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Pressefreiheit in Spanien
Kritik- und Kontrollfunktion gekappt

Schon lange klagen Journalisten in Spanien über immer schlechter werdende Arbeitsbedingungen. Nachdem die Regierung den öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht hat, sehen Journalisten nun ihre freie Berichterstattung über Protestdemonstrationen gegen die Sparpolitik in Gefahr.

Von Hans-Günter Kellner |
    Tageszeitungen hängen in einem Zeitungsständer in einem spanischen Kiosk
    Tageszeitungen hängen in einem Zeitungsständer in einem spanischen Kiosk (Imago)
    Wer Bilder von Polizeibeamten beim Einsatz gegen Demonstranten aufnimmt und veröffentlicht, muss in Spanien künftig mit hohen Geldbußen von bis zu 30.000 Euro rechnen. Dies geht aus einem "Gesetz zur Sicherheit der Bürger" hervor, das im Sommer in Kraft getreten ist. Das Internationale Presse Institut mit Sitz in Wien hat die Situation vor Ort genauer untersucht und sieht in seinem Abschlussbericht die Pressefreiheit in Spanien ernsthaft bedroht. Paco Audije, langjähriger spanischer TV-Journalist und heute Vorstandsmitglied der Europäischen Journalisten Föderation, hat die Delegation vor Ort begleitet.
    "Während der Demonstrationen der Empörten der letzten Jahre kam es mehrmals zu Situationen, in denen die Polizei Fotografen und Demonstranten misshandelt hat. Das wurde gefilmt, fotografiert und veröffentlicht. Die Sicherheitskräfte waren schlicht überfordert. Das Problem waren weder die Pressefreiheit noch unverantwortliche Journalisten. Wir Journalisten müssen auf der Straße unsere Kontrollfunktion wahrnehmen können."
    Ein Maulkorbgesetz
    Vordergründig geht es im Gesetz darum, dass Medienberichte über Beamte im Einsatz diese in Gefahr bringen oder gar eine Polizeiaktion, etwa eine Geiselbefreiung, gefährden könnten. Doch der Gesetzestext ist sehr vage formuliert, längst sprechen die Spanier von einem Maulkorbgesetz:
    "Es gibt keinen einzigen Fall eines Polizeibeamten, der wegen der Veröffentlichung von Fotos Probleme bekommen hätte. Es sei denn, er hätte sich illegal verhalten. Es gab keinen Grund, ein spezifisches Gesetz zu diesem Thema zu verabschieden. Diese Sondernormen zum Demonstrationsrecht sind ins Parlament eingebracht worden, als es während unserer tiefen sozialen Krise viele Demonstrationen gab. Ihr Ziel ist also, die Demonstrationen einzudämmen. Sie sind völlig irrational."
    Kritik an der Polizei kann teuer werden
    Allerdings: Bislang haben Journalisten nur in Einzelfällen von Problemen mit der Polizei wegen des Gesetzes berichtet. Größere Probleme bekommen Bürger auf der Straße. So soll eine Frau eine Geldbuße von 800 Euro zahlen, weil sie in einem sozialen Netzwerk das Foto eines Streifenwagens veröffentlicht hatte, der auf einem Behindertenparkplatz geparkt war.
    Einflussnahme der Politik
    Außerdem kritisiert das Internationale Presse Institut auch die Situation beim staatlichen Fernsehen, bei dem Redakteure nach einer Gesetzesreform von 2012 über eine zunehmende politische Steuerung klagen. Doch nicht nur Journalisten beim Staatsfernsehen sehen ihre Unabhängigkeit gefährdet:
    "Der Ehemann der Vizeregierungschefin arbeitet für Telefónica. Dies würde einen Interessenkonflikt bedeuten, weshalb die Vizeregierungschefin bei Kabinettsitzungen, bei denen es um Telekommunikation geht, eigentlich nicht anwesend sein dürfte."
    ..., erzählt Miguel Mora, der über 20 Jahre bei El País, der größten spanischen Tageszeitung, gearbeitet hat, und der inzwischen das Internetportal context betreibt:
    "'Das Justizministerium erlaubt Santamaría, Themen zu behandeln, die Telefónica betreffen', war die Überschrift in El País über einen kritischen Artikel über diese Situation. Die Chefredaktion machte daraus: 'Santamaría enthält sich bei Angelegenheiten zu Telefónica der Stimme, obwohl sie nicht dazu verpflichtet wäre.' Aus einem kritischen Artikel machte sie einen wohlwollenden. Dieser Eingriff ist nach dem Redaktionsstatut ohne Rücksprache mit den Autoren eigentlich nicht zulässig.
    Einflussnahme der Wirtschaft
    ... und zeigt nach der Meinung vieler ehemaliger Journalisten von El País wie Mora, wie groß der Einfluss der Aktionäre auf die Berichterstattung inzwischen ist. Denn auch der Medien- und Telekommunikationskonzern Telefónica sitzt im Verwaltungsrat der hochverschuldeten Prisa-Gruppe, die El País herausgibt. Die beiden Autoren des Artikels haben die Zeitung inzwischen verlassen. Der Rest will sich nicht mehr öffentlich äußern. Paco Audije dazu:
    "Der Redaktionsrat von El País war einmal vorbildlich. Heute hört man von ihm wenig. Weil die Zeitung viele Leute entlassen hat. Und weil die Reduzierung der Belegschaft inzwischen nicht mehr nach einem mit den Gewerkschaften ausgehandelten Plan geschieht, sondern tröpfchenweise. Nach und nach werden Leute entlassen. In den Redaktionen herrscht darum Angst. Angst bei der täglichen Arbeit und Angst bei der Verteidigung der journalistischen Prinzipien."