Clans gegenseitig umbrachten. Doch als er die Verbindungsleute der Kriminellen in den Schaltzentralen der Politik aufspürte und nicht mehr allein über die Toten auf der Straße, sondern über die krummen Geschäfte in den Stadt- und Provinzregierungen berichtete, kündigte man ihm kurzerhand.
    "Es ist sehr schwer, weil es an Unterstützung und an Initiativen fehlt, du bist in der Minderheit. Bestimmte Probleme dürfen nicht angesprochen werden, die meisten Medien vermeiden es, zu berichten und ins Fernsehen oder auf die Titelseite kommst du damit nicht."
    Verbale und körperliche Gewalt gegen unliebsame Journalisten
    Frust bestimmt den Alltag vieler Journalisten, die sich entschieden haben, ihren Informationsauftrag ernst zu nehmen und nicht an der Oberfläche zu bleiben. Ihre Recherchen kosten Zeit und Kraft und oft genug können sie keine Dankbarkeit erwarten. Im Gegenteil. Sie gelten als lästig oder werden sogar als mögliche Mordopfer gemieden.
    Elf italienische Journalisten wurden zwischen 1960 und 1993 von Mafiaorganisationen umgebracht, das belegen Prozessakten, die dem Italienischen Journalistenverband vorliegen. Fast alle arbeiteten in Sizilien und Kalabrien. In diesen beiden Regionen sind verbale und körperliche Gewalt gegen unliebsame Journalisten am häufigsten. Antonino Monteleone bloggt über die schmutzigen Geschäfte der N‘drangheta in Reggio Calabria.
    "Drohungen, vor allem anonyme Telefonanrufe, beachte ich schon gar nicht mehr." Als sein Auto eines nachts angezündet wurde, erstattete er Anzeige – eigentlich normal, nicht so in Kalabrien.
    "Man braucht Mut, wenn man einfach nur seine Pflicht erfüllen will"
    Antonino Monteleone: Das Phänomen ist weit verbreitet, in Reggio Calabria mit circa 200.000 Einwohnern gehen zwei bis drei Autos am Tag in Flammen auf und kaum jemand geht zur Polizei. In Kalabrien braucht man Mut, wenn man einfach nur seine Pflicht erfüllen will. Das gilt für mich, aber auch für Gemeindemitarbeiter und Lokalpolitiker, die hier korrekt verwalten und regieren."
    Mut gehört zum Job, meint Raffaele Sardo aus Neapel. Mut, aber auch die Angst. "Angst haben ist natürlich. Leider hat der Staat hier in all den Jahren darauf verzichtet, diejenigen zu unterstützen, die sich dem System und der Vormachtstellung der Camorra nicht beugen."
    Die Zeitungsredakteurin Federica Angeli berichtet seit Jahren über die Aktivitäten von Mafiosi an der Küste südlich von Rom. "Sie haben mich in einer Bar abgepasst und mir erklärt, dass ich sie besser vergessen soll."
    "Das geschriebene Wort enthüllt, wie die Mafia funktioniert"
    Federica Angeli steht seit dem Einschüchterungsversuch unter Polizeischutz. Ihren drei Kindern hat sie erklärt, die Redaktion bezahle ihr einen Fahrdienst, damit sie beim Autofahren arbeiten könne. Warum die Fahrer wie Polizisten aussähen, musste sie sich daraufhin von ihrer achtjährigen Tochter fragen lassen.
    Auch Roberto Saviano, Italiens berühmtester Anti-Camorra-Journalist, steht seit dem Erscheinen seines weltweiten Bestsellers "Gomorra" unter Polizeischutz. Er hat keine Kinder und führt doch ein Leben, als sei er auf der Flucht, ohne festen Wohnort, ohne regelmäßige Tagesabläufe. Sein Privatleben hat er dem Berufsethos geopfert.
    "Das geschriebene Wort ist wichtig, weil es den Mechanismus, wie die Mafia funktioniert, enthüllt. Genau das aber soll die Öffentlichkeit nicht erfahren. Deshalb wird das geschriebene Wort zum Problem. Hinter den Angriffen auf Journalisten steckt ganz viel Angst."