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Pressekodex
Presserat formuliert neue Leitsätze für Verdachtsberichterstattung

Der Deutsche Presserat hat neue Leitsätze für die Berichterstattung zur Herkunft potentieller Straftäter veröffentlicht. Die neuen Richtlinien sollen Entscheidungshilfen für den Redaktionsalltag sein. Details zur Biographie des Täters dürften nun häufiger erwähnt werden.

Von Stefan Fries |
    Polizisten umringen am 31.12.2016 vor dem Hauptbahnhof in Köln eine Gruppe südländisch aussehender Männer.
    Polizeieinsatz in der Kölner Silvester-Nacht 2016/2017 (dpa)
    Wenn jemand ein Verbrechen begeht – welche Rolle spielt dann seine Herkunft, also aus welchem Land er ursprünglich kommt, welche Staatsangehörigkeit oder Religion er hat? In der Diskussion um Straftaten von Ausländern und insbesondere Flüchtlingen kam der Vorwurf auf, Journalisten würden eine politische Agenda verfolgen, indem sie die Herkunft von Tatverdächtigen bewusst verschweigen. Der Deutsche Presserat hatte die Sache im Pressekodex bis März klar geregelt – Zitat:
    "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte."
    Herkunft der Täter erwähnen?
    Die Formulierung "begründbarer Sachbezug" war bewusst vage gehalten. Es blieb also weiter im Ermessen des Journalisten, ob er einen Bezug sah. Viele Nutzer und auch Journalisten fanden diese Ausnahme aber immer noch unklar – und forderten Änderungen. Im März kam der Presserat dem nach. Jetzt kann die Herkunft auch erwähnt werden, wenn es dafür ein "begründetes öffentliches Interesse" dann gibt.
    Was das heißt, war aber vielen Journalisten unklar. Der Presserat hat deswegen sogenannte Leitsätze erarbeitet, die bei der Einschätzung helfen sollen. Leitsätze, die es für die alte Richtlinie nicht gab. "Reine Neugier", wie es heißt, sei für die neue Richtlinie kein Kriterium, aber zum Beispiel:
    "Eine Straftat wird aus einer größeren Gruppe heraus begangen, von der ein nicht unbeachtlicher Anteil durch gemeinsame Merkmale wie ethnische, religiöse, soziale oder nationale Herkunft verbunden ist."
    Wann die Biographie des Täters für die Berichterstattung wichtig ist
    Der Presserat nennt dabei ausdrücklich die Kölner Silvesternacht als Beispiel, bei der Opfer und Zeugen die Täter in den arabischen Raum und nach Nordafrika verorteten. Auch wenn es um den Zusammenhang von Form und Häufigkeit einer Straftat mit der Herkunft der Täter geht, soll diese genannt werden dürfen, etwa bei Drogenhändlern aus einem bestimmten Land oder wenn bestimmte Clan-Strukturen erst die Begehung von Straftaten ermöglichten, etwa durch einen Ehrenkodex oder den Zwang zur Solidarität.
    "Die Biographie eines Täters oder Verdächtigen ist für die Berichterstattung über die Straftat von Bedeutung."
    …wenn etwa der Täter Flüchtling ist und bei seiner Migration bereits vergleichbare Straftaten begangen hat. Auch soll seine Herkunft erwähnt werden dürfen, wenn er deswegen im Ermittlungs- oder Strafverfahren anders behandelt wird, etwa weil die Gefahr besteht, dass er sich ins Ausland absetzt.
    Presserat will Leitsätze anpassen, wenn sie im Redaktionsalltag nicht helfen
    Trotz der neuen Liberalität will der Presserat verhindern, dass lediglich diskriminierende Stereotype bedient oder Gruppen verunglimpft werden oder dass die Gruppenzugehörigkeit als bloßes Stilmittel benutzt wird. Und eines betonen die neuen Leitsätze ganz am Schluss:
    "Stets hilfreich ist es, wenn Leser die Entscheidung der Redaktion aus dem Beitrag selbst heraus nachvollziehen können."
    Ob die Leitsätze im Redaktionsalltag tatsächlich helfen, will der Presserat jetzt abwarten – und sie gegebenenfalls noch mal ändern. Bindend ist der Kodex übrigens nur bedingt: Wenn eine Zeitung dagegen verstößt, muss sie mit einer Rüge rechnen, die sie eigentlich auch abdrucken soll. Durchsetzen kann das aber niemand.